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Nikolaus Ziegert. „Ich würde mir keine Eigentumswohnung mehr in Prenzlauer Berg kaufen.“
© promo

Immobilienmakler Ziegert im Interview: "Berlin wird nicht Paris oder London"

Mieten und Preise auf dem Berliner Immobilienmarkt sind massiv gestiegen. Makler Nikolaus Ziegert erklärt im Interview, warum es 2014 langsamer nach oben geht - und wie gefährlich die Spekulation ist.

Herr Ziegert, unweit des Brandenburger Tores vermarkten Sie seit mehr als einem Jahr Luxuswohnungen in der künftigen Wohnanlage Lux. Sind alle verkauft?
14 Top-Wohnungen in den oberen Etagen stehen noch zur Verfügung. Das Projekt gewinnt an Größe – und an Höhe. Einige Interessenten haben sich erst entschieden, nachdem sie einen Blick aus der inzwischen fertigen dritten Etage werfen konnten. Gerade haben wir eine weitere Penthouse-Wohnung reserviert.

Zu welchem Preis?
Der Quadratmeterpreis liegt bei 10 588 Euro, die Wohnung kostet gut zwei Millionen Euro. Es ist ein positives Signal für uns, für die gesamte Branche, dass sich in Berlin inzwischen solche Top-Preise erzielen lassen.

Mussten Sie keinen Rabatt geben?
Im Gegenteil. Die Preise für die letzten Top-Wohnungen haben wir im Spätsommer um drei Prozent erhöht.

Woher kommen die Käufer?
Sie kommen aus der ganzen Welt. Amerikaner, Australier, Israelis, Franzosen, Schweizer, Luxemburger.

Sind keine Berliner dabei?
Im Lux haben mehr als die Hälfte der Käufer bereits einen Berliner Wohnsitz. Ob sie sich alle als Berliner bezeichnen würden, vermag ich nicht zu sagen. Generell ist der Kauf einer Eigentumswohnung für ausländische Neu-Berliner noch immer von einer größeren Selbstverständlichkeit als für die Berliner selbst. Die Eigentumsquote liegt in Berlin nur bei 15 Prozent. Aber die Berliner holen auf. Vor allem bei den jüngeren Käufern unter 30 Jahre haben wir im vergangenen Jahr deutliche Zuwächse gesehen. Unsere häufigsten Käufer sind allerdings zwischen 40 und 50 Jahre alt. Sie suchen überwiegend nach einer Wohnung zur Selbstnutzung. Kapitalanlage spielt als Kaufmotiv bei den Berlinern eine eher untergeordnete Rolle.

Zuletzt war zu lesen, dass verstärkt Chinesen und Japaner auf dem Berliner Immobilienmarkt kaufen. Auch bei Ihnen?
Die Chinesen sind nach den Amerikanern und vor den Russen die zweitgrößte nichteuropäische Käufergruppe. Auffällig ist, dass sie gerne große Wohnungen kaufen – im Schnitt für 500 000 Euro.

Berlin hat zum Jahreswechsel die Grunderwerbsteuer erhöht. Gab es im Dezember noch einen Schlussverkauf?
Ja. Wir hatten zuletzt vier bis fünf Notariate pro Tag. Das Geschäftsjahr 2013 war unser bislang bestes

Wird der Berliner Immobilienboom 2014 weitergehen?
Umsätze und Verkaufszahlen von Eigentumswohnungen in Berlin werden auch 2014 wieder zulegen. In diesem Ausmaß wird es aber nicht weitergehen. Das ist auch gut so für Berlin und für den Markt, weil bei solchen Preissprüngen immer die Sorge vor einer Spekulationsblase wächst.

Teilen Sie diese Sorge?
In einigen Bezirken ist wohl eine Preisgrenze erreicht. Und in Berlin insgesamt wird sich das Preisniveau 2014 nicht mehr so extrem nach oben verschieben. Das hat drei Gründe. Die Profis und institutionellen Investoren rechnen genauer. Die Berliner Durchschnittseinkommen sind vergleichsweise niedrig. Und das Angebot an Eigentumswohnungen hat sich binnen eines Jahres verdoppelt. All das spricht gegen ein Heißlaufen des Marktes.

