Gemeinsame Sache in Lichtenberg: Kampf den Kippen im Weitlingkiez
Die Ehrenamtlichen Helfer sind mit Besen, Zangen und Warnweste ausgestattet. Auch an der Buschallee wurde aufgeräumt. Eindrücke aus Lichtenberg..
Albrecht Trübenbacher ist empört: „Vor dem Supermarktes schmeißen unzählige Raucher ihren Abfall auf die Grünanlage“. Seit einem Jahr organisiert er über das Netzwerk nebenan.de die Müllsammelaktionen im Lichtenberger Weitlingkiez. Der heutige Fokus liegt auf den Kippenstummeln. Ausgestattet sind die Helfer mit den Werkzeugen der BSR-Kehrenbürger-Initiative: Handschuhe, Greifzangen, Besen, Müllzangen und Warnwesten. Außerdem dabei: ein Lastenrad der ADFC-Initiative „fLotte Berlin“.
Initiator Trübenbacher hofft, mit den Leuten darüber ins Gespräch zu kommen, dass die Stummel „hochgiftiger Sondermüll“ sind. Bei den Entmüllungsaktionen kümmere sich die „lose Gruppe von Menschen“ insbesondere um Grünflächen und Spielplätze. Bisher wurden etwa drei Tonnen Müll gesammelt: Kippen, Glas, Verpackungen, aber auch Kuriositäten wie einen Dildo oder einen verrotteten Altar.
Kochen mit den Nachbarn
Anlässlich der Berliner Freiwilligentage 2019 hatte der Bürgertreff in Zusammenarbeit mit der "oskar Freiwilligenagentur" zur Mitmachaktion eingeladen. Zum gemeinsamen Kochen mit Nachbar*innen, mit und ohne Behinderung, trafen sich am Mittwochnachmittag rund 10 Personen aus Lichtenberg, um gemeinsam eine türkische Linsensuppe und eine Apfel-Currysuppe zu kochen.
Der Bürgertreff „Gemeinsam im Kiez leben“ der Cooperative Mensch eG in Berlin bietet regelmäßig bei sich Kochabende in den eigenen Räumen an. Der Bürgertreff besteht seit 2009 und ist ein inklusiver und vom Bezirk Lichtenberg geförderter sozialer Treff, der sich für inklusive Angebote, Kurse und Veranstaltungen unterschiedlicher Art in der Nachbarschaft einsetzt. tsp
Berufsschüler packen an
Die heutige Ausbeute an der Buschallee: „Hauptsächlich Kippen“, berichten die zehn Schüler, die bei der Putzaktion der Albert Schweitzer Stiftung Wohnen & Betreuen mitmachen. Das Oberstufenzentrum für Gastgewerbe liegt direkt um die Ecke – Ehrensache, dass die 20-27 Jahre alten Schüler den Bewohnern der Häuser „Kaysersberg“ und „Münster“ helfen.
„Wir machen die jährliche Aktion schon zum dritten Mal, sie ist offen für die Nachbarschaft, dadurch gibt es einen Austausch“, sagt Steffen Gester, Ehrenamts- und Sozialraumkoordinator.
Im Haus „Kaysersberg“ wohnen Menschen mit Pflegebedarf, nebenan, im „Münster“ Menschen mit Demenz. Zusammen mit der Nachbarschaft und Angehörigen befreien die Bewohner die von der Buschallee abgehende Sackgasse, kehren die Wege und jäten Unkraut. „Es ist sehr schwierig, die Kippen aus den Gehwegzwischenräumen zu bekommen, dafür braucht es Harken“, erzählt die Sozialarbeiterin Elke Fuhlrott. Für heute ist es erst mal geschafft – dank der vielen ehrenamtlichen Helfer. Corinna von Bodisco
Saubermachen rund ums Haus
Die zehn Damen vom Sportkurs rechen im Kiezgarten was das Zeug hält, wischen den Veranstaltungsraum und entstauben die Bilderrahmen im Café. Heute sehen rund um das 17-geschossige Hochhaus in der Lichtenberger Volkradstraße selbst die Laubhaufen ordentlich aus. „Wir wollen zeigen, dass wir gerne hier sind und machen sauber“, sagt Bernd Schubert, Vorsitzender von Miteinander Wohnen e.V. Der Verein begleitet seit 1991 Senioren aus dem Kiez, fährt die Leute mit zwei Bussen zum Einkaufen und hilft beim Ausfüllen von Formularen.
