zum Hauptinhalt
In Berlin leben immer mehr Menschen, gleichzeitig gibt es immer weniger bezahlbaren Wohnraum.
© Kitty Kleist-Heinrich

Undurchsichtige Finanzierungen: Ist der Berliner Immobilienmarkt außer Kontrolle?

Es geht um hunderte Millionen Euro. Doch woher das Geld für große Immobilien-Deals in Berlin stammt, lässt sich oft nicht nachprüfen. Den Senat sorgt das wenig.

Wem gehört die Stadt – diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: mit einem Blick ins Grundbuch. Im Grundbuch jeder Wohnung steht der Eigentümer. Oft ist das eine Person, die beim Notar einen Personalausweis vorgelegt hat und dessen Vermögensverhältnisse das Finanzamt und die Bank bis auf den letzten Cent durchleuchtet haben. Nur: So einfach ist das in Berlin natürlich nicht.

Berlin will Weltstadt sein, sich messen mit London, Paris, New York. Und tatsächlich jubeln Makler über Immobilien-Käufer aus aller Herren Länder. Sie kommen und gehen mit der Konjunktur: Vor der Finanzkrise die Iren, denen ihr Steuerdumping vorübergehend zu Wohlstand verhalf. Später kamen Spanier und Griechen, weil sie krisensichere Anlagen suchten, die in ihren vom Sparzwang gebeutelten Ländern nicht finden konnten. Auch russische Investoren entdeckten Berlin und kauften sich am oberen Ku’damm ein. Viel Geld, das die Stadt gut gebrauchen kann. Einerseits.

Andererseits erzählen Zeugen von Deals „mit Koffern voller Geld“, die beim Notar abgewickelt wurden. Herkunft unbekannt. Namen unbenannt.

Während beispielsweise London nach dem Skripal-Attentat ein neues Gesetz erließ und nun die Spur des großen Geldes aufnimmt, tut Berlin sich schwer. Das zeigt sich gerade wieder an der undurchsichtigen Finanzierung der größten Projekte am Checkpoint Charlie. Im Zentrum steht das Firmenimperium „Trockland“. Der Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sieht „keinen Anlass an der Seriosität des Investors zu zweifeln“. Vertrauen ist gut. Kontrolle besser. Das aber geht hier nicht.

Die Firma sitzt in Luxemburg

Noch ist der Deal, den Kollatz gerne vorantreiben möchte, nicht unterzeichnet. Es geht um 250 Millionen Euro, deren Herkunft teilweise ungewiss ist. Trockland-Chef Heskel Nathaniel sagte dem Tagesspiegel, er greife auf „Mezzanine-Kapital“ zurück, auf Risikokapital. Das kommt nicht von einer Bank, sondern von der Firma „AF 1 Originator S.a.r.l“, die in Luxemburg sitzt. Luxemburg ist seit Jahren im Clinch mit der Europäischen Union wegen Steuerdeals mit Konzernen auf Kosten anderer Mitgliedsländer. Gilt als Rückzugsort für globales Kapital.

Von Luxemburg aus fließen Millionen direkt ins Zentrum von Berlin. Die „AF 1 Originator“ investiert das Geld in die Grundstücke. Wer hinter den Kulissen das Sagen hat, ist ein wohl gehütetes Geheimnis der Steueroase. Über Register und Auskunfteien ist an die Geldgeber nicht heranzukommen. Originator hat weit über 70 Millionen Euro bereitgestellt zur Übernahme von Schulden, die auf den beiden Grundstücken am Checkpoint Charlie lasten. Und ihr Firmenkapital erhöhte sich innerhalb von gut drei Jahren von 12500 Euro auf 192 Millionen Euro. Die Grundstücke sind nur ein Bruchteil davon wert. Sollen mit dem Rest die Bauten bezahlt werden? Woher dieses Geld kommt, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Das ist unüblich. Die „wirtschaftlich Berechtigten“ kennt jede Bank. So verlangt es das Anti-Terrorgesetz. Hier bleiben sie teilweise im Dunkeln auch wenn eine spätere Anbau- und Hochbaufinanzierung durch deutsche Banken erfolgen mag.

