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Tanzen Sie? Die Tanzabende in Clärchens Ballhaus sind über Berlins Grenzen hinweg legendär.
© LAIF
Update

Mietvertrag nicht verlängert: In Clärchens Ballhaus soll trotzdem weiter getanzt werden

Die Berliner Institution hat einen neuen Eigentümer. Der will das Ballhaus instand setzen, verspricht aber, den Tanzbetrieb wieder aufzunehmen – mit neuem Betreiber.

Es ist einer der letzten Orte in Berlin, der noch das alte Mitte verkörpert. Irgendwie abgeranzt, trotzdem cool, aber nicht wie die Elektro-Clubs in Neukölln, denn hier kommt jeder rein. In Clärchens Ballhaus tanzt die Spandauer Rentnerin mit dem japanischen Touristen Swing, da essen Familien Pizza und Wiener Schnitzel – eins der besten der Stadt – im Biergarten, der mit seinen Lichterketten den Kiez in der Auguststraße erleuchtet.

Die Freifläche vor dem Haus ist eine Wunde des Krieges, die durch die kulturelle Nutzung zum Freiheitssymbol wurde. Seit 106 Jahren wird in Clärchens Ballhaus geschwoft, doch Ende des Jahres ist erstmal Schluss damit. Zum 31. Dezember läuft der Mietvertrag der Betreiber aus, die das Kultlokal seit 2004 führen. Den Mitarbeitern sei bereits mündlich die Kündigung ausgesprochen worden, berichtet der „RBB“.

Neuer Eigentümer ist der Fotokünstler Yoram Roth, Sohn des Berliner Immobilienunternehmers Rafael Roth

Als Grund nennt der neue Eigentümer, der Fotokünstler Yoram Roth, Sanierungsarbeiten, die ab dem Sommer 2020 geplant sind. Das Hinterhaus in der Auguststraße 24 ist in der Tat verwittert, doch genau das macht seinen Charme auch aus. Schäden, die noch aus dem Zweiten Weltkrieg oder der DDR stammen, wurden nur grob beseitigt. Daneben sind die Tanzräume geprägt von aufwendigem Stuck und glänzendem Lametta, das in langen Streifen von der Decke hängt.

Doch um die Sicherheit der Besucher zu garantieren, so Roth, seien einige Instandsetzungen notwendig. Zum Beispiel bei den Sanitäranlagen, den Dächern und Treppenhäusern der diversen Gebäude. Danach soll es aber weitergehen, verspricht er. Und die geliebten Aspekte wie der historische Spiegelsaal sollen erhalten bleiben.

„Ich habe das Areal gekauft mit dem klaren Ziel, Clärchens Ballhaus zu beschützen“, sagte Roth am Donnerstag. „Es ist auch für mich ein wichtiger Ort.“ Seine Mutter ist in der Linienstraße geboren, sein Vater in der Schönhauser Allee. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Eigentümer Gutes mit dem Haus vor hat“, sagte auch Mit-Betreiber David Regehr am Donnerstag.

Yoram Roth ist der Sohn des verstorbenen Berliner Immobilienunternehmers Rafael Roth, der ein bedeutender Förderer des Jüdischen Museums war. Sein Sohn ist ein Mann der Kunst, vor Jahren hat er das Fotografie-Museum Fotografiska in Stockholm mehrheitlich übernommen.

Auch in Berlin will er – neben Talinn und New York – ein Fotografiska-Museum mit umfangreichem Kulturprogramm eröffnen und sucht dafür noch nach einer passenden Location. Mit dem Ballhaus habe das aber nichts zu tun, teilte er mit. Zusammen mit Robert Rischke gehört Roth außerdem die GoCityMedia GmbH, die die Berliner Stadtmagazine Tip und Zitty veröffentlicht.

Das Ballhaus-Areal hat Roth bereits Ende 2018 erworben, bekannt wurde der Besitzerwechsel doch erst jetzt. Der Mietvertrag der bisherigen Pächter sei schon vor mehreren Jahren ausgelaufen, teilte Roth am Donnerstag mit, und seitdem quartalsweise verlängert worden. Bis jetzt.

Bereits vor einem Jahr hat die Bezirksverordnetenversammlung Mitte beschlossen, den Bebauungsplan für das Areal dahingehend zu verändern, dass der Garten vor dem Gebäude als Freifläche erhalten bleibt. Doch der Beschluss wurde nicht umgesetzt, was damit zusammenhing, dass die zuständige Mitarbeiterin im Bauamt längere Zeit erkrankt gewesen war, berichtet Sven Diedrich, Verordneter der Linksfraktion.

Die Betreiber sind zerstritten

Mit welchem Betreiber und wann genau Clärchens Ballhaus neu eröffnet, ist noch unklar. „Ich weiß noch nicht, wer der neue Betreiber wird“, sagt Roth. Wichtig sei aber, dass derjenige den „Spirit“ von Berlin und Clärchens verstehe, „und dass es ehrliche Leute sind, die offen miteinander umgehen“.

Der letzte Teil kann als Spitze gegen die aktuellen Betreiber Christian Schulz und David Regehr verstanden werden, die bis vor Kurzem noch zusammen das Theater im Monbijoupark führten. Darum tobte im Frühjahr ein erbitterter Machtkampf, den Bühnenbildner Regehr schließlich gewann.

Er betreibt das Theater jetzt mit zwei ebenfalls früheren Weggefährten von Schulz. Der wiederum erwägt eine Klage gegen die Vergabe der Flächen an seine Ex-Partner. Clärchens Ballhaus haben Schulz und Regehr jedoch bis jetzt weiterhin gemeinsam geführt – was angesichts des heftigen Streits nicht einfach gewesen sein dürfte.

Andererseits waren es die beiden, das einstige Dream-Team Schulz und Regehr, die Clärchens wieder groß gemacht hatten: Anfang der Zweitausender war das Ballhaus in Gästeschwund und Dornröschenschlaf verfallen. Er spürte, so schilderte es Schulz zum 100-jährigen Geburtstag von Clärchens, dass das Bedürfnis zu tanzen, der Wunsch, Gemeinschaft zu teilen, wiederkommen würde. Und so schafften sie, die alten Stammgäste mit Swing und Schneewalzer zurückzuholen, gleichzeitig die Jugend mit Shakira und AC/DC zu locken.

Heinrich Zille, Brad Pitt und Quentin Tarantino - sie alle verkehrten hier

Clara „Clärchen“ Bühler (später Habermann) eröffnete das Tanzlokal zusammen mit ihrem Mann Fritz im Jahr 1913, zur Kaiserzeit also, als es in Berlin 900 solcher Ballhäuser gegeben haben soll. Schon damals gingen hier Offiziere ebenso wie einfache Leute aus der Spandauer Vorstadt ein und aus. Der Spiegelsaal diente schlagenden Verbindungsstudenten als Fechtboden. Und nach den Weltkriegen holt die erst verwitwete und dann wieder verheiratete Clara Habermann die Frauen gezielt zu Witwenbällen ins Haus.

Auch Berlins großer Zeichner Heinrich Zille verkehrte hier und später Brad Pitt, der mit Quentin Tarantino im Saal „Inglorious Bastards“ gedreht hat.

Doch zum Museumsstück soll Clärchens nicht werden, sagt Eigentümer Roth. Der Name bleibe bestehen. Und das Ballhaus solle auch weiterhin ein Ort sein, an man „Berlin in seiner Urform“ wiederfindet.

Laura Hofmann

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