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Hat Nerven bewiesen. Yorai Feinberg in seinem Restaurant in Schöneberg. Er stammt aus Israel und wurde mehrfach von Antisemiten bedroht.
© Carstensen/dpa

Antisemitismus-Vorfall in Berlin-Schöneberg: Im Visier der Judenhasser

Das Video, auf dem Gastronom Yorai Feinberg antisemitisch bedroht wird, provoziert weltweit Reaktionen. Dabei war dies nur eine von vielen Attacken. Ein Besuch vor Ort.

Vielleicht hat Yorai Feinberg, man kann das nur hoffen, doch Recht. „In Berlin kommen“, sagt Feinberg am Donnerstag in seinem Schöneberger Restaurant, „auf einen Teufel vielleicht 500 Engel“. Jedenfalls habe er in diesen Tagen viel Unterstützung und Zuspruch erfahren, einige lobten ihn für seinen Mut.
Vielleicht aber beschreibt doch das, was Feinberg danach berichtet, die Lage in der Stadt ein wenig deutlicher: Der in Jerusalem aufgewachsene, 36 Jahre junge Gastronom erzählt unaufgeregt von den regelmäßig eintreffenden E-Mails, den Online-Kommentaren, den Drohanrufen, in denen Juden wie er verflucht werden, ihnen der Tod angedroht wird. Auch jetzt. Ausgerechnet nach diesem, ja sogar wegen dieses Videos.

„Ihr landet in Gaskammern“

Das sechsminütige Video, zu dem sich am Donnerstag der Bundesjustizminister, die Jüdische Gemeinde und Israels Botschafter äußerten, wurde nicht nur in deutschen und israelischen, sondern auch arabischen, russischen und amerikanischen Medien thematisiert. Aufgenommen hatte es Feinbergs Freundin am Dienstag mit ihrem Handy in der Fuggerstraße: Ein Mann – später wird bekannt, es handelt sich um einen 60-jährigen Deutschen – spricht unvermittelt Feinberg und seine Freundin an. Der Mann faselt – so muss man es in diesem Fall sagen – unzusammenhängend von „den Palästinensern“, davon, dass es Juden „nur ums Geld“ gehe, dass der Wirt „nach Hause“ verschwinden solle, wobei Juden eigentlich „keine Heimat“ hätten, was bei dem schwadronierenden Herren darin mündet, dass die Juden bald „ihre Rechnung“ bekämen: „Ihr werdet alle in den Gaskammern landen.“
Als Feinberg dem Mann ganz sachlich Antisemitismus vorwirft, droht der Senior handgreiflich zu werden. Als ein Polizeiwagen passiert, sagt der Hetzer: „Niemand schützt euch!“ Glücklicherweise irrt sich der Pöbler in diesem Fall, die Beamten halten auf das Winken Feinbergs hin an: Sie legen den Mann in Handschellen und nehmen ihn vorläufig mit. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Er ist der Polizei wegen kleinerer Delikte bekannt. Womöglich, heißt es, sei der 60-Jährige alkoholisiert gewesen, ein Vollrausch aber unwahrscheinlich.

Zuvor wurde der Gastronom von einem Mob bedroht

Ein Vorfall unter vielen seiner Art. So muss man es wohl sehen, denn – das haben die Reaktionen auf die Jerusalem-Entscheidung der USA gezeigt: Judenhass ist auch auf Berlins Straßen verbreitet. Und doch steht der Fall Feinberg womöglich für eine neue, gefährlichere Lage, denn an jenem Dienstag passierte noch mehr. Nur Stunden vor dem Vorfall war Feinberg schon mal bei der Polizei: Er wurde vom Staatsschutz zu einem zurückliegenden Fall befragt. Vor Monaten wurde der Israeli von Männern gejagt, die in Polizeimeldungen gern als „südländisch“ beschrieben werden: Berliner Muslime, deren Eltern meist aus der Türkei oder der dem Libanon stammen. Einwanderersöhne fallen immer wieder durch militanten Judenhass auf – völlig unabhängig von den Anti-Israel-Märschen der vergangenen Wochen. „Und leider gab es am Dienstag im Netz dann noch einen Boykottaufruf“, sagt Feinberg. „Mein Restaurant ist im Visier von Israelhassern.“ Feinberg bleibt in Berlin wenig erspart.

