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Burkhard Dregger (CDU), Vorsitzender des Amri-Untersuchungsausschusses
© Britta Pedersen/dpa

Anschlag am Breitscheidplatz: Justizverwaltung rudert im Streit um Amri-Akten zurück

Wurden Unterlagen wirklich erheblich verändert? SPD, FDP und die Parlamentsverwaltung nehmen den Ausschussvorsitzenden Burkard Dregger in Schutz.

Was passierte mit Akten für den Berliner Amri-Untersuchungsausschuss? Wurden Dokumente durcheinandergebracht, umetikettiert oder fehlen einige gänzlich? Das Abgeordnetenhaus begann nach Ostern die Spurensuche und kam zu ersten Erkenntnissen: Die Akten wurden nach jetzigem Kenntnisstand im Original „vollständig zurückgegeben“, sagte am Dienstag Salvador Becker, amtierender Sprecher der Parlamentsverwaltung des Abgeordnetenhauses.

„Die Behauptung, es fehle etwas, ist daher unzutreffend.“ Genauso unzutreffend sei die Unterstellung, der Ausschussvorsitzende Burkard Dregger (CDU) habe eigenhändig die Akten verändert. Und er habe dem Ausschussbüro auch „keinerlei entsprechende Anweisungen erteilt“. Nun gerät die Justizverwaltung, die Dregger vorgeworfen hatte, Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft unzulässig verändert zu haben, immer mehr in die Kritik.

Worum geht es?

Der Ausschuss erhielt zwei Umzugskisten von der Justizverwaltung, darunter Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft sowie Aktenordner aus dem Landeskriminalamt. Nachdem die Kartons am 20. März wieder abgeholt worden waren, hatte die Justizverwaltung Änderungen an den Akten entdeckt.

„Bei Rückgabe haben wir gesehen, dass sowohl Akten in den Ordnern fehlen, als lose Blattsammlung gebündelt waren, als auch Rückendeckel anders gekennzeichnet und Handakten mit grünen Etiketten versehen waren“, sagte Justizsprecher Sebastian Brux am Dienstagvormittag. Am Nachmittag ruderte Brux zurück. Die Unterlagen seien zwar „vollständig zurückgegeben“ worden. Aber es habe ein Aktendeckel, ein roter Umschlag, gefehlt. Darauf sei vermerkt worden, wer und wann sich mit den Dokumenten beschäftigt habe. Damit sei die Akte für ihn nicht vollständig.

Brux betonte, dass es außerdem eine lose Blattsammlung gegeben habe und dass Akten den Ordnern entnommen, neu sortiert und beklebt worden seien. Das Abgeordnetenhaus hält dagegen, dass es „auf Grund des Zustandes der hier aufgelieferten Akten und Unterlagen notwendig war, diese zu ordnen“. Statt die Lieferung wieder zurückzuweisen und auf einer geordneten Vorlage für den Ausschuss zu bestehen, habe das Ausschussbüro diese Arbeit selbst übernommen, damit die Ermittlungen aufgenommen werden konnten.

„Unglücklich“ aber sei gewesen, dass die Originalunterlagen zum Zwecke der besseren Handhabbarkeit in „Schuber“ umsortiert wurden, damit mit ihnen besser umgegangen werden könne. „Es kam zu keinem Zeitpunkt zu einer Veränderung des Inhalts“, sagte Becker. Insofern könnten die Vorwürfe, Inhalt und Aussagekraft der Akten seien beeinträchtigt, „nicht nachvollzogen“ werden. Das bestätigte auch SPD-Innenpolitiker und Sprecher im Untersuchungsausschuss, Frank Zimmermann (SPD).

Seine Fraktionsmitarbeiter hätten die Akten durchgeschaut und keine Diskrepanz festgestellt. „Die Akten sind in Ordnung. Wir können die Inhalte zuordnen“, sagte Zimmermann dem Tagesspiegel. Justizsprecher Brux hält dagegen, dass die falsch sortierten und etikettierten Originalakten nicht verändert werden dürfen. „Eine weitere Veränderung der Akten wäre eine weitere Änderung der Inhalte, für die wir keine Verantwortung übernehmen können.“ Die Aktenkopien, die demnächst dem Amri-Untersuchungsausschuss im Bundestag übergeben werden, könnten deshalb nicht mehr mit den Originalakten übereinstimmen. Der Wert als Beweismittel könnte eingeschränkt sein, gab Brux zu bedenken.

Wie reagiert die Politik?

Während Justizsprecher Brux betont, der Ausschussvorsitzende trage für die veränderten Akten die „politische Verantwortung“, steht der Ausschuss geschlossen hinter dem Vorsitzenden und CDU-Politiker Dregger. Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux, der noch am Wochenende Dregger unterstellt hatte, er reiße „eigenmächtig wichtige Akten auseinander“, sagte gestern: „Burkard Dregger macht einen guten Job als Vorsitzender.“

SPD-Politiker Zimmermann bestätigte diese Aussage. Scharf kritisierte FDP–Innenpolitiker und Sprecher im Amri-Ausschuss die Justizverwaltung. „Der Justizsenat erlaubt sich unverschämt Vorwürfe gegenüber dem Parlament und weiß offenbar nicht einmal, was im eigenen Haus los ist, wo sich ganze Aktenseiten in Luft auflösen. Wir kontrollieren die Exekutive, nicht andersherum.“ Luthe hatte 2017 wegen Überlastung des Landgerichts Akteneinsicht bei der Justizverwaltung erhalten.

Er sichtete zehn Aktenordner und monierte, dass im achten Ordner die Seiten 253 bis 255 fehlten. Daraufhin schrieb ihm Justizstaatssekretärin Martina Gerlach, man wolle diese „Umstände“ zum Anlass nehmen, die „Geschäftsabläufe zur Aktenführung“ einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um künftig „eine noch bessere Beachtung“ des grundsätzlich ordentlichen Verwaltungshandelns sicherzustellen.

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