Wohnungen in Berlin: Immer weniger Bebauungspläne - woran liegt das?
Unter Senatorin Lompscher werden nur wenige Bebauungspläne beschlossen. Kritiker werfen der Verwaltung vor, viel zu zögerlich zu entscheiden.
Schlechte Nachrichten für die Mieter in Berlin: Senat und Bezirke erließen im vergangenen Jahr nur noch halb so viele Bebauungspläne wie im Jahr 2016 unter dem damaligen Bausenator Andreas Geisel (SPD). Experten warnen, dass deshalb die dringend benötigten zusätzlichen neuen Mietshäuser zur Entspannung der Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht in ausreichender Zahl fertig werden könnten. Zwar weist Wohnen-Staatssekretär Sebastian Scheel (Linke) die Kritik der Untätigkeit beim Neubau zurück. Baurechtler Bernhard Haaß, der den Arbeitskreis Bauleitplanung bei der IHK leitet, hält das allerdings für vorgeschoben.
Haaß sagte, Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) lasse den Worten, wonach der Senat die Wohnungsnot in der Stadt ernst nehme, keine Taten folgen. „Die Frage ist doch, was die Planer in der Verwaltung überhaupt tun“ – in Lompschers erstem Amtsjahr sei nicht ein einziger Bebauungsplan fertig geworden.
Dabei fehlt es nicht an Planern in der Behörde, denn Lompschers Vorgänger Andreas Geisel (SPD) hatte ein Jahr zuvor noch 13 Bebauungspläne beschließen lassen. Das war im Jahr 2016 und damals zogen auch die Bezirke mit: Die IHK hat die Festsetzung von 48 Bebauungsplänen gezählt – im vergangenen Jahr waren es genau halb so viele.
Lustlosigkeit herrscht vor allem in jenen Bezirken, die den Spekulanten den Kampf angesagt haben, beim Handel bestehender Wohnhäuser eingreifen und das staatliche Vorkaufsrecht ausüben: In Friedrichshain-Kreuzberg und in Mitte wurde kein einziger Bebauungsplan fertig – ebenso wenig wie im grünen Südwesten Berlins, in Steglitz-Zehlendorf.
Vorreiter sind diese Bezirke
Vorreiter im Kampf gegen die Wohnungsnot sind Treptow-Köpenick, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg – alle drei Bezirke erließen im vergangenen Jahr jeweils vier Bebauungspläne.
Wird die Ära Lompscher als Zeit des Stillstands beim Wohnungsbau mit explodierenden Wohnungspreisen und einem wachsenden Verdrängungswettbewerb um die zu wenigen günstigen Wohnungen im kräftig wachsenden Berlin eingehen? Ohne neue Bebauungspläne können nicht ansatzweise so viele Wohnungen entstehen wie erwartet. Darunter leiden auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen. Beim Jour Fixe in der Senatsverwaltung hatten sie erst vergangene Woche erklärt, dass nicht mal die von Lompscher wenige Tage zuvor verkündete Untergrenze von 25000 landeseigenen Neubau-Wohnungen noch zu halten sei.
Staatssekretär Scheel hatte nach dem Jour Fixe dem Tagesspiegel gesagt, der Senat werde die Firmen enger begleiten, liegen gebliebene Projekte in die Umsetzung bringen und zu erhöhten Schlagzahlen bewegen. Doch ausgerechnet die Chefin der privaten Konkurrenz springt den staatlich kontrollierten Kollegen von den kommunalen Firmen bei. Susanne Klabe, Sprecherin der privaten Wohnungsunternehmen, sagt: „Da wird Verantwortung für Versäumnisse in der Stadtplanung auf Unternehmen abgewälzt, die nichts dafür können.“ Es fehle schlicht an „politischem Willen und der richtigen Einstellung“ in der links gewendeten Spitze der Stadtentwicklungsverwaltung. Und das „bremst das Verwaltungshandeln aus bis in die Tiefe der Bezirke hinein“.
Klabe berichtet, wie eine Firma vier Monate auf eine Antwort der Verwaltung habe warten müssen, wie und wo sie Altlasten von ihrer Baufläche entsorgen solle. Egal, was zu klären ist: „Niemand traut sich mehr zu entscheiden, lieber wird dann noch ein Gutachten eingeholt“ – so verlängerten sich Bauprozesse schier endlos. Das sei in der Amtszeit von Lompschers Vorgänger nicht so gewesen: Weil der heutige Innensenator Geisel damals voll auf Neubau gesetzt habe, hätten die Verwaltungen mitgezogen.
Längst ziehen die Wohnungsunternehmen weiter, im Umland kaufen sie Grundstücke oder schauen sich gleich in Leipzig oder Dresden um. Das beschleunigt den Absturz in Berlin: „Seit drei Jahren geht die Zahl der verkauften Baugrundstücke in Berlin massiv zurück“, sagt Klabe. Wo nichts gekauft wird, wird auch nichts gebaut. „Auf dieser Rutschbahn gibt es kein Halten mehr.“ Und die Ausreden des Senats, wonach viele Baufirmen in der Region total ausgelastet seien und keine Aufträge mehr annähmen, nehme in der Branche keiner mehr ernst. Das Versäumnis liege bei der Verwaltung: „Wer keine Wohngebiete ausweist, bekommt auch keine neue Wohnungen“, sagt Klabe – so einfach sei das.
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