Den Machern einer Kampagne unter dem programmatischen Namen „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ geht es darum, israelische Waren aus Regalen zu verdrängen, potenzielle Touristen von Israel-Besuchen abzuhalten und Freunde des Judenstaates weltweit zu isolieren. Im Internet warnen sie auch vor dem „Feinberg’s“ in Schöneberg. Hierzulande treffen solche Boykottaufrufe auf eine Stimmung, in der Israel ohnehin gern als der Aggressor der Region gesehen wird. Ganz so, als massakrierten Israelis in Jemen, Irak, Afghanistan die Massen – und nicht Muslime sich gegenseitig. Unter zahlreichen Neuankömmlingen aus dem Nahen Osten, zeigen Umfragen, ist dieses Bild oft deutlich ausgeprägt.

Israels Botschafter: Schnell und entschlossen handeln

Und so scheut sich Yorai Feinberg am Donnerstag nicht zu sagen: Die meisten Schmähungen erreichten ihn von Muslimen, vor allem im Netz trügen die Droher oft arabische Namen. Zu dem Video vom Dienstag etwa habe ein Mann über den tobenden 60-Jährigen in milieutypischem Kitsch geschrieben: „Ich küsse seine Augen!“, ein anderer fragt für jeden Nutzer lesbar einen Freund, ob man nicht gemeinsam Feinbergs Lokal überfallen sollte. Andere fantasieren davon, dass Feinberg durch den Vorfall doch nur Aufmerksamkeit, letztlich neue Kundschaft wolle. Kann ein jüdischer Wirt gar nichts richtig machen?

Senatschef Michael Müller, SPD, sagte auf Anfrage, dass Antisemitismus und Rassismus in Berlin keinen Platz hätten – und, dass die hinter den Äußerungen des Video-Pöblers stehende Haltung abscheulich sei. Tempelhof-Schönebergs Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler besuchte das Restaurant am Donnerstag, sichtlich besorgt. Die Sozialdemokratin spricht dann davon, es gelte „jede Form von Diskriminierung“ zu verhindern. Israels Botschafter Jeremy Issacharoff, ein unprätentiöser Diplomat, sagt da schon etwas deutlicher: „Es ist wichtig, dass man sofort und entschlossen handelt. Eine deutliche Reaktion gegen jede Form von Antisemitismus kann die einzige Antwort sein.“

Soll vor jedem jüdischen Lokal ein Polizist stehen?

Nun gibt es in Berlin zahlreiche Initiativen und Verbände, die dem Hass auf Juden vorbeugen wollen. Von Lehren, Sozialarbeitern, Ermittlern ist zu hören: mit mäßigem Erfolg. Auch einige Anwohner, die nach den Politfunktionären und Journalisten zum „Feinberg’s“ kommen, sehen das so. Sie ärgert zudem die Reaktion von Facebook – dort war das Video verbreitet worden. Das Unternehmen hat am Donnerstag erklärt, dass man den Clip zwischenzeitlich von der Online-Plattform entfernt habe, dass diese Reaktion aber falsch gewesen sei. „Unsere Reporting-Systeme sind dafür entwickelt, Menschen vor Missbrauch, Hassrede und Mobbing zu schützen und wir bedauern, dass gelegentlich Fehler gemacht werden, wenn solche Reports bearbeitet werden“, teilte eine Sprecherin mit. „Wir wissen, dass es frustrierend sein kann, wenn solch ein Fehler passiert und entschuldigen uns dafür.“ Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) teilte mit, dass „dieser völlig unfassbare“ Vorfall in Schöneberg zeige: „Wir alle müssen uns antisemitischer Hetze engagiert und mutig entgegenstellen.“ Erst kämen die Worte, dann die Taten. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte der „Jüdischen Allgemeinen“: „In der jüdischen Gemeinschaft besteht die Sorge, dass Antisemitismus zu einer echten Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland werden könnte.“

Was also tun? Schon heute wachen vor Synagogen, israelischen Vertretungen und jüdischen Zentren viele Polizisten. Sollen nun auch vor Restaurants bewaffnete Beamte stehen, weil drinnen israelischer Humus serviert wird? Yorai Feinberg ist Sohn litauischer Holocaust-Überlebender, er lebt seit sechs Jahren in Berlin. Der Staat könne nicht jedes Lokal bewachen, sagt Feinberg, das sei weder realistisch noch wünschenswert. Aber er sagt eben auch: Ob er in Deutschland bleibe, sei ungewiss.

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