Viele Feuer, aber keine heiße Spur: Jeder fünfte Waldbrand in Brandenburg geht auf das Konto von Kriminellen
Nirgendwo sonst werden so viele Waldbrände vorsätzlich ausgelöst wie in Brandenburg. Doch die Ermittlungen sind äußerst schwierig.
Wenn junge, gesunde Bäume in Flammen aufgehen, wenn ganze Wälder im Feuer sterben und nur noch graue, kahle Landschaften zurückbleiben, dann empfinden manche offenbar Freude oder Lust. Psychologen gehen davon aus, dass Feuerlegen bei einigen Menschen mit dem Gefühl großer Macht einhergeht, oft wird damit ein Versagen in anderen Bereichen kompensiert.
In keinem anderen Bundesland brennen die Wälder so oft wie in Brandenburg – und in keinem anderen Bundesland werden so viele davon vorsätzlich gelegt. Das dokumentieren die Zahlen der kürzlich veröffentlichten Waldbrandstatistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die auf Meldungen der Bundesländer beruht. Danach kam es im vergangenen Jahr in Brandenburg auf einer Fläche von 1389 Hektar zu insgesamt 429 Waldbränden. 84 davon wurden vorsätzlich gelegt. 2018 hatte es sogar 512-mal auf 1574 Hektar Wald gebrannt – „nachgeholfen“ wurde 92-mal.
Etwa jeder fünfte Waldbrand zwischen Uckermark und Elbe-Elster geht also auf das Konto von Kriminellen, besonders viele davon gab es in den vergangenen Jahren im Landkreis Oberhavel. Hoffnung, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt, besteht kaum. Immerhin hat es auch in diesem Jahr bislang schon mehr als 220 Waldbrände gegeben. Glücklicherweise waren aber – abgesehen vom Moorbrand in Plessa (Landkreis Elbe-Elster) – keine größeren Flächen betroffen.
Die Ursache ist neben vorsätzlicher vor allem fahrlässige Brandstiftung, sagt ein Sprecher der Leitstelle Lausitz in Cottbus. Das sei oft die achtlos weggeworfene Zigarettenkippe oder die zerbrochene Bierflasche, die auf dem ausgetrockneten Waldboden wie ein Brennglas wirkt.
Als natürliche Ursache kommt eigentlich nur Blitzschlag infrage, sagt der Brandschutzbeauftragte des Landes, Raimund Engel. Besonders kritisch wird es für die Feuerwehr, wenn sich bei Bränden auch alte Munition entzündet, wie das oft auf ehemaligen Truppenübungsplätzen der Fall ist. Ein Paradebeispiel dafür ist die Lieberoser Heide. Das etwa 90 Kilometer südöstlich von Berlin liegende Gebiet sollte 1942 nach einem Waldbrand und nachfolgenden Brandstiftungen von der Waffen-SS zum Truppenübungsplatz „Kurmark“ umgestaltet werden.
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Dazu wurde extra ein Außenlager des KZ Sachsenhausen eingerichtet, doch das Kriegsende und die Rote Armee verhinderten eine entsprechende Nutzung. Die sowjetischen Besatzer bauten den Truppenübungsplatz 1954 aus und nutzten das Gelände bis 1992. Später fiel es an das Land, das Teile davon an private Interessenten und die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg verkaufte. Doch wegen der immensen Kosten ist das Gebiet noch immer nicht von Munition aller Art gesäubert. Wenn es hier brennt, gestalten sich die Löscharbeiten entsprechend schwierig.
Und es brennt oft. Die letzten Male im Mai 2017, im Juli 2018 und im Juni 2019. Immer waren die Feuer sehr heftig. Und immer wurde vermutet, dass zumindest einige davon vorsätzlich gelegt wurden. Im vergangenen Jahr verdichteten sich die Hinweise auf einen Brandstifter, sodass eine spezielle Ermittlungsgruppe in der Polizeidirektion-Süd gebildet wurde.
Brandstiftungs-Verfahren gegen Unbekannt wurde eingestellt
Die Kriminalisten hatten nach der Untersuchung eines Ausbruchsortes „vorsätzliche Brandstiftung als Entstehungsursache nicht ausgeschlossen“ und die Bevölkerung gebeten, sich an die Polizeiinspektion in Königs Wusterhausen zu wenden, wenn ihnen etwas aufgefallen sein sollte. Doch offenkundig ergab sich keine heiße Spur zu den Tätern. „Wir haben das Verfahren gegen Unbekannt eingestellt“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Cottbus.
Ein paar Jahre zuvor hatten die Beamten zwar einen möglichen Brandstifter im Visier, doch am Ende reichte es nicht einmal für einen Anfangsverdacht. Wie so oft verliefen auch damals die Ermittlungen nahezu ergebnislos, wie so oft geriet das Thema in den Hintergrund – jedenfalls bis zum nächsten Brand. Das war am vergangenen Montag, als ein Hubschrauber in der Lieberoser Heide gleich mehrere Stellen entdeckte, in denen kleine Feuer brannten oder gebrannt hatten. Zwar konnten Waldarbeiter die Nester mit Sand löschen, sodass die Feuerwehr nicht ausrücken musste, doch die Polizei reaktivierte ihre Ermittlungsgruppe aus dem Vorjahr.
Viele Stellen dürfen die Ermittler gar nicht betreten - wegen Explosionsgefahr
„Es wäre schon sehr seltsam, wenn – etwa durch Selbstentzündung von Munition – an mehreren Stellen gleichzeitig Brände entstehen würden“, sagt Christian Hylla. Er leitet die Polizeiinspektion Dahme-Spreewald und wirbt um Verständnis für die schwierige Arbeit der Ermittler. „Um die Ursachen von Waldbränden herauszufinden, müssen die Kollegen auf einem riesigen Areal quasi jeden verkohlten Baum auf Brandnester untersuchen“, sagt er.
Hinzu komme, dass sie viele Stellen wegen der Explosionsgefahr gar nicht betreten dürften. So bleibt die große Hoffnung, dass irgendwann doch einmal ein entscheidender Hinweis aus der Bevölkerung kommt. In Südbrandenburg kann sich jedenfalls weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft oder der Feuerwehr jemand erinnern, dass in jüngerer Vergangenheit ein (Wald-)Brandstifter überführt oder gar verurteilt wurde.
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Auch Waldbrandschutzbeauftragter Raimund Engel kennt keinen solchen Fall. Er ist sich aber sicher, dass es in Brandenburg nicht mehr „Feuerteufel“ gibt als in anderen Bundesländern. Wenn man sich die Anzahl der Brandstiftungen in Relation zu den Bränden insgesamt anschaue, relativiere sich das Verhältnis schon sehr, sagt er.
Am deutlichsten wird das am Beispiel von Berlin: Hier wurden im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel der Waldbrände vorsätzlich gelegt – nämlich acht von insgesamt 22. Flächenmäßig wurden sogar mehr als zwei Drittel des betroffenen Waldes durch Brandstiftung vernichtet: zehn von 13 Hektar. Das mag auf den ersten Blick sehr wenig erscheinen. Naturschützer weisen aber darauf hin, dass angesichts der wachsenden Gefährdung heimischer Wälder jeder Baum, der in Flammen aufgeht, einer zu viel ist.
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