Neulich war in der Boulevardpresse vom „Hauskauf ohne Eigenkapital“ zu lesen. Ist das kein Symptom für einen überhitzten Markt?
Ein Einzelfall. Mein Eindruck ist, dass der deutsche Immobilienmarkt auf der Finanzierungsseite insgesamt solide ist. Die Banken stellen hohe Anforderungen an die Bonität und Einkommenssituation ihrer Kunden und die Käufer sind überwiegend solide finanziert. Unsere Kunden bringen im Schnitt 30 Prozent Eigenkapital mit. Und wir empfehlen ihnen, zusätzlich Geld zur Seite zu legen, um gegen mögliche Zinssteigerungen in zehn, 15 oder 20 Jahren gewappnet zu sein.

Sie haben schon vor einem Jahr vor Preisübertreibungen zum Beispiel in Prenzlauer Berg gewarnt. Gilt die Warnung noch?
Man kann dort noch hochwertigen, sanierten Altbau für mehr als den Bezirksdurchschnitt von 3800 Euro pro Quadratmeter verkaufen, bei Penthäusern auch für mehr. Aber es gibt nicht mehr viele Käufer in dieser Preisregion.

Würden Sie sich noch eine Eigentumswohnung in Prenzlauer Berg kaufen – in der Erwartung steigender Renditen in den nächsten 20 Jahren?
Ich persönlich nicht. Aber wir erleben, dass es immer wieder Kunden gibt, die zu unglaublichen Preisen dort Top-Wohnungen kaufen. Prenzlauer Berg ist international einfach sehr berühmt geworden. Wir wollen aber eigentlich eine breite Käuferschicht ansprechen. Das ist in Prenzlauer Berg nicht mehr möglich.

Und wie sieht es in den anderen Innenstadtbezirken aus?
In Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Schöneberg kann es 2014 bei den Preisen quartiersweise noch einmal im zweistelligen Prozentbereich nach oben gehen. Hier gibt es nach wie vor einen starken Zuzug von außen und die Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen. In Mitte und Friedrichshain sorgt ein reger Neubau zwar für eine Entlastung. Die im Vergleich zum Altbau höheren Preise führen jedoch zu einem weiteren Anstieg des Niveaus. Richtung S-Bahn-Ring und darüber hinaus sehen wir kaum Preissteigerungen. Bei rund 3000 Euro pro Quadratmeter ist hier eine natürliche Preisgrenze erreicht.

Zieht die stärkste Nachfrage aus den angesagtesten Bezirken weiter – zum Beispiel nach Wedding?
Der anhaltende Miet- und Preisdruck führt zu Kaskadeneffekten, wo wir bislang gar keine oder nur eine sehr geringe Nachfrage nach Eigentumswohnungen beobachtet haben, zum Beispiel im Wedding. Die Mieten von bis zu zwölf Euro je Quadratmeter für Erstbezugswohnungen, lassen den Wunsch nach Wohneigentum wachsen.

Die große Koalition will eine Mietpreisbremse einführen. Halten sich mögliche Käufer deshalb stärker zurück?
Noch ist die Mietpreisgrenze kein Gesetz. Aber auch wir müssen natürlich jetzt schon bei der Projektentwicklung antizipieren, dass die Mieten künftig weniger dynamisch steigen können. Sonst planen wir zu teuer. Vor allem die großen Investoren setzen jetzt den Rechenschieber in Gang, weil auch die Grundstücks- und Baupreise gestiegen sind.

Der Berliner Wohnungsmarkt wird also nicht entlastet?
Die geplante Mietpreisbremse wird, wenn sie kommt, den Preisauftrieb abschwächen, nicht aber die Lage am Wohnungsmarkt entspannen. Vermieter werden sich weiter den solventesten Bewerber aussuchen. Weil zugleich Anreize für den Neubau verschwinden, der ja in Berlin eigentlich gefördert werden soll, dürfte sich das Heer der Wohnungssuchenden in den kommenden Jahren vergrößern. Es ist traurig, dass die Politik Maßnahmen ergreift, die populär wirken, aber die Ursachen des Problems Wohnungsnot nicht bekämpfen. Die Investoren werden wieder stärker bei Gewerbeimmobilien aktiv.

