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Skandal-Kreisel. Bau und Sanierung des asbestbelasteten Turms in Steglitz haben den Berliner Steuerzahler viel Geld gekostet.
© Kai-Uwe Heinrich

Politische Affären und Skandale: In Berlin hat der Filz Tradition

Die mögliche Verquickung von politischen und wirtschaftlichen Interessen im Fall McKinsey wäre nicht die erste Affäre ihrer Art - eine Berliner Skandalgeschichte.

Manchmal wird Filz zu Beton in Berlin. Deshalb gibt es sogar aus Beton geschaffene Denkmäler des Polit-Filzes, die eindrucksvolle Größe haben können. Zwei Berliner Bauwerke erinnern an Geschichten, die die Stadt erschütterten. Das eine, der „Kreisel“, steht in Steglitz und macht Eindruck durch seine Höhe von gut 118 Metern. Das andere, das Tempodrom, steht in Kreuzberg und fällt auf wegen seines Zirkuszelt-artigen Dachs aus Beton.

Der Kreisel, dessen Bau 1968 begonnen wurde, markiert den ersten Höhepunkt des Berliner Polit-Filzes in der Nachkriegszeit, also der gewinn- und skandalträchtigen Verbindung von politischem Einfluss und privaten Geschäftsinteressen. Die Architektin des Kreisels, Sigrid Kressmann-Zschach, hatte alles richtig gemacht: In den fünfziger Jahren aus Leipzig nach Berlin-West gekommen, heiratete sie 1960 den Kreuzberger Bezirksbürgermeister Willy Kressmann, ein Sozialdemokrat – wie damals so ziemlich alle wichtigen Leute. Kressmann brachte sie mit der Berliner Gesellschaft zusammen - „plötzlich ist man drin“, sagte Sigrid Kressmann-Zschach später.

Drin zu sein, bedeutete vor allem: Informationen zu bekommen, zu großen Bauvorhaben etwa. Und Sigrid Kressmann-Zschach dachte und plante groß: Der Kreisel war ein Projekt ihres Unternehmens „Avalon“ und des Landes Berlin, gedacht als Wohn- und Bürokomplex. Die Bürgschaften, unterzeichnet von Finanzsenator Heinz Striek und Bausenator Rolf Schwedler (beide SPD), wurden sechs Jahre nach Baubeginn fällig, als „Avalon“ in Schwierigkeiten geriet. Bis dahin hatte der Kreisel das Land rund 77 Millionen D-Mark gekostet.

Doch die Geschichte ging weiter: Fertigstellung durch ein privates Unternehmen, Vermietung an das Bezirksamt Steglitz, Asbest-Probleme, Leerzug, Sperrung, Asbest-Sanierung, schließlich Verkauf an einen Investor, der im kommenden Jahr den Büro-Turm zum Wohn-Turm umbauen will.

Von Garski bis zum Antes-Skandal

So ist das in Berlin: Wenn die öffentliche Hand mitbaut, wird das Projekt meist sehr viel teurer. Wegen der Kreisel-Affäre musste 1975 bloß der erwähnte Finanzsenator zurücktreten. Sechs Jahre später, 1981, stürzte über die „Garski-Affäre“ ein ganzer Senat mitsamt dem Regierenden Bürgermeister Dietrich Stobbe (SPD).

Auch Garski war einer, der gern groß dachte. Für seine Bauprojekte in Saudi-Arabien hatte der Architekt und Unternehmer Senatsbürgschaften lockermachen können, am Ende 112 Millionen Euro. Weil die Projekte sich nicht so entwickelten, wie Garski und seine politischen Freunde sich das erhofft hatten, waren immer mal wieder Gespräche mit Finanzsenator Klaus Riebschläger (SPD) und schließlich auch mit dem Regierenden Stobbe notwendig. Der legte nach. Dann, Ende 1980, war die Landesbürgschaft in voller Höhe fällig, denn Garskis Firma konnte nicht mehr.

Mitte Januar 1981 machte die CDU-Fraktion die Sache zum Thema. Riebschläger und FDP-Wirtschaftsenator Wolfgang Lüder traten zurück. Stobbe holte sich neue Senatoren, pokerte um die Macht und verlor. Seine neuen Senatoren überstanden die notwendigen einzelnen Abstimmungen nicht.

