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"Europa in bester Verfassung": Das sprühten Engagierte zum Auftakt der Kampagne mit weißer Sprühkreide vor die Büros von Berliner Politikern.
© Junge Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg

Nicht nur deutsch: Initiative will Bekenntnis zu Europa in Berliner Verfassung verankern

„Die Stadt lebt eine europäische Realität“: Ausgerechnet Berlin hat noch kein Bekenntnis zum Kontinent in der Landesverfassung – eine Kampagne soll das ändern.

Als die Berliner FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter Anfang November ihr Büro betritt, steht am Eingang mit weißer Sprühkreide: „Europa in bester Verfassung. Sind sie dabei?“ Jasper-Winter ist verwundert. Doch ihr Büro ist nicht das einzige, welches in den letzten Wochen besprayt wurde. Auch vor den Büros anderer Parlamentarier wie Stefanie Remlinger (Grüne) und Thomas Isenberg (SPD) befindet sich der Schriftzug.

Hinter der Aktion stecken die „Junge Europäische Bewegung Berlin/Brandenburg“ und die „Europa-Union Berlin“. Beide Organisationen sind überparteilich und engagieren sich für ein geeintes Europa. Die Junge Europäische Bewegung ist der Berliner Ableger der Europäischen Föderalisten, einem überparteilichen Jugendverband. Die Europa-Union ist die größte entsprechende Bürgerinitiative in Deutschland.

Die Aktion ist als Start der Kampagne „Europa in bester Verfassung“ gedacht. Die Forderung der Organisationen: Europa soll in die Berliner Verfassung aufgenommen werden. Denn bisher fehlt dort ein klares Bekenntnis. Berlin wird als deutsche, aber nicht als europäische Stadt beschrieben. In fast allen anderen Bundesländern, außer in Hamburg, gibt es einen Europabezug in den Landesverfassungen.

Warum ist das in Berlin anders? Das können sich die Organisationen nicht erklären. „Uns war es auch lange nicht bewusst, weil wir es für selbstverständlich gehalten haben, aber das ist es anscheinend nicht“, sagt Katharina Borngässer von der Europa-Union Berlin. Gabriele Bischoff, SPD-Europa-Abgeordnete für Berlin, versteht das kaum – denn kaum eine andere Stadt sei so europäisch wie Berlin. „Es braucht immer zivilgesellschaftliche Akteure, um solche Debatten anzustoßen. Die gab es zuvor nicht“, sagt die Abgeordnete.

Typisch Berlin: „Die europäische Freiheit, die Vielfältigkeit, die Weltoffenheit“

Die beiden Organisationen wollen einen Prozess anstoßen, den sie für längst überfällig halten. Anlass dafür sind auch politische Ereignisse. Deutschland hatte bis Ende vergangenen Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne. Außerdem wurde das 30-jährige Jubiläum der Wiedervereinigung und somit das Ende der Teilung Berlins gefeiert, welches ohne Europa nicht möglich gewesen wäre. „2020 war ein wichtiges Jahr für Berlin und Europa. Das hat uns veranlasst, die Kampagne zu starten“, sagte Kalojan Hoffmeister von der Jungen Europäischen Bewegung.

Aktivist für Europa: Kalojan Hoffmeister.
Aktivist für Europa: Kalojan Hoffmeister.
© Christian Schneider

Mit der Kampagne wollen die Aktivisten das vollenden, was Berlin ihrer Ansicht nach sowieso schon lebt. „Europa ist hier überall“, findet Hoffmeister. „Die Stadt lebt eine europäische Realität: die europäische Freiheit, die Vielfältigkeit, die Weltoffenheit“, ergänzt Katharina Borngässer. Das müsse auch in der Landesverfassung erkennbar sein. Eine Erwähnung Europas würde einerseits diese Lebensrealität abbilden, aber auch den Anspruch Berlins zeigen, die Zukunft Europas aktiv mitzugestalten. Das sei gerade in Zeiten des Klimawandels und Nationalismus ein wichtiges Zeichen.

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„Berlin sollte zeigen, dass es die Zukunft und damit auch die Probleme der EU angehen möchte“, sagt Kalojan Hoffmeister. Das findet auch die FDP-Abgeordnete Maren Jasper-Winter: „Ich kenne die Debatte und ich finde, dass wir eine europafreundliche Haltung aus Berlin brauchen. Schließlich soll eine Verfassung zeigen, welche Werte uns vereinen“.

