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Der neue Berlin-Zoochef Andreas Knieriem.
© dpa

Auf Premiererundgang mit dem neuen Berliner Zoochef: Im Tierpark ist überall der Wurm drin

Raubtierkäfige, die Mitleid erregen. Alte Wege, viele Zäune, zu wenig Service: Der neue Zoochef Knieriem geht durch den Tierpark und ist bestürzt.

Das Unverständnis steht dem Mann ins Gesicht geschrieben. Bestes Ausflugswetter, aber jegliche Gastronomie ist zu. Neben ihm der Imbiss: dicht. Hinter ihm der Kinderspielplatz: verwaist. „Wir haben bald Ostern, und Ferien. Andere Zoos haben jetzt Saison“, sagt Andreas Knieriem und schüttelt den Kopf. Endlich kann er deutlich werden, bei seinem ersten lang erwarteten öffentlichen Auftritt als neuer Chef am Dienstag – erst im Tierpark, dann im Zoo.

Ein größerer Brocken als gedacht

Knieriem modernisierte die Tierparks Hannover und Hellabrunn, und jetzt hat er mit dem Sorgenkind Tierpark einen heftigeren Brocken vor sich als gedacht. Er selbst sagt: „Ich muss jetzt erstmal eine Struktur in der Verwaltung erkennen beziehungsweise sie hineinbekommen.“ Allein bei der Gastronomie gebe es ein „Konvolut an Verträgen“. Und sei das Restaurant geöffnet, „würden frische Kräuter dem Appetit gut tun“. Ist so was wie das Afrika-Savannenrestaurant in Leipzig denkbar, wo man sich als Besucher wie im Urlaub fühlt? Es werde Gespräche auch mit anderen privaten Pächtern geben, antwortet Knieriem. Überall ist der Wurm drin. Daher sucht der Chef den Kontakt zur Politik, auch wegen der Finanzen, und so führt er nun als ersten Gast SPD-Fraktionschef Raed Saleh herum, der sich nebenbei noch zu eigenen Plänen äußert.

Nicht ausgegebene Gelder an den Tierpark geben

Knieriem ist in seinen Worten deutlicher als sein Begleiter. Jener bekennt sich gleich mehrmals zum Tierpark, kündigt die neue Zoo-Arbeitgruppe im Parlament an, und dass er die von Berlin jährlich zurück gegebenen EU- und Bundesmittel in Höhe von rund 90 Millionen umleiten wolle. Knieriem sagt, statt Eintrittspreise zu erhöhen, hoffe er auf Investitionszuschüsse. Saleh nickt. Und die Berlin-Vermarkter sollten endlich bitte auch für den Tierpark werben.

Gleich am Eingang deutet der neue Hausherr auf den Boden: „Der Asphalt, der typische Stadtpark-Eindruck der 40er, 50er Jahre.“ Immerhin sei „Farbe an die Wand gekommen. Aber...“,  – Knieriem dreht sich um und schaut suchend – „das erste Tiererlebnis ist viel zu weit weg.“ Kitakinder müssen bis zu den Bisons ordentlich tippeln. 160 Hektar, das ist für Zoomaßstäbe eine riesige Anlage. Eigentlich toll. Aber jetzt würden seine Kinder langsam anfangen zu quengeln, sagt Saleh.

Nur ein oller Zettel an der Bimmelbahn

Doch an der Bimmelbahn-Haltestelle steht kein Zug, nur ein laminierter Fahrplan baumelt im Wind. Knieriem vermisst auch hier Service: „Das geht gar nicht.“ Der alte Chef Bernhard Blaszkiewitz hat Laufräder und Roller verboten. Jetzt dürfen Familien so was mit reinnehmen. Wenigstens sind jede Menge Bänke da. „Aber setzen Sie sich rauf. Was sehen Sie?“ Er zeigt nach vorn. „ Eine Wand.“

Es dürfe keine Denkverbote geben, betont Knieriem. Fahrräder, Züge, Wasserläufe, so was wird er prüfen, durchrechnen. Er sauge alles auf. „Geben Sie mir bis Jahresende Zeit“, für einen Ziel- und Entwicklungsplan, für Tierpark und Zoo. Das Papier wird prall: Die Menschen müssten dichter ran an die Tiere. Holz statt Stahl, Fliesen weg, Kacheln raus, alles Bauweisen des vorigen Jahrhunderts. Und es mache im Tierpark keinen Sinn, „Vögel, Vögel, Vögel neben Affen, Affen, Affen zu zeigen“. Stattdessen will Knieriem einen Geozoo einrichten. Und: „Die meisten Tiere sind in der Natur bedroht, das muss der Besucher doch erfahren.“

Die Raubtierkäfige? Erregen nur Mitleid.

Wie der Sumatratiger, der im Brehm-Haus hin- und hertigert. „Steigert dieser Anblick im Käfig das Mitleid oder die Faszination?“ fragt Knieriem rhetorisch. Die Raubkatzen müssten raus, in weite Gehege. Knieriem hofft auf Entgegenkommen des Denkmalschutzes für den Umbau des Brehm-Hauses. Auch die Tropenhalle des neu sanierten Hauses findet er unmodern. „Dass das der neue Baumwipfelpfad ist, muss man dranschreiben.“ Zwischen vielen sachlichen Äußerungen sind die Worte „desaströs“ und „überholt“ von ihm zu hören, jetzt darf es raus. Und: So viele Zäune wie im Tierpark habe er in keinem Zoo der Welt gesehen. Loben tut er nur die Tierpfleger.

Das Vogelhaus gefällt Knieriem nicht

Dann, im Zoo, gerät der Besuchertrupp in eine Traube aus Familien mit Kindern. „Hier ist es etwas anders“, sagt Knieriem zu Saleh. „Etwas freundlicher“, antwortet Saleh leise und grinst verlegen. Knieriem ergänzt: „Hier ist man näher dran, alle fünf Minuten kann man etwas Neues sehen.“ Im Zoo will er die romantische Parkanlage im Stile Lennés erhalten sowie die traditionsreichen Stilbauten. Aber: „Das Raubtierhaus ist ein Sündenfall.“ Und dann ist da ja noch erst das 2012 fertig gestellte Vogelhaus, da ist sehr viel Beton drin. Knieriem verschränkt die Arme vor der Brust. Er versucht seine Abneigung etwas zu verstecken. „Mich berührt das Haus noch nicht so“, sagt er nur. Ähnlich zurückhaltend gibt er sich, wenn es um seinen Vorgänger Bernhard Blaszkiewitz geht. „Früher haben wir mehr miteinander gesprochen als zuletzt“, sagt er. „Aber das ist Vergangenheit. Punkt.“

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