Berliner Bäderbetriebe: Investitionsbedarf in Schwimmbädern: Plötzlich 60 Millionen mehr
Berlins Schwimmbäder müssen saniert werden. Innerhalb eines halben Jahres sind die Kosten dafür von 170 auf 230 Millionen Euro gestiegen.
Die gute Nachricht vorweg: Nur in einem einzigen Bad in Berlin kann derzeit nicht geschwommen werden. Alle anderen der 62 Bäder der Berliner Bäder-Betriebe stehen zur Nutzung zur Verfügung. Die schlechte: Ihr Sanierungsbedarf ist noch größer als bisher bekannt. Das geht aus der Antwort von Aleksander Dzembritzki, Staatssekretär für Sport, auf die Anfrage des sportpolitischen Sprechers der Berliner CDU, Stephan Standfuß, hervor.
Von Badespaß kann angesichts dieser Zahlen wohl kaum die Rede sein: 230 Millionen Euro fallen derzeit für die nötigen Sanierungen der Bäder an, Stand Februar 2018. Noch im September 2017 beliefen sich die Kosten auf 170 Millionen Euro. Mehrkosten von 60 Millionen Euro innerhalb eines halben Jahres – gut möglich, dass der Sanierungsbedarf inzwischen noch höher ausfällt. Das geht auch unmittelbar aus der Antwort Dzembritzkis hervor: Laut Kostenaufstellung bestehe ein „hohes Risiko“, dass der Sanierungsbedarf „aufgrund des schlechten Zustands der Bäder“ ansteigt.
Trotz 61 zur Verfügung stehender Bäder herrscht gerade für Schulen ein Engpass und der Unterricht muss ausfallen. Um den Schwimmunterricht in Zukunft zu gewährleisten, prüfen die Berliner Bäderbetriebe aktuell eine mobile Lösung: Traglufthallen oder Mobilbauten, die aus Sommerbädern zeitweise überdachte Schwimmhallen machen sollen.
Das Missmanagement, die unterirdische Kommunikation und die komplett fehlende Kundenorientierung zeichnen die Berliner Bäderbetrieb doch schon länger aus. [...] "Ausbaden" dürfen es wieder mal die Berlinerinnen und Berliner.
schreibt NutzerIn forenjunkie
Bäder in Wohnnähe und schrittweise Sanierung
Die rot-rot-grüne Regierung sichert im Koalitionsvertrag den Erhalt von Bädern in Wohnortnähe und eine schrittweise Sanierung zu. Die erfolgt in kleinen Trippelschritten: Zehn Millionen Euro Zuschuss will die Regierung pro Jahr dafür lockermachen. Es sind keine hohen Rechenkünste nötig, um festzustellen, dass die Sanierungen allein durch diese Mittel 23 Jahre dauern würden – neu anfallende Mängel nicht eingerechnet.
Am marodesten sind das Sommerbad Olympiastadion und die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark, beide Eigentum des Landes: 27 und 20 Millionen Euro schlagen hier jeweils zu Buche. Die Sanierung des Stadtbades Lankwitz soll nun elf Millionen Euro kosten – vor sechs Monaten war die Rede von einer. Auch das Stadtbad Tempelhof wiegt schwer: Fast 17 Millionen Euro müssen hier investiert werden, allerdings für einen Neubau im Rahmen des Projekts „Neue Mitte Tempelhof“ für Schul- und Vereinsschwimmen.
Nicht nur, dass immer mehr saniert werden muss: Die Bäder hatten im vergangenen Jahr auch kürzer geöffnet. Mit 150.000 Stunden Wasserzeit konnten die Berliner 10.000 Stunden weniger mit Schwimmen verbringen als 2015. Der Instandhaltungsstau sei dafür aber nur einer von vielen Gründen, sagt Bädersprecher Matthias Oloew.
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Durch die Regelung, dass die Schwimmbäder von 6.30 Uhr bis 21.30 Uhr für Schulen, Vereine und zum öffentlichen Schwimmen geöffnet haben müssen, sind einige Schwimmbäder nun kürzer, andere länger als zuvor offen. Außerdem sei 2015 ein sehr guter Sommer gewesen, der eine frühere Öffnung der Freibäder gefordert habe. Im vergangenen Juni hat der Starkregen dagegen eine zweiwöchige Schließung des Pankower Sommerbads gefordert. „So etwas summiert sich leicht“, sagt Oloew.
Aber auch die alte Technik sei für die geringere Schwimmzeit mitverantwortlich: Eine Anlage des Stadtbads Tiergarten stamme aus dem Jahr 1985, Ersatzteile dafür müssen inzwischen von Hand hergestellt werden. Die Folge: längere Schließzeiten bei Ausfall. Die Wasserzeiten seien aber ein gutes Angebot, der Rückgang im Rahmen und keineswegs alarmierend. Wenn die Politik mehr wünsche, müsse sie mehr als die bisherigen 50 Millionen Euro Betriebskostenzuschuss bereitstellen, so Oloew. Auch mit den zusätzlichen zehn Millionen Euro zur Instandsetzung sei ein nachhaltiger Abbau des Sanierungstaus der Schwimmbäder nicht möglich.
Bäderbetriebe am Zug
Der CDU-Abgeordnete Stephan Standfuß spielt den Ball allerdings zurück: Natürlich sei der Zuschuss nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Standfuß fordert aber einen konkreten Plan von den Bäderbetrieben, in dem sie auflisten, in welchen Bädern welche Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden müssen und was diese kosten sollen. Auch für Dennis Buchner, Berliner SPD-Fraktionssprecher für Sport, sind zunächst die Bäderbetriebe am Zug: Erst wenn sie mehr Sanierungsarbeiten durchführen, sei die Bereitstellung von mehr Geld möglich. Es sei aber auch ganz klar, dass die Bäder nur nacheinander saniert werden können, da sie dafür geschlossen werden müssten. Das Parlament beschäftigt sich gerade mit der Überarbeitung des Bäderkonzeptes.
Johanna Lehn