Obdachlosigkeit in Berlin: Kältehilfe öffnet die Notunterkünfte
Essen gegen die Einsamkeit: Mit Beginn des Novembers beginnt die Arbeit der Berliner Kältehilfe. Es gibt aber zu wenig Notunterkünfte.
Wenn Elisabeth Cieplik im Gemeindesaal der Neuköllner St.-Richard-Kirche die Isomatten ausrollt, hat die kalte Jahreszeit begonnen. Freitag für Freitag schließt sie die Türen des Gemeindesaals auf, drinnen sitzen im vergangenen Winter dann bis zu 70 Menschen an den Esstischen. In diesem Jahr werden wohl wieder so viele kommen.
An diesem Dienstag sitzt in dem Saal die Direktorin des Diakonischen Werks, Barbara Eschen, und sagt, es gebe mehr Wohnungslose und mehr wohnungslose Familien. Wie viele? Das fragte die Piratenpartei Ende September den Senat. Der Senat antwortete, dass 4178 Menschen „in ambulanten Maßnahmen Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten“ benötigten. Diese Zahl sei ungenau, sagt eine Referentin der Diakonie. Denn wie viele Menschen davon wirklich auf der Straße leben, sei unklar. Einige wohnten etwa bei Freunden. Eschen schätzt, dass 3000 bis 6000 Menschen in Berlin obdachlos sind.
Für jeden Obdachlosen zahlt der Senat 17 Euro
Im November gibt es für diese Menschen 550 Betten, in denen sie schlafen können. Bis zu 27 davon richten Cieplik und weitere Helfer in der St.-Richard-Kirche her. Kommen die Obdachlosen freitags in den Gemeindesaal, reichen ihnen Freiwillige Kuchen. „Die Obdachlosigkeit hat einen besonderen Geruch, der nicht für jeden leicht erträglich ist“, sagt Cieplik. „Umso wichtiger ist es, dass frisches Essen aus der Küche in den Gastraum, in den Gemeindesaal, duftet.“ Die Milch, das Kakaopulver und die Lebensmittel für das Abendessen kauften Cieplik und die Helfer von dem Geld, das der Senat für jeden Obdachlosen pro Nacht zahlt. Bisher waren es 15 Euro, ab diesem Winter werden es 17 Euro sein.
„Ein wichtiger Schritt“, sagt die Direktorin des Berliner Caritasverbands, Ulrike Kostka. Sie fordert, dass der Senat pro Obdachlosem und pro Nacht 25 Euro zahlen müsse. Denn viele Unterkünfte seien chronisch unterfinanziert. Kostka sitzt neben Eschen im Gemeindesaal, spricht über die Kältehilfe und sagt dann: „Ich habe keine Lust, Jahr für Jahr die gleichen Sachen zu erzählen.“ Im vergangenen Jahr konnte die Kältehilfe fast jedem Obdachlosen einen Schlafplatz anbieten, der einen suchte, sagt Kostka. Das könne sie in diesem Jahr nicht garantieren. Wie es genau werde, will sie nicht prognostizieren.
In Friedrichshain entsteht eine provisorische Halle
Da es weniger und weniger Räume und Wohnungen gebe, die für Notunterkünfte genutzt werden können, wird an der Frankfurter Allee in Friedrichshain eine provisorische Halle errichtet. In der sollen 100 Obdachlose schlafen können. Kostka sagt: „Es ist beschämend, eine Traglufthalle aufstellen zu müssen.“
Obdachlose, die nicht in die Halle kommen wollen, werden in diesem Winter wieder von drei Kältebussen versorgt, zwei bringen ihnen Essen und Kleidung, einer bringt sie in Unterkünfte, wenn sie dort doch hinwollen. Zum Beispiel zum St.-Richard-Gemeindesaal.
Jeden Freitag Senfeier, Buletten oder Hühnersuppe
Dort werden am Freitag die Freiwilligen wieder kochen. Auf die Teller kommen dann Buletten, Senfeier oder Hühnersuppe. An den Tischen sitzen die Helfer neben den Obdachlosen. Hat sie versucht, Menschen dauerhaft von der Straße zu holen? „Komplett raushalten kann man sich nicht“, sagt Cieplik. Und: „Wir sind nicht die Profis dafür.“
Seit 18 Jahren arbeitet sie in den Notunterkünften Neuköllns. Kann sie jemals aufhören? „Jedes Jahr überlege ich neu“, sagt Cieplik, die im kommenden Jahr 70 wird. In den vergangenen Wochen fragte sie sich, kann ich noch? „Es ging, also machte ich weiter“.
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