East Side Gallery in Friedrichshain: Investor verschiebt die Berliner Mauer
Teile des Mauerdenkmals wurden versetzt, damit am Spreeufer Hotelzimmer und Mietwohnungen gebaut werden können. Die betroffenen Künstler toben.
„Die Mauer muss weg“, lautete der Auftrag der Bauarbeiter, die mit einem Kran fünf Mauersegmente aus der East Side Gallery in Friedrichshain entnahmen. Zwischen Denkmal und Spreeufer begannen im Februar die Arbeiten der Immobilienfirma Trockland, die gemeinsam mit internationalen Investoren einen Hotel- und Apartmentkomplex an der historischen Grenzanlage baut. Im Zuge dessen wurde die bestehende Zufahrt zur Mühlenstraße verbreitert, wie eine Sprecherin erklärte.
Das Versetzen der Mauersegmente erfolge in Abstimmung mit der Oberen und Unteren Denkmalschutzbehörde. Laut Baugenehmigung dürfe das Unternehmen eine 10,80 Meter breite Zufahrt zur Grundstückserschließung schaffen. In dem Mauerabschnitt, der laut Trockland vermutlich im Jahr 2000 erstmals geöffnet und nun verbreitert wurde, fehlen jetzt insgesamt neun Segmente. Die entfernten Teile seien um etwa drei Meter auf das Grundstück versetzt worden und könnten auf einer eigens errichteten „Sicherungsplattform“ umgeben von Zäunen betrachtet werden. Es handle es dabei um das Werk „Zeichen in der Reihe“ von Mirta Domacinovic.
„Sie dürfen die Mauer und die Geschichte nicht zerstören“
Der Vorsitzende des Vereins Künstlerinitiative East Side Gallery, Kani Alavi, tobt: „Sie dürfen die Mauer und die Geschichte nicht zerstören.“ Millionen Besucher kämen jährlich, um die Motive der Künstler und die Mauer zu sehen. Er habe Trockland zuvor aufgefordert, die Versetzung der Mauerteile zu unterlassen. Nun will der Verein Spenden sammeln, um mithilfe eines Anwalts gegen die Baumaßnahme vorzugehen.
Mehr als 100 Bilder malten internationale Künstler 1990 auf der Ostseite der rund 1,3 Kilometer langen Mauer. Die Motive sollen die friedliche Überwindung des Eisernen Vorhangs und die Freude über den Mauerfall symbolisieren. 2009 malten 87 Künstler im Zuge einer Sanierung ihre Bilder neu. Zuletzt wurden 2013 beim Bau des benachbarten Wohnturms „Living Levels“ Mauersegmente entfernt, was einen weltweiten Proteststurm auslöste. 6000 Menschen demonstrierten an der Galerie.
Das neue Projekt namens „Pier 61-63“ sieht einen neungeschossigen Riegel mit 167 Hotelzimmern und 62 Mietwohnungen vor. An der Uferpromenade sollen Geschäfte und Bistros Gewerbeflächen beziehen. 2021 soll alles fertig sein. Gegen das Projekt sammelten Aktivisten mit einer Onlinepetition Unterschriften, die bislang rund 44 000 Menschen unterschrieben haben.