Haben sich Investoren schon Ihnen gegenüber so geäußert?
Ja, viele sind in eine Art Schockstarre gefallen. Gerade hatten wir einen österreichischen Interessenten, der es nicht glauben wollte, dass es eine Mietpreisbremse in Deutschland geben soll. Zurückziehen wollen sich die Investoren dennoch nicht. Berlin ist einfach zu attraktiv – künftig allerdings weniger für den Wohnungsneubau.

Der Besteller, also der Vermieter, soll nach dem Willen der neuen Bundesregierung künftig den Makler bezahlen. Werden die Mieter profitieren?
Wir vermarkten vor allem Eigentumswohnung, deshalb sind wir wahrscheinlich nicht betroffen. Generell kann ich aber sagen, dass es für die Mieter am günstigsten wäre, wenn sie die Maklercourtage mit dem Vermieter frei aushandeln könnten. Stattdessen wird sie auch künftig fest kalkuliert – mit tendenziell höheren Belastungen für den Mieter.

Stichwort Wohnungsnot: Studenten und Menschen mit geringen Einkommen finden in Berlin kaum noch eine Wohnung. Tragen Sie als Makler Verantwortung?
Dass ein Vermieter oder Verkäufer unter den Bewerbern tendenziell den zahlungskräftigsten Mieter beziehungsweise Käufer auswählt, mag psychologisch belastend sein, wir werden es systemimmanent aber nicht ändern können. Doch gerade weil unsere Branche sehr erfolgreich und sehr lukrativ ist, müssen sich Vermieter und Eigentümer grundsätzlich Gedanken darüber machen, wie man auch eine andere Klientel mit niedrigeren Einkommen in günstigeren, einfacher ausgestatteten Wohnungen unterbringt. Wir selbst versuchen es gerade in Neukölln mit dem Projekt „12053“ auf dem Areal der früheren Kindl-Brauerei. In Berlin gibt es eine große Zielgruppe, die man bedienen könnte – und zwar nicht nach dem Motto: Die höchste Miete für die Wohnung mit dem schlechtesten Zustand.

Hat der Boom unseriöse Trittbrettfahrer in die Immobilienbranche gelockt?
Ja, das ist so. Aber die Branche wird sich weiter professionalieren und konsolidieren, wenn die Preise nicht mehr so sprunghaft steigen. Die Glücksritter werden den Markt wieder verlassen – und das begrüßen wir.

Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wird die „Berliner Mischung“, also das Nebeneinander von teuren und günstigen Wohnungen, Eigentümern und Mietern, erhalten bleiben? Oder wird die Stadt in 20 Jahren aussehen wie Paris oder London?
Berlin wird nicht Paris oder London. Dort hat man in den Innenstädten zu sehr auf Banken und Konzerne gesetzt. Das wird in Berlin nicht passieren. Man kann es anders machen und regulieren. Es muss ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen. Und es müssen breitere Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zur Eigentumsbildung erhalten – auch mit öffentlicher Unterstützung. Dann wird es keine Monokultur des Wohnens geben.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

DER MAKLER

Nikolaus Ziegert (54) ist Inhaber und Geschäftsführer der Berliner Maklerfirma Ziegert Bank- und Immobilienconsulting. Mit inzwischen 120 Mitarbeitern verkaufte Ziegert 2013 mehr als 1100 Wohnungen und erzielte einen Umsatz von rund 270 Millionen Euro. Nach dem Biologiestudium in Berlin stieg der gebürtige Bremer 1985 als selbstständiger Makler in das Immobiliengeschäft ein. 1993 gründete er die eigene Maklerfirma.

DER MARKT

Der Berliner Immobilienmarkt gehört inzwischen in Europa zu den gefragtesten Standorten. Steigende Preise und Mieten vor allem in den City-Bezirken machen die deutsche Hauptstadt für Investoren attraktiv. Gleichzeitig wird bezahlbarer Wohnraum für einkommenschwache Haushalte knapp.

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