Berlin: Sumpfiges Ende einer Ära
Vor 25 Jahren stürzte der Senat über die Garski-Affäre Kurz danach fiel die SPD-Hochburg Berlin
Das Projekt klang gigantisch in einer Zeit, in der die Berliner gewohnt waren, kleine Brötchen zu backen. Ein renommierter Architekt aus der Stadt war mit Saudi-Arabien und Jordanien ins Geschäft gekommen. Viele Ölmillionen warteten nur darauf, abgeholt zu werden. Eine ganze Militärakademie in Riad! Kadettenwohnungen in Massen am Stadtrand von Amman!
Das ist jetzt über 25 Jahre her, der Architekt hieß Dietrich Garski – und heute wissen wir, dass es sich um eine Finanzkatastrophe handelte, die nicht von ungefähr an das Desaster der brandenburgischen Chipfabrik erinnert. Auch die Kosten für die öffentliche Hand lagen in ähnlichen Größenordnungen: 93 Millionen Mark musste Berlin später ausgeben, um seine Bürgschaftsverpflichtungen für faule Bankkredite zu erfüllen. Die Senatoren Klaus Riebschläger (Finanzen, SPD) und Wolfgang Lüder (Wirtschaft, FDP) traten im Januar 1981 auf Druck ihrer Fraktionen zurück, wenig später brach der ganze SPD-FDP-Senat auseinander, weil der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe mit der Neuformierung scheiterte.
Sein Nachfolger Hans-Jochen Vogel versuchte als Abgesandter der Bundes-SPD zu retten, was nicht mehr zu retten war; Neuwahlen brachten im Mai Richard von Weizsäcker und die CDU an die Regierung. Das Ende der jahrzehnte- lang als uneinnehmbar geltenden SPD-Hochburg Berlin war das unfreiwillige Werk eines Architekten, der sich übernommen hatte. Günter Matthes schrieb im Tagesspiegel aber einschränkend: „Über einen Defraudanten stürzt keine Regierung, die dafür nicht reif wäre.“
Das erstaunliche Projekt wurde schon Mitte der 70er Jahre angeschoben. Garski, selbst FDP-Mitglied, hatte sich mit seiner Firma „Bautechnik KG“ einen guten Ruf in der Stadt erworben, hatte Oberstufenzentren und andere öffentliche Bauten errichtet und war dann mit arabischen Regierungsstellen in Kontakt gekommen. Zur Vorfinanzierung der Bauten in Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien ließ er sich von der Berliner Bank ab 1978 Kredite auszahlen, die mehrfach aufgestockt wurden und sich am Ende auf insgesamt 139 Millionen Mark anhäuften.
Ein Bankvorstand räumte später ein, von Anfang an habe man Garskis Kreditwürdigkeit angezweifelt, weil seine Firma zu klein war und unzureichende Bilanzen vorgelegt hatte. Doch eine 90-prozentige Landesbürgschaft heilte diese Bedenken – sie wurde gewährt, obwohl damals ein Verfahren gegen Garski wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung lief. Kurz vor Weihnachten 1980 eskalierte die Situation, nachdem Verhandlungen Garskis mit einem belgischen Partner über die Fortsetzung des Projekts gescheitert waren. Die Bank verwarf verschiedene Sanierungskonzepte, kündigte am 18.Dezember sämtliche Kredite und erstattete Strafanzeige wegen Kreditbetrugs.
Garski tauchte unter, und Berlin musste zahlen. Dies war der bis dahin höchste Bürgschaftsverlust in der Nachkriegsgeschichte, auch wenn am Ende als Folge eines Vergleichs zwischen dem Land und der Bank nur noch 93 Millionen und nicht die vollen 115 Millionen fällig waren. Und es war ein Glied in der Kette der Bauskandale, die von der Pleite des Steglitzer Kreisels bis zum Zusammenbruch der Bankgesellschaft reichen.
Der Untersuchungsausschuss, der sich unmittelbar nach dem Crash im Januar konstituierte, verzichtete weitgehend auf politische Kontroversen, denn die Bürgschaftsentscheidung im zuständigen Ausschuss war seinerzeit einstimmig gefallen, und vor allem die CDU hatte sich dafür stark gemacht, gerade auch riskante Auslandsprojekte zu fördern. Außerdem war befürchtet worden, dass ein vorzeitiges Scheitern negative Reaktionen in den arabischen Ländern auslösen könne. Am Ende stand das erwartete Ergebnis: Die CDU sah die Hauptverantwortung bei den zuständigen Politikern, während SPD und FDP die Schuld der Bank zuwiesen.
Dietrich Garski wurde erst 1983 festgenommen, nach 14 Monaten Untersuchungshaft zu einer Haftstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt, nachdem er überraschend ein Geständnis abgelegt hatte: Er habe 7,1 Millionen Mark falsch verwendet und weitere 25,8 Millionen Mark unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschwindelt, sagte er und gab außerdem zu, fünf Pässe gefälscht zu haben. 1987 wurde er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe vorzeitig entlassen. Die Resozialisierung darf als gelungen gelten: Seit der Wende betätigt er sich in Potsdam skandalfrei als Bauunternehmer und Bauträger.
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