Etwa 120 ältere Menschen, meist sind es Frauen, besuchen regelmäßig Sportaktivitäten und treffen sich zu Kaffee und Kuchen. Rund um das Hochhaus sieht es allerdings nicht immer so sauber aus: „Viele Bewohner werfen ihren Müll einfach vom Balkon“, berichtet Schubert. Zumindest heute ist das anders und zur Belohnung gibt es nach getaner Arbeit Rotkäppchen. Die Piccolos sind schon kaltgestellt. Corinna von Bodisco
Engel für einen Tag
In Lichtenberg sind die Engel los. Jeden Morgen um acht fahren die freiwilligen Helfer des „Berliner Engel für Bedürftige e.V.“ mit Lastwagen zu den umliegenden Supermärkten und Bäckereien, um Lebensmittel abzuholen, die dort zu viel sind. Im eigenen Laden in Lichtenberg werden das Obst, die Getränke, Kühlwaren und Brot für einen schmalen Taler an Bedürftige verkauft. „Und wenn mal jemand gar kein Geld hat, bekommt er trotzdem was“, sagt Michael Schulz, der selbst arbeitslos ist, aber an mehreren Tagen in der Woche mithilft, weil er sonst nur zu Hause sitzen würde.
Neben ihm sitzen der 65-jährige Rentner, Dieter, Thomas, der neben seinem Beruf als Fahrer noch Zeit und Lust fürs Ehrenamt hat und die 26-jährige Jacqueline, die sich auf ihren Bundesfreiwilligendienst vorbereitet. Die Berliner Engel könnten unterschiedlicher nicht sein, was sie verbindet, ist der Drang zu helfen – aus welchen Gründen auch immer. Niklas Liebetrau
Wir bauen Bienenkästen
Billy oder Kallax, diese Ikea-Möbel kennt jeder. Doch der schwedische Einrichtungskonzern baut zusammen mit Ehrenamtlichen auch Bienenkästen und Hochbeete für den eigenen Filialgarten, zumindest in Lichtenberg. In der großen Anlieferhalle, in der normaler Weise die Möbelwagen ein und aus fahren, wird heute mit übriggebliebenem Holz gewerkelt. „Das sind alles Sachen, die wir sonst in die Tonne kloppen würden, wir wollen aber Müll vermeiden und besser den Dingen eine neue Aufgabe geben“, sagt ein Ikea-Sprecher, Daniel Zellmer.
„Wir haben als Großkonzern eine Nachhaltigkeitsaufgabe und der kommen wir gerne nach.“ Der Standort Lichtenberg arbeitet aus diesem Grund viel mit Oberschulen und Flüchtlingsunterkünften zusammen, geht in die Einrichtungen mit Hobby-Imkern aus der eigenen Belegschaft und informiert über das Thema und versucht ehrenamtliche Helfer zu mobilisieren. Neben den Bienenkästen und Hochbeeten gibt es auch etwas für Vogelfreunde auf dem Dach der Filiale: Brutkästen made by Ikea Lichtenberg. Niklas Liebetrau
Interkulturelles Kochen im Familienzentrum Die Brücke
Ungewöhnlich lecker riecht es an diesem Morgen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn heute gibt es in Lichtenberg das syrische Gericht Okra, aus grünen Schoten, Hähnchen und Reis. Dazu noch die Auberginenpaste Babaganoush und einen frischen Salat – fertig ist das interkulturelle Essen. Jeden Mittwoch findet dies im Familienzentrum „Die Brücke“ statt. „Unser Bezirk verändert sich extrem und deswegen geht es uns darum, Menschen unkompliziert zusammenzubringen“, sagt Leiterin Cordula Weigel. „Kochen ist ein Thema, das alle über jede Grenze hinweg interessiert.“ Noch sei es sehr ruhig, doch in ein paar Stunden sei sicher die Hütte voll.
