Antisemitismus in Berlin: Israels Botschafter bei Berliner Schülern zu Besuch
Am Dreilinden-Gymnasium gibt es Konflikte zwischen Juden und Muslimen, aber sie werden gelöst. Nun war Israels Botschafter da.
„Ich bin in England aufgewachsen und wurde verprügelt, weil ich Jude war“, sagt Jeremy Issacharoff. „Ich konnte das nicht verstehen. Die kannten mich doch gar nicht.“ Issacharoff ist heute Israels Botschafter in Deutschland, und in diesem Moment sitzt er auf einer Bühne in der Aula des Dreilinden-Gymnasiums in Nikolassee.
Die Schüler haben ihn eingeladen; sie haben eine Projektwoche zum Nahostkonflikt hinter sich und viele Fragen. Die Schilderung ist seine Antwort auf die Frage der 13-jährigen Laura Brandt, was aus seiner Sicht die Gründe für den Anstieg des Antisemitismus seien.
Er wisse es nicht, sagt der Botschafter. Was er aber wisse: Was heute Juden treffe, das treffe morgen Muslime und umgekehrt. „Jeder Angriff auf eine Minderheit ist ein Angriff auf die Grundlagen einer demokratischen und toleranten Gesellschaft.“
Auch das Dreilinden-Gymnasium hat mitunter mit Antisemitismus zu kämpfen, doch es findet klare Antworten darauf. „An dieser Schule sollen jüdische Schüler eine sichere Heimstatt haben“, sagt Schulleiter Jens Stiller. „Eine Schule muss eine Haltung haben.“
Eine jüdische Schülerin berichtet, ihr Name sei einmal mit dem gelben Stern und dem Spruch „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ in einem Gruppenchat aufgetaucht. Die Schule habe sofort gehandelt. Die beiden Urheber wurden gefunden, bekamen vom Direktor eine Führung durch das Haus der Wannsee-Konferenz und mussten vor der Klasse ein Referat über den gelben Stern halten.
Begegnungen zwischen Geflüchteten und Israelis
Ein weiterer Zwischenfall betraf einen Schüler aus einer der Willkommensklassen. Er ritzte Israel aus einer Landkarte. Viele der Geflüchteten aus den Willkommensklassen kommen mit einem israelfeindlichen Weltbild. Die Schule setzt Begegnungen dagegen. Direktor Stiller berichtet von einem „Gänsehautmoment“, als elf Schüler aus Israel und elf Schüler aus den Willkommensklassen aufeinander trafen und kurz darauf sogar miteinander tanzten.
Im Herbst fahren 17 Schüler nach Israel. Wegen der Visa ist es schwierig, die Geflüchteten aus Ländern wie Syrien auf solche Reisen mitzunehmen; es wird aber versucht. „Gestern war Sonntag, und wir haben eigens die Botschaft geöffnet, um einem syrischen Schüler ein Visum zu erteilen“, berichtet der Botschafter stolz, und die Schüler, angespornt durch Gesten des Direktors, haken gleich ein: „Können Sie uns versprechen, Iyad nach Israel zu bringen?“ Das kann der Botschafter nicht, er verspricht aber, sich zu bemühen.
Iyad Abo Faroch ist eine Erfolgsfigur der Integration: Er kam Weihnachten 2016 nach Berlin und macht nächstes Jahr am Dreilinden-Gymnasium sein Abitur. „Ich wollte das schaffen“, sagt er zu dieser Leistung schlicht. Iyad ist 18, ein staatenloser Palästinenser, geboren in Syrien, wohnhaft in einem Container. Seine Schulfreunde wollen ihn unbedingt mitnehmen auf die Reise.
„Das wäre ein Traum“, sagt Iyad am Telefon, denn er war ausgerechnet Montag krank. „Ich dachte, der Fall wäre hoffnungslos.“ Seine Familie kommt ursprünglich aus Haifa, er war noch nie dort.
Botschafter: „Man sitzt auf einer Menge Geschichte“
Die beiden Schüler – Laura Brandt und der 18-Jährige Jonas Schilling – handeln mit dem Botschafter alle möglichen Themen ab: Trump, der Friedensprozess, Iran, die Ansichten von Israels Jugend, das Leben als Diplomat. Ob das Leben als Botschafter stressig sei, wollen sie wissen.
„Man sitzt auf einer Menge Geschichte“, sagt Issacharoff, der Israel seit 2017 in Deutschland vertritt. Das Gewicht der Verantwortung sei schon bei der Akkreditierung beim Bundespräsidenten zu spüren gewesen. Deswegen seien Termine wie dieser mit jungen Menschen die schönsten am Job – unbelastet von Schuld und Wut.
Fatina Keilani