„Machtzerfall“ hieß später ein Buch über das einstweilige Ende der SPD-Herrschaft über West-Berlin. Denn das ist die Voraussetzung für verfilzte Politik: Dass in den Senatsverwaltungen und den Behörden ein Klima entsteht, das menschliche Nähe fördert, in dem Sinn: Wenn es dem Parteifreund nutzt, wird es mir nicht schaden. In der CDU haben sie das schnell verstanden.

Der West-Berliner Filz war, wie sich bald zeigen sollte, ein Mischprodukt aus rotem und schwarzem Gewebe. Nachdem Richard von Weizsäcker, Regierender Bürgermeister von 1981 bis 1984, den Niederungen der Landespolitik entkommen war, dauerte es bloß ein gutes Jahr, bis ein paar CDU-Politiker wegen fortgeschrittenem Nepotismus ins Gerede kamen: der Skandal um den Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes.

Ein Zufallsfund hatte Berliner Polizisten auf Antes’ Spur gebracht . Der Baustadtrat hatte sich mit einigen hunderttausend D-Mark bestechen lassen und das mit Gefälligkeiten vor allem gegenüber Bekannten aus der Baubranche vergolten. Ein weiterer Parteifreund, der Wilmersdorfer Baustadtrat Jörg Herrmann, geriet ebenfalls in den Blick der Justiz, und auch ein Bordellbesitzer namens Otto Schwanz spielte eine tragende Rolle.

1986 befassten sich Kripo-Ermittler mit einem Komplex, in den 29 Beschuldigte verwickelt waren, CDU-Mitglieder, Bauunternehmer und Leute, die aus dem Entmieten und Aufhübschen von Altbauten ein Geschäft gemacht hatten und ihre Streitigkeiten gern mit Gewalt austrugen. Diesmal war es nicht mit ein paar Rücktritten getan: Antes und Herrmann wurden wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme zu Haft verurteilt, Schwanz wegen Bestechung und einigen anderen Delikten.

Der Bankenskandal macht der CDU bis heute zu schaffen

Dass der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und seine CDU auch wegen des Antes-Skandals 1989 die Macht verloren, dürfte unbestritten sein. Dass die Christdemokraten dann aber in einen weiteren Skandal gerieten, hing ihnen mindestens bis 2011 an, bei manchen wohl auch bis heute.

Gewiss: Der Bankenskandal ist juristisch und politisch abgearbeitet. Klaus Landowsky, neben Eberhard Diepgen der Machtmensch der West-Berliner CDU, hat einen hohen Preis für den Fehler bezahlt, 40.000 D-Mark als „Spende“ von zwei Immobilienentwicklern genommen zu haben, die auch Kunden der Bank waren, der Landowsky vorstand. Serienweise Gerichtsverfahren folgten auf den Skandal, der seinen Anfang im Jahr 2001 genommen hat. 2015 war Landowsky juristisch rehabilitiert vom Vorwurf der Untreue – da hatte SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin die Bank, die dem Skandal den Namen gab, längst gewinnbringend verkauft.

Wie verwoben schwarzer und roter Filz in Berlin sind, zeigte sich, zwischendurch gewissermaßen, an der „Tempodrom-Affäre“: Bausenator Peter Strieder (SPD) stürzte über das Kreuzberger Bauprojekt, mit dem er renommiert hatte. 2004 gab Strieder auf – da war das Tempodrom ungefähr doppelt so teuer geworden wie angekündigt.

Das Delikate an Strieders Rücktritt lag darin, dass hier einer über eine Affäre stürzte, nachdem er selbst den Skandal zuvor politisch perfekt genutzt hatte: Es war Strieder, der gemeinsam mit Klaus Wowereit den Bankenskandal instrumentalisiert hatte, um die CDU als korrupt und verkommen darzustellen und die SPD aus der Knechtschaft des kleineren Koalitionspartners an die Macht zu führen. Die Sozialdemokraten sprachen damals selbstbewusst von einem „Mentalitätswechsel“.

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