Russische Investmentbanker sind Gesellschafter

Originator ist nicht der einzige blinde Fleck im Trockland-Gebilde. Da wäre noch die „Establishment Goldleaves“ mit Sitz in Liechtenstein. Auch hier bleibt der Eigentümer unbekannt. Ihm gehört ein Teil von jener Firma der Trockland-Konstruktion, die „operativ“ genannt wird, und auch geführt wird von dem im Licht der Öffentlichkeit stehenden Chef Heskel Nathaniel. An dieser Firma sind ferner russische Staatsbürger mit Wohnsitz in London und auf Zypern beteiligt. Zwei Gesellschafter sind Bankiers bei einer russischen Investmentbank mit Sitz auf Zypern, ein Gesellschafter ist Inhaber einer russischen Investmentfirma mit Firmensitzen in Luxemburg und London.

Außerdem hält die operative „Trockland IX Real Estate GmbH“ alle Anteile an den zwei weiteren eigenständigen Firmen, denen laut Grundbuch die beiden Grundstücke gehören.

Warum diese Konstruktion? Weil jede der beiden Grundstücksgesellschaften jederzeit einzeln verkauft werden kann und dank einer Gesetzeslücke fast steuerfrei als „Share Deal“? Niemand habe diese Absicht, versichert Nathaniel. Und warum bleibt die Geldquelle im Dunkeln? Weil Prominenz dabei ist? Weil nicht alles ganz legal zugeht? Weil die Gewinne so steuerfrei ausgeschüttet werden können? Nathaniel spricht von einer ganz normalen Finanzierung auch durch Pensionsfonds.

Kurios ist die Antwort von Finanzsenator Kollatz auf die Frage nach der intransparenten Geldquelle bei Trockland: „Üblicherweise wird die Finanzierung von Banken übernommen. Hierbei achten wir darauf, dass es eine Bank ist, die sich an europäischen Richtlinien orientiert“ – dabei ist im Fall Trockland kaum etwas nichts wie „üblich“ und die Finanzierung in wichtigen Teilen auch nicht „von Banken“ abgesichert. Das kann legal sein. Nur überprüfen lässt es sich nicht.

Zypern verkauft europäische Pässe an Superreiche

An die Grenzen der Transparenz stoßen sogar Ermittler des Bundeskriminalamtes immer wieder im Kampf gegen Geldwäsche. Trotz internationaler Kooperationen und Amtshilfe in Nachbarländern. Auf der Spur des Geldes müssen Beamte „Firmenkonstrukte aufblättern“, die von Europa bis in die Offshore-Gebiete reichen können, den Cayman-Inseln oder Panama, sagt Martin Thode, Geldwäsche-Experte beim BKA. „Ein Rechtshilfeersuchen braucht Zeit, da wird geprüft und genehmigt und dann ist das Geld oftmals weg“. Immobilien seien ein beliebtes Instrument der Geldwäsche. Und: „Berlins Immobilienmarkt spielt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine große Rolle“, sagt Thode.

50 Milliarden Euro jährlich werden in Deutschland gewaschen, besagt eine Studie der Universität Halle-Wittenberg, eine andere Studie kommt auf die doppelte Summe.

Sogar innerhalb Europas lässt sich die Spur der Hintermänner leicht verwischen. Auf Zypern sind mehrere Gesellschafter der Trockland-Firmen ansässig und auch die „Trockland Holdings Limited“, die die Mehrheit an der operativen „Trockland IX Real Estate“ hält. Zypern lockt Investoren mit Dumping-Steuern und wird von Europaabgeordneten für den Verkauf von EU-Pässen attackiert, die Superreiche den Zugang zum Kapitalverkehr in der EU sichern. Zufall? Möglich.

Dem Land Berlin entgehen Millionen

Den Staat kann all das Millionen kosten. Auch am Checkpoint Charlie. Falls die Firmen als Share Deal verkauft werden, entgehen dem Land Berlin Millionen an Grunderwerbsteuer. Falls die „Trockland IX“ Gewinne an ihre nicht in Deutschland steuerpflichtigen Gesellschafter ausschüttet, werden die – wenn überhaupt – in Luxemburg oder Zypern versteuert. Verloren gehen Berlin die Steuern auch, wenn die „AF I Originator“ einen großen Teil des Gewinns als „Zinsen“ oder „Risikoprämie“ aufsaugt. Das alles bestreitet Nathaniel: Er sei voll und ganz in Berlin steuerlich veranlagt. Er ganz gewiss – auch andere in Deutschland steuerpflichtige Gesellschafter - aber wo landet den Rest?

Das Land Berlin verspricht Trockland übrigens jedes Jahr mehr als 700 000 Euro aus dem Haushalt: Der Senat will im Block der unbekannten Investoren mit einem Museum einziehen, größtenteils im Keller der Neubauten und zu einer fürstlichen Miete von mehr als 20 Euro je Quadratmeter.