Gerry Woop (Linke), Staatssekretär für Europa im Berliner Senat, sieht das ähnlich. Es sei eine Verpflichtung der Hauptstadt, sich europaweit zu engagieren, findet er. „Deshalb freue ich mich über das breite Engagement für Europa in unserer Stadt. Eine Initiative, die Impulse setzt und Debatten antreibt, die gerade bei der Verfassung einen langen Atem und breite Mehrheiten brauchen, ist zu begrüßen.“

Nordrhein-Westfalen hat seine Verfassung bereits geändert

Eine Verfassungsänderung in Nordrhein-Westfalen haben die Jungen Europäischen Föderalisten in NRW, Partnerverband der Jungen Europäischen Bewegung, bereits erreicht. In diesem Jahr trat sie in Kraft. Der Prozess dauerte rund ein Jahr, da die Kampagne nach eigenen Angaben sofort auf fruchtbaren Boden gestoßen sei. Die Politiker seien selbst überrascht gewesen, dass Europa noch nicht in der Verfassung vorkommt und wollten dies schnell ändern. In anderen Bundesländern existiert der europäische Bezug in der Verfassung schon länger, aber auf unterschiedliche Weise. Für jede Landesverfassung gibt es eine andere Formulierung und einen anderen Schwerpunkt.

In Berlin sind mittlerweile die ersten Schritte getan. „Wir haben die Parlamentariergruppe der Europa-Union mit elf Berliner Abgeordneten gegründet, die unter anderem über dieses Thema diskutiert“, sagt Katharina Borngässer. Zudem würden die Organisationen nun einen Formulierungsvorschlag ausarbeiten. Dieser beinhaltet die Änderung der Präambel und des ersten Artikels der Berliner Landesverfassung.

Der nächste Schritt sind konkrete Formulierungsvorschläge: Katharina Borngässer.
Der nächste Schritt sind konkrete Formulierungsvorschläge: Katharina Borngässer.
© Stefan Lindecke

Den Vorschlag wollen die Organisationen im nächsten Schritt den Mitgliedern der Parlamentariergruppe der Europa-Union präsentieren. Diese sollen ihn dann mit Bürgerinnen und Bürgern und ihren Fraktionen diskutieren und danach einen konkreten Gesetzesvorschlag ausarbeiten, über den in den Ausschüssen und im Plenum debattiert und anschließend abgestimmt werden müsste.

Das Ziel: eine Zwei-Drittel-Mehrheit noch vor der Wahl

Wenn der Vorschlag die Zwei-Drittel-Mehrheit im Abgeordnetenhaus erreichen sollte, wäre die Verfassungsänderung durchgesetzt. Die Chancen, die nötigen Abgeordneten für den Vorschlag gewinnen zu können, schätzen die Aktivistinnen und Aktivisten als gut ein. „Wir sind sicher, dass wir eine breite Mehrheit erreichen können“, sagt Kalojan Hoffmeister. Auch die Europapolitikerin Gabriele Bischoff glaubt, dass die Abgeordneten pro-europäischer Parteien für das Bestreben stimmen werden.

[Weitere Informationen zur Kampagne gibt es unter europa-union-berlin.de sowie jeb-bb.de/europainbesterverfassung.]

Um sich weitere Unterstützung zu sichern, sind die Organisationen in den sozialen Medien präsent. Damit wollen sie Politiker und Bürger erreichen. Bisher haben sich schon einige Politiker der Europa-Union, der Berliner Jungen Liberalen und zivilgesellschaftliche Akteure wie Christian Johann, Direktor der Europäischen Akademie, für den Vorschlag ausgesprochen. Interessierte können mit dem Teilen des Hashtags #EuropaInbesterVerfassung das Bestreben unterstützen oder auch bei den verschiedenen Aktionen der Organisationen mitmachen.

Die Aktivistinnen und Aktivisten hoffen, ihr Vorhaben noch bis vor der nächsten Berliner Abgeordnetenhauswahl im September durchzusetzen. Dann heißt es vielleicht nicht mehr: „Berlin ist ein deutsches Land“, sondern: „Berlin ist ein deutsches und europäisches Land“ in der Landesverfassung.

Marie Steffens

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