Lehrermangel in Berlin: Jetzt sollen Pensionäre die Lücken füllen
1000 neue Grundschullehrer werden in Berlin benötigt, aber es gibt kaum ausgebildeten Nachwuchs. "Wir sehen die Not", sagt der Gesamtpersonalrat.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will jetzt auf Pensionäre zurückgreifen, um den großen Mangel an ausgebildeten Grundschullehrern auszugleichen. Vielleicht gebe es ja „pensionierte Lehrkräfte, die gern noch ein oder zwei Jahre arbeiten möchten", sagte sie im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses am Donnerstag. Gemeint ist damit, dass Lehrer, die das Pensionsalter erreicht haben, ihren Dienst verlängern.
Der Gesamtpersonalrat hat seine Ansicht geändert
Dem standen die Personalräte bislang eher skeptisch gegenüber. Angesichts des großen Mangels sei man damit jetzt aber einverstanden, sagte die Vorsitzende des Gesamtpersonalrates, Marion Leibnitz, am Freitag auf Anfrage: "Wir sehen die Not", so Leibnitz.
Ex-Pirat und Bildungspolitiker Martin Delius hatte Scheeres im Bildungsausschuss gefragt, wie der große Bedarf an Grundschullehrern gedeckt werden soll. Der Tagesspiegel hatte berichtet, dass in diesem Jahr rund 1000 benötigten Grundschullehrern nur 175 Kräfte gegenüberstehen, die 2016 ihre Ausbildung beenden. Scheeres nannte neben dem Rückgriff auf Pensionäre noch weitere „Maßnahmen“, darunter die verstärkte Entfristung von Lehrkräften ohne Lehrerausbildung. Bislang hatten diese Quereinsteiger nur dann einen unbefristeten Vertrag bekommen, wenn sie ein Mangelfach unterrichten konnten. Das soll jetzt erweitert werden auf Quereinsteiger ohne Mangelfach.
Auf die Zahl der "echten" Grundschullehrer wird noch gewartet
Die GEW begrüße beide Vorhaben, sagte der Vorsitzende Tom Erdmann auf Anfrage. Wenn ein Quereinsteiger gute Arbeit mache, sei eine Entfristung richtig. Auch gegen die Weiterbeschäftigung von Pensionären habe die GEW nichts einzuwenden. Zu diesem Schritt hatte sich die Bildungsverwaltung schon 2014 entschlossen, als der Lehrermangel ebenfalls eklatant war.
Scheeres betonte im Ausschuss, dass zum 1. Februar 960 bereits neue Lehrer eingestellt worden seien, darunter 344 an Grundschulen. Die Anfrage des Tagesspiegels, wie viele ausgebildete Grundschullehrer sich unter diesen 344 Kräften befanden, hat die Verwaltung bislang nicht beantwortet. Die Zahlen würden noch ausgewertet, hieß es.
160 Quereinsteiger kamen jetzt hinzu
Nach GEW-Informationen wurden zum 1. Februar insgesamt 160 Quereinsteiger eingestellt, darunter die Hälfte für Grundschulen. Studienräte und andere Lehrer, die für Oberschulen ausgebildet wurden, gelten in der Verwaltung nicht als Quereinsteiger, wenn sie an Grundschulen eingesetzt werden, obwohl sie keine Grundschulpädagogik studiert haben. Wie viele Grundschullehrer aus anderen Bundesländern die Lücken gefüllt haben, ist ebenfalls noch nicht bekannt.
Überall sollen Ehrenamtler und Rentner aushelfen, wo das kaputtgesparte, schlecht verwaltete Deutschland an seine Grenzen stößt: Bei der Flüchtlingshilfe, bei der Altenpflege und jetzt auch noch bei den Schulkindern.
schreibt NutzerIn BerlinerW
Ex-Pirat Delius: Pensionierungswelle lange bekannt
Insgesamt geht die Bildungsverwaltung von einem Bedarf an 2100 neuen Lehrern für 2016 aus. Allerdings kann sich diese Zahl noch ändern. Scheeres sagte im Ausschuss, dass der große Mangel im Grundschulbedarf nicht so absehbar gewesen sei, wie er sich jetzt zeige. Das bestritt Delius: Die Pensionierungswelle sei seit langem bekannt. Sie allein schon hätte eine höhere Zahl an Lehrerstudienplätzen gerechtfertigt, betonte Delius am Rande der Sitzung. Dies sei auch immer wieder Thema im Wissenschaftsausschuss gewesen. Scheeres habe aber stets betont, dass es genug Kapazitäten gebe.
Die aktuell gültigen Hochschulverträge wurden in der Amtszeit von Scheeres verhandelt. Daher trägt sie die Verantwortung dafür, dass es dort keine Festlegungen für die Anzahl der Studienplätze für Grundschulpädagogen gibt und dass eine zu geringe Gesamtzahl von Lehrerstudienplätzen festgelegt wurde.
Susanne Vieth-Entus