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Viel Streit gab es um eine Studie zur Jugendgewalt. Nun liegen die Ergebnisse vor.
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Update

Studienergebnisse: Jeder sechste Berliner Jugendliche ist Kriminalitätsopfer

Die Zahlen liegen leicht über dem Bundesdurchschnitt: Die Ergebnisse einer Studie zur Gewalt im Alltag von Jugendlichen in Berlin liegen nun vor. Um die Untersuchung hatte es viel Streit gegeben.

Etwa jeder sechste Berliner Jugendliche ist in den letzten zwölf Monaten nach einer Befragung Opfer von Kriminalität geworden. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, die am Mittwoch vorgestellt wurde. 17,9 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, sie seien beraubt, erpresst oder geschlagen worden. Im Bundesdurchschnitt waren es 16,8 Prozent. 12,8 Prozent der befragten Jugendlichen, also etwa jeder achte, wurde im vergangenen Jahr Opfer von Körperverletzung.

Auffällig ist in Berlin der hohe Anteil von straffälligen Jugendlichen - wenn man die Daten der offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistik zugrunde legt: In den Jahren 2009 und 2010 habe die Polizei fast zwölf Prozent aller 14- bis unter 18jährigen wegen eines Deliktes registriert. Bundesweit liege dieser Anteil nur bei 7,3 Prozent. Ein besonders großer Abstand zum bundesdeutschen Mittel finde sich beim Gewaltverhalten: In Berlin seien in den Jahren 2009 und 2010 doppelt so viele Jugendliche (2,2 Prozent) wegen eines Gewaltdelikts polizeilich erfasst worden wie im deutschen Durchschnitt (1,1 Prozent). Zum Raub zeigt sich sogar eine mehr als dreimal so hohe Belastung der Berliner Jugendlichen. Bei all diesen Werten handelt es sich um Daten der offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistik. Ziel der nun vorgelegten Studie war aber gerade, diese Daten durch eigene Untersuchungen zu überprüfen.

Sinn der Studie sei, die tatsächlichen Zahlen von Kriminalität und Gewalt zu erforschen, so die Wissenschaftler. Die Kriminalstatistiken der Polizei würden ein zu großes Dunkelfeld offen lassen. "Wir als Kriminologen trauen diesen Statistiken nicht. Da taucht nur das auf, was angezeigt wird, etwa nur ein Viertel der Taten. Dreiviertel der Taten bleiben unentdeckt", sagt der Direktor des Forschungsinstituts, Christian Pfeiffer. "Es gibt positive Befunde und nicht primär Kritisches und Negatives zu berichten, etwa, dass Berlin am allerschlimmsten ist."

Da die Zahlen, die in der Studie ermittelt wurden, nur leicht über dem Bundesdurchschnitt liegen, schlussfolgern die Autoren: "Die Auswertungen zur Gewaltopfer- und -täterschaft belegen für Berlin letztlich keine höhere Gewaltbelastung als in anderen Gebieten Deutschlands." Die Studie kommt aber auch zu dem Ergebnis, dass es in Berlin deutlich häufiger als im Bundesschnitt zu Gewalt im Öffentlichen Nahverkehr kommt. Auch sei die Bereitschaft zur Gewalt in Berlin besonders stark vom Bildungsniveau eines Jugendlichen abhängig.

Die Schülerbefragung zur Gewalterfahrung von Neuntklässlern war etwa deshalb umstritten, weil darin Fragen wie "Wann wurdest du das erste Mal mit Gewalt oder durch Androhung von Gewalt zur Duldung von sexuellen Handlungen gezwungen?" auftauchen. Außerdem würden Kinder nach "leiblichen Eltern" gefragt: So werde nicht das soziale Umfeld, etwa die Erziehung, sondern die Blutsabstammung in einem Zusammenhang mit Gewaltbereitschaft gestellt. Zuletzt hatte es Streit darum gegeben, dass Elternvertreter nicht an der Präsentation der Ergebnisse beteiligt wurden.

Insgesamt wurden für die Studie 3.167 Jugendliche der neunten Jahrgangsstufe befragt. Knapp 45 Prozent beantworteten die Fragebögen. Die Herausgeber der Studie führen die geringe Rücklaufquote auf mangelnde Mitarbeit der Schulen zurück. Von den 305 ausgewählten Klassen haben insgesamt 121 die Teilnahme abgesagt. Zum Vergleich: In einer deutschlandweit repräsentativen Schülerbefragung aus den Jahren 2007 und 2008, in der 44.610 Jugendliche erreicht wurden, betrug die Rücklaufquote 62 Prozent.

(Tsp, dpa)

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