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Obwohl wegen der Coronakrise eine Reisewarnung für Europa galt, wollte Naumann seine Reise nach Schweden nicht absagen.
© Photomick/iStock

Kritik und Rückendeckung für Reinhard Naumann: Kann ein Bürgermeister einen Schweden-Urlaub während der Coronakrise verantworten?

Charlottenburgs Bezirksbürgermeister wurde nach einem Schweden-Urlaub Anfang Juni heftig kritisiert. Nun erhält der SPD-Politiker Rückendeckung – aus der CDU. Es bleibt die Frage nach der Vorbildfunktion.

Nach der teilweise heftigen Kritik am Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann (SPD), hat Gesundheitsstadtrat Detlef Wagner (CDU) seinen Bezirksamtskollegen gegen Vorwürfe verteidigt. 

„Es hat keinen Deal oder etwas in der Art gegeben. Meine Amtsärztin hat vollkommen autark entschieden, ohne dass Druck von wem auch immer ausgeübt worden ist“, sagte Wagner dem Tagesspiegel am Montag. Bezirksbürgermeister Naumann, dem vorgeworfen worden war, sich unter Ausnutzung seines Postens nach einem Schweden-Urlaub von der Quarantäne-Pflicht befreit zu haben, habe rechtlich einwandfrei gehandelt, erklärte Wagner.

Was war passiert? Ursprung des Streits ist ein Schweden-Aufenthalt Naumanns über Pfingsten – also zu jener Zeit, als auch noch für Europa wegen der Coronapandemie eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes „für alle nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland“ galt. 

Doch Naumann verbrachte gemeinsam mit seinem Ehemann zehn Tage in einem Ferienhaus im Süden des Landes – ausgerechnet zu jener Zeit, in der die Infektionszahl in Schweden stark anstieg und den kritischen Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern und Woche überschritt. Damit zählte Schweden fortan zu den sogenannten Risikogebieten. Für Rückkehrer aus solchen Ländern gilt: Entweder begeben sie sich in eine 14-tägige Quarantäne oder sie legen einen negativen Corona-Test vor.

Genau diesen Test besorgte sich Naumann – und das gleich mehrfach. „Der erste Test wurde direkt nach seiner Ankunft in Berlin gemacht, auch das vollkommen konform“, erklärt Wagner. Er betont, dass auch jeder andere Schweden-Rückkehrer den Test bekommen habe oder bekommt. Auch hier: Keine Vorzugsbehandlung für Naumann.

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Der suchte auch das Gespräch mit der Amtsärztin des Bezirks, Nicoletta Wischnewski. Nach sorgfältiger Beratung und unter Abwägung von Ort und Art des Urlaubs verzichtete sie auf die Quarantäne-Anordnung, auch das gemäß der Rechtslage. „Sie hatte im Rahmen der damals noch möglichen Ausnahmefallprüfung zu entscheiden und hat das, wie übrigens auch in anderen Fällen, getan“, erklärt Wagner. Dass Naumann den zweiten negativen Test abgewartet hatte, ehe er seine Amtsgeschäfte wieder aufnahm, sei über die damals geltenden Vorgaben hinausgegangen. Er attestiert dem Bezirksbürgermeister, sich korrekt verhalten zu haben.

Dass er persönlich eine Reise nach Schweden zu diesem Zeitpunkt für wenig angebracht hielt und die nun eingetretenen Fragen hat kommen sehen, lässt Wagner dennoch zwischen den Zeilen erkennen, wenn er erklärt: „Rechtlich hat Reinhard Naumann alle Regelungen eingehalten und muss sich nichts vorwerfen lassen. Ob das Vorgehen seiner Vorbildrolle gerecht wird, mögen andere beurteilen.“

Weniger zurückhaltend hatte sich zuvor unter anderem Johannes Heyne, Vize-Chef der FDP-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Charlottenburg-Wilmersdorf, gezeigt. Von einer „Vorzugsbehandlung“ Naumanns durch die Amtsärztin des Bezirks war die Rede. Eine Darstellung, die am Montag von einem Amtskollegen Wischnewskis noch verstärkt wurde. Diese habe „selbstverständlich nicht auf Augenhöhe“ mit dem Bürgermeister über das weitere Vorgehen beraten können, allein schon wegen des „asymmetrischen Machtverhältnisses“, hieß es mit Blick auf die momentan als Sprecherin aller Berliner Amtsärzte eingesetzte Wischnewski.

Entscheidung sei nach Einzelfallprüfung und rechtskonform gefallen

Wagner wiederum widersprach diesem Vorwurf vehement und erklärte, Wischnewski habe auch in anderen begründeten Fällen auf die Anordnung einer Quarantäne für Schweden-Rückkehrer verzichtet. Die Entscheidung sei nach Einzelfallprüfung und rechtskonform getroffen worden, genau wie in Naumanns Fall. Der Bezirksbürgermeister selbst hatte sich bereits in der vergangenen Woche zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geäußert. Er habe die Reise seit Ende 2019 geplant und „nach Aufhebung der Quarantänepflicht“ für Rückkehrer aus Ländern wie Schweden angetreten, sagte er dem Tagesspiegel. Erst am 5. Juni sei diese „unerwartet“ wieder in Kraft getreten. Er und sein Mann seien „ausschließlich in dünn besiedelten ländlichen Gebieten“ unterwegs gewesen.

Irritationen hatte auch das Verhalten Naumanns während seiner Zeit im Homeoffice ausgelöst. Nachdem er zunächst bei einer Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses der Bezirksverordneten gefehlt hatte, tauchten später am selben Abend angefertigte Bilder von einer Feier anlässlich des zehnten Hochzeitstages zwischen ihm und seinem Mann in einem Lokal auf. 

Tags darauf besuchte er den Wochenmarkt am Karl-August-Platz. Außerhalb seiner Dienstzeit sei er „Privatmann“ und nicht Bürgermeister, argumentierte Naumann in der Bezirksverordnetenversammlung. Eine Anfrage des CDU-Verordneten Reinhold Hartmann dazu ließ Naumann unbeantwortet. Der FDP-Mann Heyne wiederum versandte eine Erklärung, wonach Naumann zwar „formal richtig gehandelt hat“, aber seiner Rolle als Vorbild „nicht gerecht wurde“.

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