Nach Tempelhof-Volksentscheid: Initiative "Wowereit-Rücktritt" will eine Partei gründen
Erst 4.012 Unterschriften haben die Wowereit-Gegner gesammelt, die vorgezogene Wahlen des Abgeordnetenhauses herbeiführen wollen. Auch wenn sie von den benötigten 50.000 Unterstützern noch weit entfernt sind, wollen sie nun durchstarten – bald wohl auch als Berlin-Partei.
Ein ungleiches Paar steht am Eingang zum Tempelhofer Feld an der Herrfurthstraße. Martin Wittau trägt weiß-graues Haar, eine Krawatte und einen dunkelgrauen Anzug. Daneben der 29-jährige Felix Herzog in seinem Markenzeichen: eine rote Kapuzenjacke.
Lange war Herzog Vorsitzender der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ – das Gelände, das „neuerdings befreit“ ist, wie er sagt. Der Volksentscheid, in dem das Initiativ-Gesetz angenommen wurde, sei keine reine Sachentscheidung gewesen, findet Herzog. Im Hintergrund schwang aus seiner Sicht viel mehr mit. Das BER-Debakel zum Beispiel. Die Steueraffäre um Kulturstaatsminister Schmitz und eine große Koalition, „die an den Berlinern vorbeiregiert“, wie Martin Wittau sagt. Und Herzog fasst zusammen: „Die Leute sind einfach unzufrieden.“
50.000 Unterschriften sind nötig
Dieses Gefühl soll in einem Volksbegehren kanalisiert werden, das vorgezogene Wahlen des Abgeordnetenhaus erwirken soll. Bisher ist es nicht so erfolgreich wie das in Tempelhof.
Ein Radfahrer hält an dem Tischchen neben den beiden Initianten von „Wowereit Rücktritt“ und unterschreibt auf einer Liste. „Das war die 4012te Unterschrift“, sagt Wittau. Seit März. 50.000 sind insgesamt nötig – „am besten bis Mitte Juni, damit sich das Abgeordnetenhaus noch vor der Sommerpause mit dem Begehren beschäftigt“, erklärt Herzog.
Ein ehrgeiziges Ziel – ohne ambitionierte Werbung und bisher auch ohne durchschlagenden Erfolg.
Während die Tempelhof-Initiative, aus deren Vorstand Herzog flog, sogar noch in Adlershof warb, sieht man von der Anti-Wowereit-Initiative kaum etwas. Nur zwischen drei und zehn Berlinern gehen regelmäßig Unterschriften sammeln. „Wir wollten nicht vom Tempelhof-Entscheid ablenken“, erklärt Wittau. Jetzt wolle man verstärkt auf Wochenmärkten und Sommerfesten werben. „Wir sind keine gewachsene Organisation“, sagt Herzog. „Es ist ein strukturelles Problem.“
Piratenähnlich und mit "Berlin-Fokus"
Die Initiatoren wollen nun eine Berlin-Partei gründen. Name und Gründungsdatum sind noch offen. Man müsse sich in das System einfügen, sagt Herzog, der eigentlich eine Aversion gegen Parteien hegt. „Als Abgeordneter hat man einen Informationsvorsprung“, begründet er seinen Sinneswandel.
Herzog könnte auch zu den Piraten gehen – diese hätten ihn auch mehrmals gefragt. Viele Ansichten von ihnen teilt er: mehr direkte Demokratie, Öffnung der Parteienstruktur, „eher linksorientiert“. Die Piraten seien zu schnell gewachsen, wenige würden strategisch denken, sagt Herzog. Deshalb will er eine neue Partei „mit Berlin-Fokus“.
Vinzenz Greiner