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Ex-Bäder-Chef Hensing kritisiert das "Bäderkonzept 2025"
© imago/Sven Lambert

Berliner Bäderbetriebe: "Es ist möglich, ein Schwimmbad in Berlin zu errichten - wenn man wirklich will"

Ein neues Bäderkonzept? Gab es schon mal, schreibt der Ex-Bäder-Chef Hensing. Bestehende Pläne von 2014 könnten noch immer umgesetzt werden.

Die Besucherzahlen sinken kontinuierlich, dafür steigt die Zahl unangekündigter Schließungen wegen Personalmangels. Kurzum: Die Berliner Bäderbetriebe stecken ordentlich in der Krise, die Folgen bringen nicht nur die schwimmwilligen Berliner auf die Barrikaden. In einem Brief an den Tagesspiegel äußert sich der ehemalige Bäder-Chef Ole Bested Hensing kritisch zu den Diskussionen um neue Konzepte für die Bäderbetriebe - man solle erst einmal "die Konzepte von 2014 richtig lesen". Hier sein Brief in ganzer Länge:

"Es heißt dieser Tage, Senat und Bäderbetriebe würden ein neues Konzept suchen. Vielleicht sollte man erstmal die Konzepte von 2014 wirklich lesen: 2014 wurde ein neues Bäderkonzept unter dem Titel „Bäderkonzept 2025“ vorgelegt, vom Berliner Senat verabschiedet und die Mittel zur Finanzierung bereitgestellt. Das Konzept bezog sich auf die gesamte Bäderlandschaft in Berlin.

Langfristig sollten vier neue multifunktionale Bäder „Sport- und Freizeitbäder“ errichtet werden. Das Konzept umfasst zwei Pilotbäder dieses neuen Typs. Damit wollte Berlin einen Schritt in eine moderne Bäderzukunft gehen. Alle waren begeistert und viele Politiker konnten es kaum erwarten, diese neuen Bäder zu eröffnen. Bereits im Vorwort des Konzeptes hieß es, dass es darum ginge,

1. mit einem Neubau viel mehr Gäste zu erreichen als mit den bisherigen Bädern,

2. die Wünsche und Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung besser zu befriedigen,

3. dass sich ein solcher Neubau und ein moderner Betrieb viel besser für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler rechnet,

4. ein solcher Neubau ökonomisch wie ökologisch nachhaltiger zu betreiben ist,

5. ein Neubau verhindert, dass Bäder jahrelang geschlossen sind und eine Versorgungslücke entsteht und

6. dass ein Neubau und die damit einhergehende Konzentration auf einen Schwimmbadstandort neue Entwicklungschancen für den jeweiligen Bezirk bedeuten.

Die bisherige Bäderlandschaft in Berlin bietet ein wunderbares Angebot für Schulen, Vereine und Sportschwimmer. Das ist gut so und dass sollte beibehalten werden. Wenn man aber den Sommerbadbetrieb und den Hallenbadbetrieb im Winter vergleicht, stellt man fest, dass im Sommer bei gutem Wetter sehr, sehr viel mehr Menschen in die Bäder gehen. Dann kommen nämlich nicht nur Sportschwimmer, Vereine und Schulen, sondern Menschen, die einfach Wasser lieben und sich in den Bädern erholen wollen.

Ist ein Angebot für alle nicht gerechter?

Bei dem Bäderkonzept 2025 geht es darum, die Sportstätten (Schwimmbäder) zu erhalten, zu sichern und effektiver, zuverlässiger zu machen und gleichzeitig das Angebot für viel, viel mehr Menschen zu öffnen, nämlich für alle, die im Sommer aus anderen Gründen die Bäder in Scharen aufsuchen. Ist es nicht gerechter, ein Angebot für alle Bürgerinnen und Bürger zu haben und nicht nur für eine relativ kleine Gruppe? Etwas größere, neue Bäderkomplexe mit moderner Technik und einer größeren Mannschaft gewährleisten diesen zuverlässigen Betrieb - ohne, dass es zu Schließungen aus welchen Gründen auch immer kommen muss.

