Autoren über Berlins Feuerwehr: Jahrelang keine Medikamente im Rettungswagen
In einem neuen Buch schreiben zwei Journalisten, dass die Feuerwehr in Berlin knapper ausgestattet war als in anderen Bundesländern.
Berlins Feuerwehr sieht sich der Kritik zweier Autoren ausgesetzt. In einem an diesem Montag veröffentlichten Buch schreiben die beiden Journalisten, dass die Rettungswagen in Berlin jahrelang mangelhaft ausgestattet gewesen und Patienten so womöglich zu Schaden gekommen seien.
Im Buch „Tot oder lebendig“ heißt es, dass Berlins Feuerwehr in den Jahren 2000 bis 2015 mit Rettungswagen im Einsatz war, die nur über Ein-Kanal-EKG und kaum Arzneien, beispielsweise das zur Wiederbelebung genutzte Adrenalin, verfügt hätten. Zudem sei problematisch, dass in den RTW genannten Fahrzeugen keine Notärzte säßen, die Mediziner also deutlich später am Einsatzort eintreffen als die Sanitäter.
Dies sei zwar bundesweit Praxis, aber nur in Berlin hätten Sanitär bis 2015 keine Medikamente verabreichen dürfen. Rettungseinsätze auf dem von Ärzten empfohlenen Niveau seien so kaum möglich gewesen.
"15.000 erfolglose Reanimationen"?
Auch die von der Innenverwaltung im Jahr 2000 eingeführten Leitlinien wären demnach nicht immer eingehalten worden: Die Autoren Lars Winkelsdorf, der zu innenpolitischen Fragen auch im Tagesspiegel publiziert hat, und Thomas Eckert schreiben: In den Jahren 2000 bis 2015 habe es „mindestens 15.000 erfolglose Reanimationen“ gegeben, die womöglich anders verlaufen wären, wäre der Einsatzstandard höher gewesen.
Ein Sprecher der Senatsinnenverwaltung sagte: Die nicht weiter belegte Behauptung, durch Organisationsmängel habe es „15.000 erfolglose Reanimationen“ gegeben, sei haltlos. Pro Jahr bewältige der Rettungsdienst 2800 Reanimationen. Und: „Statistische Auswertungen belegen, dass selbst bei der optimalen Versorgung, zum Beispiel wenn bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes eine sofort eingeleitete Laienreanimation durchgeführt wird, circa die Hälfte der Patientinnen und Patienten aufgrund der schweren Grunderkrankung nicht überlebt.“
Feuerwehr: 400.000 Einsätze im Jahr, zehn Schadensersatzforderungen
Belegt sei, dass in den ersten Minuten weder Medikamente noch ein Zwölf-Kanal-EKG grundlegend seien, „sondern dass es auf eine gute und kontinuierliche Herzdruckmassage, Defibrillation und Sauerstoff ankommt“ – die Frage nach Medikamenten stelle sich also nicht.
„Es gibt keinen anderen Rettungsdienst in Deutschland, der auf Medikamente im Einsatzwagen verzichtet hätte“, sagte Autor Winkelsdorf. „Nur in Berlin war dies bis 2015 der Fall.“ Drohen dem Senat womöglich Schadensersatzforderungen von Hinterbliebenen? Allgemein teilt die Innenverwaltung mit: Bei 400.000 Einsätzen im Jahr würden im Durchschnitt zehn Schadensersatzforderungen geltend gemacht, die sich auf die medizinische Behandlung – also nicht nur Reanimationen – beziehen
Ärzteverbände wollten die Einsatzqualität der Feuerwehr am Wochenende nicht bewerten. Das Buch befasst sich mit dem Rettungswesen in Deutschland generell, die Autoren schreiben zusammenfassend: „Falsche gesetzgeberische Vorgaben, Konkurrenz der Hilfsorganisationen, psychische Belastungen des Personals, überfüllte Notaufnahmen, illegal importierte Leichenteile zu Übungszwecken.“ Die Folge seien lange Wartezeiten, fehlende Materialien oder übermüdete Helfer: „Dies führt zum unnötigen Tod Tausender Menschen."