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Schneeweißstorch.
© dpa

Schluss mit reiselustig: Immer mehr Störche überwintern rund um Berlin

Einige Störche haben keine Lust mehr auf den Mega-Flug gen Süden - und überwintern unter anderem in Brandenburg. Der Verzicht auf den langen Flug spart viel Kraft.

Ist er ein Drückeberger oder Stubenhocker? Seit fünf Jahren verspürt ein Storch im Dorf Eden bei Oranienburg nördlich von Berlin offenbar kein Fernweh. Im Winter fliegt er nicht in den Süden, sondern bleibt einfach da. „Er kommt gut zurecht, ist kerngesund und hat bislang für den Nachwuchs von neun Störchen gesorgt“, sagt Roland Heigel, Storch-Experte des Naturschutzbundes (NABU) im Landkreis Oberhavel.

Der Edener Vogel ist in guter Gesellschaft: Einige Störche verzichten bereits auf den kräftezehrenden Flug in den Süden und versuchen, den Winter in Deutschland zu überstehen. Mit mehr als 250 erfassten Exemplaren in Bayern sei in diesem Jahr der Vorjahresrekord um mehr als 50 übertroffen, heißt es etwa beim Bund für Vogelschutz (LBV) des Landes. Erstmals seien sogar Jungvögel geblieben, die normalerweise noch vor den Altvögeln abflögen.

Auch ein Storch aus dem Beelitzer Ortsteil Körzin, der „Paulchen“ genannt wird, zieht im Herbst schon lange nicht mehr gen Süden. Wenn sich seine Artgenossen auf den Weg machen, hält er Brandenburg die Treue – bereits seit etwa acht Jahren. „Alle kennen ihn. Er ist ein kleiner Star“, sagt Marianne Lehmann, Betreiberin des Cafés „Zum Kirschbaum“. Für Gäste sei er ein beliebtes Fotomotiv.

Nur ein kleiner Teil bleibt da

Der Verzicht auf den langen Flug spart viel Kraft. „Nach Spanien müssen sie 6000 Kilometer fliegen, nach Afrika sogar etwa 10.000“, sagt Kai-Michael Thomsen, ein weiterer NABU-Storch-Experte. Einige Vögel scheuten zumindest den weiten Weg nach Afrika und überwinterten bereits in Spanien. Zurück zu den Brutplätzen in Deutschland ist es dann nicht mehr so weit.

Nach einer ersten Bilanz erreichten in diesem Jahr 6000 Storchpaare Deutschland – etwa so viele wie 2015. Nur ein kleiner Teil von ihnen bleibt aber bisher nach NABU-Angaben im Winter hier. „Oft sind es ausgewilderte Tiere, die keine so starke Reiselust spüren.“ Andere verleitet das zunehmend milde Klima, den Abflug hinauszuzögern. „Wenn es an kalten Tagen genug Futter gibt, entscheiden sie spontan: ,Wir bleiben da’“, sagt der Storchen-Experte.

Auch „Paulchen“ aus Körzin findet wohl noch immer genug Futter. Außerdem hat der Einzelgänger Stellen im Dorf, wo er etwas zum Fressen und ein warmes Plätzchen findet. „Bei Schnee und Eis geht er in die Hocke und wärmt die Beine mit dem aufgeplusterten Gefieder“, hat Café-Betreiberin Lehmann beobachtet.

Menschliche Nähe ist nicht gut

Falk Witt, Falkner, Jäger und Betreiber einer Auffangstation für Wildvögel, kennt den Vogel seit Jahren. „Zunächst blieb er wohl da, weil knapp drei Zentimeter des Schnabels abgebrochen waren“, sagt er. Dieses Handicap sei mittlerweile nahezu behoben. Regelmäßig komme der Storch bei ihm zum Frühstück oder Abendbrot vorbei. „Es gibt ein paar Fische und Eintagsküken“, sagt er. Ansonsten hält Witt zu dem Vogel aber Distanz. Er hält auch nichts davon, ihm einen Namen zu geben – zumal unklar ist, ob es wirklich ein „Paulchen“ oder eher eine „Paula“ ist.

„Allzu große menschliche Nähe ist nicht gut. Es ist immerhin ein Wildvogel“, sagt auch der Potsdamer NABU-Fachgruppenleiter für Ornithologie, Manfred Pohl. Die Fluchtdistanz sei mit zwei bis drei Metern bei den Vögeln schon sehr gering.

Auch andere Vogel-Experten sehen die Fütterung daheimgebliebener Störche eher kritisch. „Menschen müssen sich eigentlich keine Sorgen machen“, sagen sie. Auf der langen Flugreise in den Süden bekämen Störche oft tagelang nichts in den Schnabel. „Das halten sie gut aus.“ (dpa)

Gudrun Janicke

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