Anmerkung: Aus der ursprünglichen - jetzt geänderten - Grafik zum Kapital ist nach Auffassung der Firma Trockland der Eindruck entstanden, dass das von ihr und ihren Beteiligten in ihren Immobilienprojekten eingesetzte Kapital aus Straftaten oder illegalen Quellen herrührten. Soweit dieser Eindruck entstanden sein sollte, war dieser vom Tagesspiegel nicht beabsichtigt. Vielmehr sollte nur ganz allgemein zum Ausdruck gebracht werden, dass fremdes Kapital, aus dem Tagesspiegel unbekannten Quellen, alle möglichen, legalen wie illegalen, Ursprünge habe kann. Dem Tagesspiegel sind auch keine Tatsachen bekannt, die diesen Eindruck stützen würden.

So können Sie uns unterstützen

Gemeinsam mit Ihnen möchten wir Transparenz in den Wohnungsmarkt in Berlin bringen. Darum haben der Tagesspiegel und das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv die Recherche „Wem gehört Berlin?“ gestartet. Viele Mieter wissen nicht, wem die Wohnung gehört, in der sie leben. Auch Politik und Journalisten haben keinen systematischen Überblick, welchen großen Immobilienfirmen wo wie viel Wohnraum in der Stadt gehört. Davon profitieren jene, für die Wohnungen reine Spekulationsobjekte sind und die mit zweifelhaften Geschäftspraktiken versuchen, die Mietpreise zu steigern. Genau da wollen wir mehr Transparenz schaffen.

Wie kann ich mitmachen?

Alle Berliner sind eingeladen, sich zu beteiligen und bis Ende Dezember den Eigentümer ihrer Wohnung mitzuteilen. Unsere Website ist über wem-gehoert-berlin.de erreichbar. Ein gesichertes Online-Formular erlaubt es Ihnen, den Eigentümer Ihrer Wohnung mitzuteilen, oder in Erfahrung zu bringen, denn dort kann auch eine Anfrage beim Grundbuchamt gestellt werden. Außerdem laden wir Sie ein, uns von Ihren Erlebnissen mit Vermietern zu erzählen, egal ob negativ oder positiv. Ihre Geschichten und die Ergebnisse der Erhebung fließen ein in unsere Recherche.

Was wollen wir erreichen?

Ziel des Projekts ist es, fragwürdige Geschäftspraktiken aufzudecken. Correctiv, mit deren Redaktion der Tagesspiegel für das Projekt kooperiert, hat eine ähnliche Recherche bereits in Hamburg durchgeführt. Die Recherche löste eine Debatte um Transparenz und Mieterschutz in der Stadt aus. Mit den erhobenen Daten konnten bislang unbekannte internationale Investoren ausfindig gemacht werden, die Mieten stark erhöhten, die Wohnungen aber kaum instand setzten. Auch komplizierte internationale Firmenkonstruktionen wurden öffentlich. Und mit ihnen die Vermutung, dass Mieterlöse in Steuerparadiesen landen. Es gingen aber auch zahlreiche Geschichten von „anständigen Vermietern“ ein, die sich für ihre Mieter einsetzen.

Was wollen wir nicht?

Wir greifen nicht pauschal Privatpersonen oder Firmen an, die Eigentum in der Stadt besitzen. Im Gegenteil: Wir sammeln auch Geschichten von verantwortungsvollen Eigentümern, die es leid sind, mit fragwürdigen Investoren in einen Topf geworfen zu werden. Es werden keine pauschalen Listen mit Namen von Eigentümern veröffentlicht. Berichtet wird nur, wenn es ein berechtigtes öffentliches Interesse gibt. Wenn zum Beispiel Lieschen Müller fünf Häuser in Berlin besitzt, wäre das nicht der Fall. Wenn Lieschen Müller 50 Häuser in Berlin besitzt und nachweislich in mehreren Häusern den Mietern im Winter die Heizung abschaltet, schon.

Was ist Correctiv?

Correctiv ist das erste gemeinnützige Recherchezentrum in Deutschland. Es arbeitet nicht gewinnorientiert und finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge (mehr unter correctiv.org). Die Redaktionen von Correctiv und Tagesspiegel arbeiten bis Frühjahr 2019 zusammen.

"Wem gehört die Stadt?", fragt ein Graffiti in Berlin-Kreuzberg.
Das ist die Frage!
© Doris Spiekermann-Klaas

Zur Startseite