Prozess gegen das Land Berlin: Jüdische Gemeinde darf auf höhere Landeszuschüsse hoffen
Der Streit zwischen dem Senat und der Jüdischen Gemeinde um nicht gezahlte Landeszuschüsse geht vor Gericht weiter. Das Verhältnis ist seit Jahren angespannt. Einen klaren Sieger wird es in dem Prozess wohl nicht geben.
Die Jüdische Gemeinde darf sich freuen: Sie hat jahrelang zu wenig Geld vom Senat bekommen und kann auf eine Erhöhung des staatlichen Zuschusses hoffen. Das ist das Ergebnis von fünfeinhalb langen Verhandlungsstunden am Mittwoch vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Ein Urteil wurde noch nicht gefällt. Zu viele Klagen sind aus dem angespannten Verhältnis zwischen der Jüdischen Gemeinde und dem Senat erwachsen, zu viele komplizierte Details müssen noch geklärt werden.
Erst wenn ein Urteil gesprochen ist, wird sich herausstellen, ob sich der Zuschuss des Landes noch rückwirkend erhöhen wird. Denn auch der Senat fordert von der Gemeinde Millionenbeträge zurück. Der Senat hat jahrelang zu viel Geld für den Pensionsfonds der Gemeinde beigesteuert. Forderungen stehen gegen Forderungen. Die Stimmung könnte nicht schlechter sein.
So mahnte der Vorsitzende Richter Christian Richard zu Beginn der Sitzung, man möge sich doch bitte an einen "freundschaftlichen Ton" halten. Schließlich hätten das Land und die Jüdische Gemeinde 1993 einen Staatsvertrag im "freundschaftlichen Geist" geschlossen, wie es dort heißt. Offenbar war in den Schriftsätzen der vergangenen Monate von diesem Geist wenig zu spüren.
Der Staatsvertrag regelt auch die Höhe des staatlichen Zuschusses: 1993 waren es 9,8 Millionen Mark. Der Zuschuss bemisst sich an den Personalkosten der Gemeinde. Die Personalkosten wiederum orientieren sich am Angestelltentarif des Landes und steigen und fallen mit diesem. So viel ist klar. Gestritten wird darum, ob die Auszahlung des Zuschusses an Bedingungen geknüpft ist.
Im April 2013 stoppte der Senat die Auszahlung mit dem Argument, die Gemeinde habe in ihrem Wirtschaftsplan die Personalausgaben nicht erklärt. Der Senat monierte außerdem, dass die Gemeinde eigenmächtig eine Steigerung der Personalkosten um elf Prozent veranschlagte.
Doch offenbar war das gar nicht so verkehrt. Wie sich am Mittwoch herausstellte, hat die Gemeinde über Jahre zu geringe Zuschüsse beantragt. 2012 hat der Senat 5,2 Millionen Euro gezahlt und ging auch für 2013 von einer ähnlichen Summe aus. Wie das Verwaltungsgericht von der Finanzverwaltung nachrechnen ließ, hätte die Gemeinde 2013 aber 6,5 Millionen Euro beantragen können.
Staatsvertrag oder Verwaltungsabkommen?
Der Gemeindevorstand klagte vor dem Verwaltungsgericht auf Fortsetzung der Förderung. Das Gericht entschied im Eilverfahren, dass der Senat weiterzahlen müsse, um die Existenz der Gemeinde zu sichern. Der Senat legte Beschwerde ein und machte gegenüber der Gemeinde Rückforderungen aus überhöhten Pensionszahlungen geltend.
All das führte zu der Verhandlung am Mittwoch. In Saal 4304 des Verwaltungsgerichts geht es an diesem Tag zunächst um grundsätzliche Fragen: Muss die Gemeinde im vorhinein darlegen, was sie mit den Landeszuschüssen machen will? Ist die Auszahlung der Zuschüsse daran geknüpft, dass die Gemeinde nachweist, dass bereits gezahlte Zuwendungen ordnungsgemäß verwendet wurden? Darf der Senat also in die Belange der Gemeinde "hineinregieren", wie es Richter Richard den Vertretern des Landes vorwirft?
Viele Antworten hängen davon ab, wie man den Staatsvertrag juristisch bewertet. Die Jüdische Gemeinde und die Richter interpretieren ihn ähnlich wie einen "echten" Staatsvertrag zwischen zwei Staaten. Ein solcher Vertrag darf nicht vom Berliner Haushalt abhängen; die darin zugesagten Zuschüsse müssen "ohne Wenn und Aber" gezahlt werden, also ohne dass der Senat irgendetwas prüft. Der Senat hingegen argumentiert, der Vertrag mit der Jüdischen Gemeinde habe wenig gemeinsam mit den „echten“ Staatsverträgen und sei mehr oder weniger ein Verwaltungsabkommen. Denn bereits seit 1971 habe es im Wortlaut sehr ähnliche Abkommen mit der Gemeinde gegeben. Verwaltungsabkommen aber unterliegen der Haushaltsordnung des Landes.
Verhältnis seit Jahren angespannt
„Wir streiten uns nicht darüber, dass die Jüdische Gemeinde das Geld bekommen soll, das ihr zusteht, aber wir brauchen Nachweise über den tatsächlichen Bedarf“, sagt der Anwalt des Senats. Sonst schreite der Rechnungshof ein, der darüber wacht, dass keine Steuergelder verschwendet werden. „Die Gegenseite will einfach das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben“, sagt der Anwalt der Jüdischen Gemeinde. "Sie missbrauchen Ihre Macht", ruft Gideon Joffe, der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde, in Richtung des Tisches, an dem die Senatsvertreter sitzen.
Dass sich die beide Seiten gütlich einigen, wie es sich Richter Christian Richard an diesem Mittwoch mehrfach wünscht, ist unwahrscheinlich. „Es wird keinen klaren Sieger geben und keinen klaren Verlierer“, betont Richard auch zum Schluss des Verhandlungstages noch einmal - und gibt zu verstehen, dass er, was die Rückforderungen des Landes aus der Pensionskasse angeht, den Argumenten des Senats zuneigt. Darum wird es am Montag gehen. Dann wird die Verhandlung fortgesetzt.
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