Jubiläum: Hamburg feiert seinen Hauptbahnhof
1906 gab es Butterbrot und Zigarren zur Einweihung. 2006 richtet Hamburg zum 100jährigen Jubiläum seines Hauptbahnhofs ein mehrtägiges Fest aus.
Hamburg - Das gefiel dem Kaiser gar nicht. "Einfach scheußlich" soll Wilhelm II. die üppigen Jugendstil-Elemente gefunden haben. Viel zu modern für den Anfang des 20. Jahrhunderts. Und so mussten die Architekten Heinrich Reinhardt und Georg Süßenguth ihren Entwurf für den Hamburger Hauptbahnhof im Stile der Neorenaissance abändern. Trotz der antiquierten wilhelminischen Ansichten schufen sie dennoch einen Superlativ ihrer Zeit: Als im neuen Verkehrsknoten am 6. Dezember 1906 der planmäßige Zugverkehr aufgenommen wurde, hatten sie die damals größte freitragende Bahnhofshalle Deutschlands geschaffen. Mit einem mehrtägigen großen Fest feiern die Deutsche Bahn AG, die Hansestadt und die Hamburger nun bis zum Wochenende den 100. Geburtstag ihres Hauptbahnhofs.
Wer vor 1906 per Bahn aus einer der vier Hauptrichtungen - von Lübeck im Norden, Berlin von Osten her, Hannover im Süden oder Bremen im Westen - nach Hamburg reiste, fand sich auf einem von insgesamt vier Bahnhöfen wieder. Der Kopfbahnhof Altona als einer dieser Haltepunkte lag dabei nicht einmal auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt, sondern auf preußischem Territorium, gebaut 1844 noch unter dänischer Hoheit. Die Chance für einen großen Knoten eröffnete sich 1884 mit der Übernahme der meisten Eisenbahnen in preußische Hand.
Schon 1906 täglich 218 Züge abzufertigen
1887 nahm der Hamburger Senat Verhandlungen mit Preußen auf, fünf Jahre später begannen die Planungen für den Hauptbahnhof. Im Februar 1903 startete der Bau und sollte mehr als dreieinhalb Jahre dauern. Am 1. Dezember 1906 wurden schließlich 300 Arbeiter mit Butterbroten, Eiern und Zigarren zu den Klängen einer Musikkapelle feierlich für ihr Werk bewirtet. Drei Tage später wurde die Halle zur allgemeinen Besichtigung freigegeben. Am 6. Dezember begann der fahrplanmäßige Eisenbahnverkehr zu rollen. Täglich 218 Züge waren es schon im ersten Jahr, darunter 146 Reisezüge. 100 Jahre später sind es vier Mal so viele, plus 1000 S-Bahnen pro Tag und reger U-Bahnverkehr.
Der Hamburger Hauptbahnhof wurde rasch zum wichtigsten Schienenknoten im Norden. Er war Station für zigtausende Auswanderer auf dem Weg zu den Schiffen der Amerika-Linien. Von hier rollten Züge zu den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Sommerfrischler fuhren an Nord- und Ostsee. Später fuhren von hier Güterzüge und Truppentransporter an die Fronten des Zweiten Weltkriegs.
In Rekordzeit nach Berlin
Im Zusammenhang mit dem Hamburger Hauptbahnhof wurde Eisenbahngeschichte geschrieben - nicht allein, dass seine freitragende Halle nie erreichte Ausmaße bekam. Der Bahnhof war Ausgangs- und Endpunkt für die direkte Verbindung zur Hauptstadt. Gegen die beginnende Konkurrenz der Luftfahrt schickte die Deutsche Reichsbahn im Dezember 1932 erstmals einen Schnelltriebwagen auf die 287 Kilometer lange Strecke zwischen den beiden größten Städten Deutschlands. Er stellte mit zwei Stunden und zwölf Minuten einen Rekord auf, der mehr als 70 Jahre nicht unterboten werden sollte. Als "Fliegender Hamburger" errang er das "Blaue Band" der Schiene als schnellster Reisezug der Welt. Nach Kriegsende, deutscher Teilung und Mauerfall dauerte es bis zum Ausbau der ICE-Strecke, ehe ab Ende 2004 Züge aus Berlin nach nur 90 Minuten auf dem Hamburger Hauptbahnhof eintrafen.
Über die Jahrzehnte erfuhr der Bahnhof eine wechselvolle Geschichte. Alliierte Bomben hinterließen schwere Kriegszerstörungen. Erst 1949 rollte wieder der erste Zug aus Berlin an den Bahnsteig. Ab 1974 investierte die Bahn über sechs Jahre rund 20 Millionen Mark in Sanierung und Umbau. 1991 erhielt der Bahnhof seine heutige Wandelhalle mit ihren vielen gastronomischen, Einkaufs-und Service-Einrichtungen.
Umkehr der Geschichte: Im Jahre 1900 waren es die Berliner Architekten Reinhardt und Süßenguth, die als Sieger aus dem Wettbewerb um den Hamburger Hauptbahnhof hervorgingen. 100 Jahre später ist es das Hamburger Architekturbüro gmp von Gerkan, Marg und Partner, das den Berliner Hauptbahnhof der Neuzeit entwarf. (tso/ddp)