„Dann kommen auch die Teilnehmer unseres Sprachcafés.“ Im Familienzentrum geht es eigentlich um frühkindliche Bildung, hier kommen Familien mit ihren Kleinkindern her, erhalten Beratung und Unterstützung, nehmen an Kinderyogaklassen teil und knüpfen Bekanntschaften. „Aber bei uns geht es im Kern eigentlich immer darum, Begegnungen zu schaffen.“ Und dafür ist nun mal das Kochen eine wunderbare Zutat. Niklas Liebetrau
Kreativ in jeden Alter
In der Kreativwerkstatt ist mächtig was los. Kleine Kinder sitzen neben gut Betagten im Seniorenheim Alfred-Jung in Lichtenberg und bauen Vogelhäuschen aus Holz, die anschließend mit Ölfarbe verziert werden. „Das ist natürlich immer ein Highlight sowohl für die Alten, als auch für die Jungen“, sagt Steffi Lingner, die Einrichtungsleiterin. Im Seniorenheim sind vor allem die „Fitten Holzwürmer“, eine Männerbastelgruppe, für das Werkeln zuständig.
Zusammen mit der Kita Sonnenschein und der Tagespflege Lebensbau, verbringen sie heute einen kreativ-lustigen und generationsübergreifenden Vormittag. „In der Adventszeit wird dann viel gebacken mit den Kindern zusammen“, erzählt Lingner. Und am Ende sitzen immer alle beisammen, quatschen über das Erlebte und freuen sich über die schönen Stunden. Niklas Liebetrau
Damit im nächsten Jahr die Tulpen blühen
Auf dem Johannes-Fest-Platz in Lichtenberg wird an diesem Freitag fleißig gearbeitet. Von Klein bis Groß – alle packen mit an. Denn nächstes Jahr feiern die Anwohner 125 Jahre Karlshorst. Dafür soll natürlich alles schön hergerichtet sein, damit die Jubiläumswoche im Mai ein voller Erfolg wird.
Initiator Mario Rietz ist der erste, der zur Schaufel greift und die Baumscheibe grob umgräbt. Dann sind die Kinder mit ihren kleinen Schaufeln an der Reihe. Sie graben kleine Löcher und legen dann vorsichtig die Tulpenzwiebeln in die Erde.
Im Mai ist die Zeit der Frühblüher eigentlich schon vorbei, erklärt Rietz, deswegen fangen wir jetzt schon. Gestärkt wird sich im kleinen Weinladen direkt am Platz. Leider können nicht alle Baumscheiben verschönert werden, da sich viele momentan in einer Baustelle befinden. Vivien Krüger
[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Herbstputz in der Kiesspinne
Ein orangener Farbtupfer ist das Nachbarschaftshaus Kiezspinne zwischen all den grauen Plattenbauten in Lichtenberg. Darum heißt es auch die Orangerie. Hier wird Nachbarschaft in seiner schönsten Art gelebt.
„Wir sind transgenerativ, unser Angebot reicht von Krabbelgruppen, über Capoeira bis hin zu Seniorengruppen und Gedächtnistraining“, sagt David Fiebelkorn, der junge Geschäftsführer. Die Bandbreite der Angebote spiegele die Vielfalt im Kiez durchaus wieder.
„Lichtenberg wird immer multikultureller, viele junge Leute ziehen her.“
[Wer noch mehr über ehrenamtliches Engagement in Berlin erfahren will: Der neue Tagesspiegel-Newsletter Ehrensache erscheint monatlich, immer am zweiten Mittwoch. Hier kostenlos anmelden: ehrensache.tagesspiegel.de]
In der Orangerie, eines der modernsten Nachbarschaftshäuser Deutschlands, können sich die Anwohner aktiv einbringen, die Räumlichkeiten nutzen, das Insektenhotel oder den Kräutergarten pflegen. Auf dem Dach leben fünf Bienenvölker, der Imker kommt ebenfalls aus der Nachbarschaft.
Im Garten, in dem riesige Sonnenblumen und Obstbäume wachsen, harken und jäten heute viele Freiwillige, bevor man beim vielleicht letzten Grillen in diesem Jahr den Tag gemütlich ausklingen lässt. Niklas Liebetrau
Interkultureller Austausch
„Miraaage“ – ruft das kleine Mädchen und stürmt auf mich zu. Mirage ist zwei Jahre alt und aus dem Jemen. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder ist sie vor sieben Monaten nach Deutschland gekommen. Jetzt lebt sie in der Gemeinschaftsunterkunft Seehausener Straße in Lichtenberg.
