Chaos beim Flughafen BER: Jeder Tag Warten kostet Geld und Jobs
Für Händler, Gastronomen und Arbeitnehmer geht es beim Flughafen-Desaster um die Existenz. Ob und für wen es Hilfe gibt, ist unklar. Aber damit hören die Hiobsbotschaften nicht auf.
Gerade hat Jasmin K. (Name geändert) ihre Ausbildung zur Flugbegleiterin beendet, mit der Eröffnung des Airports BER sollte es losgehen, doch nun hängt die 22-Jährige in der Luft. „Wir sind 140 Frauen und Männer, die bei der Lufthansa-Tochter AviatonPower eingestellt werden sollten“, sagt sie. „Aber seit Tagen erhalten wir keine Informationen.“
Die Spandauer Firma Haru-Reisen will die Schnellbuslinie vom Steglitzer Kreisel zum Flughafen betreiben. „Wir haben immer wieder gefragt, ob der Eröffnungstermin sicher ist“, sagt Geschäftsführer Hans-Jörg Schulze: „Man hat es uns versichert. Also haben wir drei Busse für rund 800 000 Euro gekauft und sieben neue Mitarbeiter eingestellt.“
Auch Beatrice Posch hat fünf Frauen eingestellt. „Ich habe sie selbst ausgewählt, damit sie als Team funktionieren“, erzählt sie. Eine habe sogar anderswo gekündigt, um im Spielzeuggeschäft „Die kleine Gesellschaft“ am Flughafen zu arbeiten. Zwei Läden hat Beatrice Posch schon in der Stadt, und für die 60 Quadratmeter Ladenfläche am BER hat sie viel investiert; einen Kredit aufgenommen, der zurückgezahlt werden muss, auch wenn es noch keine Gewinne gibt. „Außerdem hatte ich Waren im Wert von 50 000 Euro bestellt“, sagt die 40–Jährige: „Die Stornierung hat mich allein bei einer Firma schon 4000 Euro gekostet.“
Fertig sieht anders aus. Ein Rundgang auf dem Besuchertag am BER:
Hunderte Menschen, Angestellte wie auch Unternehmer, wurden von der geplatzten Eröffnung kalt erwischt.
Zwar hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Hilfe für Härtefälle versprochen, aber wer definiert, was ein Härtefall ist? „Wir entscheiden von Fall zu Fall“, sagt Flughafensprecher Ralf Kunkel: „Es ist ja ein Unterschied, ob eine große globale Handelskette oder ein kleiner Händler betroffen sind.“ Kunkel verweist darauf, dass in den Verträgen der rund 150 Läden und Restaurants die Klausel steht, dass bei einer Verzögerung der Flughafeneröffnung bis zu 18 Monaten keine Ansprüche geltend gemacht werden können. „Wir wollen aber trotzdem helfen, wo wir können“, sagt der Flughafensprecher.
Für Jasmin K. gibt es gute Nachrichten.
Dass die Klausel überhaupt unterschrieben wurde, wundert Nils Busch-Petersen nicht. „Das ist nicht unüblich“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg: „Außerdem standen die Bewerber für die Ladenflächen von BER damals Schlange, und das wäre auch jetzt noch so.“ Zum Teil gilt das auch für die Arbeitnehmer, sagt Clarissa Schmidt, Sprecherin der Arbeitsagentur Potsdam. „Wir haben viele hochqualifizierte und -motivierte Fachkräfte vermittelt. Ein Spreewaldhotel hat gerade nachgefragt, ob es nicht Leute bekommen könne, die noch nicht für den Flughafen gebraucht würden.“
Sehen Sie hier eine Bildergalerie zum Chaos um die Flughafen-Eröffnung:
Das könne aber nicht über die Misere hinwegtäuschen, sagt Schmidt. Die Arbeitsagentur habe schon bei der Hälfte der betroffenen Unternehmen nachgefragt. Die wollten bereits mehr als 100 Leute entlassen. Kurzarbeitergeld könne nicht gezahlt werden, da es mehr als sechs Monate bis zum neuen Eröffnungstermin sind. Und die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Auch die am neuen Flughafen geplante Modemesse Panorama soll ausfallen. „Ich kann nur bestätigen, dass heute darüber beraten wird“, sagte Wolfgang Rogall von der Messe Berlin.
Gute Nachrichten gibt es hingegen für Jasmin K.. Sie könne als Stewardess arbeiten, sagt Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber: „Der Bedarf ist da, weil wir die zusätzlichen Flüge von Tegel aus durchführen.“ Haru-Reisen hat an die Flughafengesellschaft geschrieben. Vielleicht können die drei neuen Busse ja für andere Transporte zum Flughafen eingesetzt werden, so dass sich der Schaden in Grenzen hält. Beatrice Posch hat heute ein Gespräch mit der Flughafengesellschaft, ist aber wenig optimistisch. „Die werden meine fünf Frauen nicht bezahlen können“, sagt sie: „Und ich kann es auch nicht. Aber das tut mir weh.“
Sandra Dassler