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Selbst wenn ein Regiozug mal kommt – oft ist er zu klein für all die Passagiere, die zur Arbeit oder nach Hause wollen.
© Imago/Carola Koserowsky

Verkehr in Brandenburg: Kaputte Züge, genervte Pendler

Brandenburgs Verkehrsministerin Schneider fordert für Prignitz-Express bessere Züge – doch nicht nur hier gibt es Frust.

Es ist sein Experiment. Michael Jungclaus, Brandenburger Landtagsabgeordneter der Grünen, lebt in Neuenhagen östlich von Berlin und fährt täglich mit dem Zug zur Arbeit nach Potsdam. Seit Sommer 2017 führt er eine Strichliste über seinen Pendleralltag. „Ich habe es seitdem zehn Mal geschafft, pünktlich in den Landtag zu kommen. Auf manchen Strecken sind die Züge ja quasi nie pünktlich“, sagte Jungclaus am Freitag im Brandenburger Parlament, im Verkehrsausschuss. Der befasste sich nämlich – inzwischen wie auf jeder Sitzung – mit Verspätungen und heillos überfüllten Regiozügen der Hauptstadtregion, die Frust-Linien wechseln sich ab.

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Aktuell waren der Prignitz-Express (RB 6) und der RB 26 zwischen Berlin-Lichtenberg und Kostrzyn in Polen auf der Tagesordnung. Auf beiden Strecken ist es für Bahnfahrer zwischen Brandenburg und Berlin derzeit besonders frustrierend. Beim RB 26 kann die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) seit Wochen nicht die Züge fahren lassen, wie sie es nach dem Verkehrsvertrag tun müsste. Und zwar wegen Technikproblemen, wie NEB-Geschäftsführer Detlef Bröcker den Abgeordneten erklärte. Die Züge seien zwar „im Prinzip“ da, aber in der Realität eben oft nicht.

„Seit Mai haben wir zwei Fahrzeuge zu wenig.“ Daher würden auf der Strecke kleinere Züge eingesetzt, die einzig Verfügbaren, die aber in Spitzenzeiten zu klein sind. Die Gründe? Es habe Lieferprobleme des polnischen Herstellers gegeben, der wiederum Zulassungsprobleme in Deutschland hatte, so Bröcker. Und ein anderer Zug aus dem Fuhrpark sei drei Monate ausgefallen, weil deutschlandweit kein Ersatzteil habe beschafft werden können. Und so ging es immer weiter mit seiner Schilderung, wie auf ein gelöstes Problem das nächste Drama folgte.

Ausfälle und Verspätungen beim Prignitzexpress

Der Ausblick? Er gehe davon aus, sagte Bröcker vorsichtig, dass „spätestens im August“ die Züge wieder so fahren, wie es vorgeschrieben ist. Solche Ankündigungen gab es auch früher schon. Die Linke-Abgeordnete Anita Tack erinnerte daran, dass man im Ausschuss schon im November 2016 und dann im Dezember 2017 über Probleme mit dem RB 26 beraten hatte.

Auch beim Prignitzexpress häufen sich wie schon 2017 seit Monaten wieder Ausfälle und Verspätungen. „Wir kriegen nicht das, was wir bestellt haben“, kritisierte Brandenburgs Verkehrsministerin Katrin Schneider (SPD). Sie forderte von der Deutschen Bahn den Einsatz zuverlässigerer Technik – und vor allem zusätzliche Reservekapazitäten. „Unsere klare Forderung ist der Einsatz zusätzlicher, über den Verkehrsvertrag hinausgehender Ersatzfahrzeuge.“ Und zwar auf Kosten der Deutschen Bahn. Auch dort liegt es nämlich an kaputten Zügen.

Die Deutsche Bahn setzt beim RB 6 seit 2016 zwar Fahrzeuge mit mehr Plätzen ein, die aber wegen Defekten – bei Motoren, Kühlungen, Bremsen bis bei Hitze platzenden Scheiben – oft in die Werkstatt müssen. Vorher fuhren die Züge für die DB in Süddeutschland. Sie habe kein Verständnis, sagte Schneider, dass es innerhalb des Konzerns offenbar keine Kommunikation gegeben habe, in welchem Zustand die Fahrzeuge seien.

Von Neuruppin nach Berlin in drei Stunden

Und so fahren, ob beim Prignitz-Express, beim RB 26 oder anderswo die Züge nicht einmal so wie bestellt. Mal fallen sie aus, mal sind sie zu klein. Dabei reichen schon die nach den aktuellen Verkehrsverträgen bestellten Züge wegen der gewachsenen Pendlerzahlen kaum aus. Erst für die Folgejahre sind deutliche Verbesserungen angekündigt. Auf der Trasse aus der Prignitz kommen derzeit noch Baustellen dazu. „Ein unpünktlicher Zug führt dazu, dass sich Verspätungen über den ganzen Tag ziehen“, so Verkehrsministerin Schneider.

Und bald wird die Strecke für sechs Wochen komplett gesperrt. Mit dem Ersatzverkehr bräuchte man von Neuruppin nach Berlin drei Stunden – unmöglich für Pendler. Gearbeitet wird übrigens am Bahnhof Velten, auch das ist typisch. Denn viele Baustellen, Nadelöhre oder auch geplante S-Bahn-Verlängerungen liegen im Speckgürtel, was fernab von Berlin mit ausgedünnten oder stillgelegten Linien kritisch gesehen wird.

„Wir brauchen eine bessere Anbindung des Umlandes für das ganze Land“, warb Schneider um Verständnis. „Es ist wichtig auch für Uckermark, Lausitz und Prignitz, dass die Engstellen beseitigt werden.“

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