In dem fünfstöckigen Gebäude leben rund 400 Menschen, davon sind 260 Kinder. Jeden Montag kommen die Bewohnerinnen zu einem Frauenfrühstück zusammen – und diesen Freitag beim „Gemeinsame Sache“-Aktionstag.
Dort sprechen sie über Themen, die sie bewegen und lernen gleichzeitig die Mitbewohnerinnen aus anderen Heimatländern kennen, die sonst oft unter sich bleiben. Verständigt wird sich mit Händen und Füßen.
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen mit und lernen die Familien so besser kennen. Vivien Krüger
Freundschaftsspiel
„Rot ist näher“ ertönt es aus der Sporthalle in Lichtenberg. Zu fünft wird hier inklusives Hallenboccia gespielt. Mit weichen roten und blauen Lederbällen werfen die Spieler und Spielerinnen und versuchen, so nah wie möglich an den weißen Ball heranzukommen.
„Wir trainieren auf Wettbewerbsniveau“, erzählt mir Carola, die Schiedsrichterin, stolz.
Dieses Training ist besonders, denn es ist inklusiv: Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung spielen zusammen in Teams. Hans Werner Fulroth zum Beispiel, sitzt im Rollstuhl und spielt mit dem Mund. Mit der Hilfe eines Assistenten und einer Rampe stößt er den Ball mit einem Stab auf das Spielfeld. Nächstes Jahr, wenn die Meisterschaften beginnen, bekommt das Team sogar eine eigene Halle. Vivien Krüger
Tag der offenen Tür im Studio Museum Kesselhaus
Im Lichtenberger Landschaftspark liegt das Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge direkt gegenüber vom Kesselhaus-Museum. Früher diente der Museumsbau als Heizhaus für das Krankenhaus, 1992 wurde der letzte Kessel stillgelegt. „Im Museum wird 100 Jahre Dampfkesselgeschichte abgebildet“, erzählt Peter Ameis vom Museumsförderverein. Große Kesselanlagen, Vitrinen mit Werkzeug, Zylindern oder Ventilen – es gibt einiges zu sehen.
Für den Tag der offenen Tür wurde im Krankenhaus viel Werbung gemacht, denn „zukünftig wollen wir enger mit dem Krankenhaus kooperieren“ – so Ameis’ Wunsch. Das 220 Quadratmeter große „Studio Blankenstein“ könne gerne auch von Patienten genutzt werden. Am heutigen Aktionstag formen sie dort Skulpturen, malen und feiern mit der Nachbarschaft. Corinna von Bodisco
Stolpersteine putzen im Weitlingkiez
In einem Grüppchen von acht Personen liest eine Frau im grünem Schal und roter Umhängetasche die Lebensgeschichte der Familie Löwenberg vor. Gleichzeitig putzt Annika Eckel die drei Stolpersteine an der Leopold- Ecke Emanuelstraße.
Ihr Verein Licht-Blicke steht für Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention. Heute ist sie mit der Gruppe von Freiwilligen im Lichtenberger Weitlingkiez unterwegs. Sie ziehen von Straße zu Straße und erinnern an die Opfer des Holocaust. Auf die geputzten Steine legen sie Rosen. Vivien Krüger
Natur erleben und gestalten
Funken fliegen mir entgegen. Heute ist Kiezfest im Kiezgarten der Evangelisch-Freikirchlichen-Gemeinde in Lichtenberg. Kleine und große Besucher haben Berge an Gemüse geschnippelt. Denn gleich kocht der Bürgermeister, Michael Grunst, einen großen Topf Kartoffelsuppe für alle - und das sogar über offenem Feuer.
Die Stimmung ist ausgelassen, die Kinder spielen und malen, die Erwachsenen unterhalten sich und lauschen der Live-Band. Der Pastor der Gemeinde, Thorsten Schacht, zeigt mir drei Kästen, in denen Hochbeete angelegt werden sollen. Die Patenschaft übernehmen Kitas, so die Idee. Auf diese Weise können die Kinder die Natur erleben. Vivien Krüger