All dies wurde erstellt, genehmigt und die Finanzierung steht bereit. Muss man da über ein „neues Konzept nachdenken“? Stattdessen soll es nun 10 Jahre dauern ein Schwimmbad zu bauen? Gut, daran haben wir uns in Berlin ja spätestens seit dem BER gewöhnt. Aber muss das wirklich so sein?

Tropical Islands, eine viel komplexere Anlage im Landkreis Dahme-Spreewald, also in dem Landkreis, der auch für den BER zuständig ist, wurde für 100 Millionen Euro in nur 12 Monaten errichtet und im Jahr 2006 für 30 Millionen Euro innerhalb von acht Monaten umgebaut. Inklusive aller Genehmigungen und aller Abnahmen, die genau der Landkreis mit den gleichen Leuten abgenommen hat, der als genau und korrekt gilt und der so große Schwierigkeiten mit dem BER hat. Ein Unternehmen, das Teil eines Großkonzerns ist und größten Wert auf Compliance legt und bei dem im Aufsichtsrat alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen.

Endlich zu einem Ergebnis kommen!

Es ist möglich, ein Schwimmbad auch in Berlin in wenigen Jahren zu errichten, wenn denn alle das wirklich auch wollen. Jetzt wieder nach einem neuen Konzept zu rufen, nur weil es schwierig ist, das bestehende umzusetzen? Im Bestand sanieren und die Bäderinfrastruktur in Berlin wieder jahrelang in einen Winterschlaf versetzen, statt die Dinge anzupacken, auch wenn sie schwierig sind und auch wenn es nicht geräuschlos geht? Man braucht einen Aufbruch, eine Perspektive.

Für die Bürgerinnen und Bürger, für die Politiker, aber auch für die vielen guten Beschäftigten. Man braucht neue Wege und man braucht Lust, die Dinge umzusetzen, man muss weniger aufeinander losgehen und statt sich zu streiten, endlich zu einem Ergebnis kommen.

Brav und lieb und geräuschlos geht das aber nicht. Doch ein gemeinsames Ziel haben, etwas, was man erreichen will, etwas was man für das Gemeinwohl verbessern kann, einfach Lust, das wird benötigt, auch wenn es dauert. Aber schnell geht im öffentlichen Bereich ja bekanntlich ohnehin nichts. 

„Zu viel Spaß dürfen die staatlichen Bäder nicht bieten, denn sie dienen der Daseinsvorsorge." „Spaßbäder dürfen wir gar nicht betreiben“, all das sagt der Sprecher der Berliner Bäderbetriebe, Matthias Oloew. Das widerspreche dem EU-Beihilferecht. Die Kommunen dürften nur solche Eigenbetriebe führen, bei denen das privat nicht möglich sei – sprich: das Defizitäre macht der Staat, denn das kann sich kein Privater leisten.

Ja zu Spaßbädern

Und der BER? Den hätte man doch sehr wohl mit Gewinn betreiben können. Gut, Spaß ist da jetzt nicht mehr viel dabei. Aber dass Daseinsvorsorge Spaß verbieten soll? Wirklich? Tatsächlich ist es so, dass auch Freizeitbäder der öffentlichen Hand in Deutschland nicht kostendeckend für die bereite Bevölkerung zu betreiben sind, sie aber sehr viel weniger Verluste machen als herkömmliche Bäder, weil sie eben viel besser ausgelastet und günstiger zu betreiben sind. Die neuen Bäder des Bäderkonzeptes 2025 reduzieren den Verlust erheblich, aber auch sie benötigen Zuschüsse.

In Brandenburg um Berlin herum gibt es 10 Freizeitbäder, die der öffentlichen Hand gehören. In allen anderen Bundesländern gibt es Spaßbäder im Eigentum der öffentlichen Hand. Gibt es dort ein anderes EU-Beihilferecht oder wollen uns Berliner Politiker einfach keinen Spaß gönnen? 1981 wurde das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in der DDR, in Ostberlin eröffnet. Ein wunderschönes Spaßbad mit immer unendlich langen Schlangen an den Kassen. Und nun im vereinten Berlin im Jahre 2018 soll so etwas am EU-Beihilferecht scheitern? Blödsinn!"

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