Fotoausstellung im Willy-Brandt-Haus: Jung, obdachlos, im Fokus
Eine Ausstellung dokumentiert das Leben von Berliner Straßenjugendlichen - zwischen Drogen und Totalausfall.
Die Fotos erzählen eine Geschichte: Ein junger Mann zwischen Kleidungsstücken auf einem Schlafsofa, die Kippe hängt lässig zwischen den Fingern, zwei andere Typen stehen angespannt herum. Ein anderes Bild zeigt ihn in der leeren Bärenquell-Brauerei in Niederschöneweide, er balanciert auf einem Stahlträger hoch über dem Betonboden.
Momentaufnahmen aus der Vergangenheit
Die Geschichte, um die es geht, gehört zu Nico Mück, 23 Jahre alt. Heute ist er ganz in Schwarz gekleidet und mit Kamera unterwegs. Er und drei andere Jugendliche von der Straße hat die deutsche Fotografin Fara Phoebe Zetzsche 2013 neun Monate lang begleitet. Beim Insbettgehen, beim Herumstreunern, beim Alleinsein. Zetzsche lernte die Straßenjugendlichen über die Charlottenburger Kontakt- und Beratungsstelle KuB kennen. Seit Mittwoch zeigt sie ihre Fotografien im Willy-Brandt-Haus in der Ausstellung „Verloren in Berlin und Bukarest“. Der Fotograf Massimo Branca hat Motive aus Rumänien beigesteuert.
Bei der Ausstellungseröffnung drängen sich die Besucher vor den Stellwänden. Auch Nico läuft herum und schaut sich sein Leben an. Wie fühlt es sich an, wenn Fremde Einblick haben in intime Momente? „Ich geh mit meiner Geschichte offen um, aber die Bilder repräsentieren auch nicht den, der ich heute bin“, sagt Nico.
Wilde Zeit und Harte Zeit
Alles beginnt in seiner Heimatstadt Gera: Er ist ein Mitläufer. Als alle kiffen, kifft er auch, als alle Crystal Meth nehmen, nimmt er es auch. „In Gera kommst du leichter an Crystal als an Gras.“ Die Sucht zerstört seine Beziehung und seine Ausbildung, nach sieben Tag ohne Schlaf und einem Totalausfall fährt er nach Berlin in eine Therapieeinrichtung.
Dort bleibt er für einen Monat, dann hat er genug. „Aber meine Eltern wollten mich nicht zurück, also bin ich in Berlin geblieben“, sagt Nico. Er findet schnell Anschluss zu einer Gruppe junger Leute, seiner „Alex-Crew“, die täglich am Alexanderplatz abhängen. Seinen Schlafplatz wechselt er Tag für Tag, von Freund zu Freund, manchmal bleibt nichts als „Platte machen“. Eine Spur Sehnsucht klingt zwischen seinen Worten. Es muss eine wilde Zeit gewesen sein.
Es war aber auch eine harte Zeit. Nico deutet auf ein Bild, das ihn bewusstlos am Boden zeigt. Sanitäter leuchten ihm in die Augen, er hatte zu viel getrunken, zu viel genommen. An diesen Tag kann er sich nicht erinnern.
Neue Pläne und eine eigene Wohnung
Die Arbeit mit Fara Phoebe Zetzsche hat sein Leben verändert. Auf ihre Frage, was seine Eltern nicht von ihm wissen, antwortete Nico schriftlich: „Sie wissen weder das mit den Drogengeschäften, noch dass meine Lieblingsfarbe Dunkelgrün ist.“ Die Frage bringt ihn dazu, sich in seine Mutter hineinzuversetzen, auf sie zuzugehen. Seit zwei Jahren hat er wieder ein gutes Verhältnis zu ihr.
Das letzte Motiv der Fotoreihe ist Nicos Lieblingsbild: Er steht rauchend am Fenster in einem kahlen Zimmer, seinem Zimmer. Seit drei Jahren wohnt er jetzt schon in seiner eigenen Wohnung in Berlin. Er hat Pläne für sein Leben. Nach einer Fotografenlehre jobbt er und arbeitet an Fotoprojekten. „Kunst“, sagt er, „ist nicht nur ein Weg raus, Kunst ist auch einfach mein eigener Weg.“
Die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus läuft bis zum 21. Mai. Wilhelmstraße 140, Eintritt frei. Mehr Infos unter www.willy-brandt-haus.de
Nora Noll
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