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Thomas Kratz bei einem Einsatz mit "Ärzte ohne Grenzen" 2011 auf Haiti.
© Ärzte ohne Grenzen

Arzt aus Berlin in Sierra Leone: Im Kampf gegen Ebola

Gegen Ebola hat der Berliner Arzt Thomas Kratz hat in diesem Sommer in Westafrika gekämpft. Dort baute er das inzwischen weltgrößte Hilfszentrum für Betroffene mit auf.

Der Frau ging es besser und besser. „Und ich dachte, sie schafft es“, sagt Thomas Kratz, der die Patientin mehrere Tage begleitet hatte. An seinem letzten Arbeitstag fand er sie tot im Bett. Jetzt sitzt er wieder in Berlin und erinnert sich. Von Mitte Juni bis Anfang Juli arbeitete der Allgemeinmediziner für „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) in Sierra Leone: Im Kampf gegen das Ebola-Virus. Der Kontakt mit den Toten sei dabei gar nicht das Schlimmste gewesen. Viel schlimmer empfand er den Umgang mit den Lebenden – zum Beispiel wenn er Todesbotschaften übermitteln musste, wie an die 14-jährige Tochter der Patientin, die weinte und schrie. Das Virus hatte ihr kurz zuvor schon den Vater genommen.

Bis zum vergangenen Freitag zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 2100 Ebola-Fälle in den Ländern Nigeria, Liberia, Guinea und Sierra Leone. 1145 Menschen starben, darunter auch viele Ärzte und Pfleger, die sich während der Arbeit mit dem Virus infizierten. Sierra Leone gab bekannt, dass Ebola seit Mitte Mai 32 Krankenschwestern im Land dahingerafft hat. Vergangene Woche verstarb auch erstmals ein Infizierter in Europa, ein Spanier, der für einen katholischen Orden in einem Krankenhaus in Liberia als Pfleger arbeitete.

Der Arzt hat Respekt vor dem Ebola-Virus

Ob Kratz keine Angst hatte, sich anzustecken? Natürlich. Die Grundangst sei immer dabei gewesen, der Respekt vorm Virus. Es gab auch konkrete Situationen, in denen er instinktiv zurückschreckte, weil Menschen ihm ganz plötzlich zu nahe kamen. Ob er deshalb zögerte, dort zu arbeiten? Nein. „Jetzt erst recht", dachte Kratz, als ihm der Ernst der Lage bewusst wurde. Dabei konnte er sich zu Beginn des Einsatzes noch gar nicht vorstellen, wie sich die Situation in Sierra Leone entwickeln würde. Es gehe ihm nicht um Heldenruhm und Nervenkitzel, sagt Kratz. Aber er suche die Abwechslung, die Herausforderung, wolle die gesellschaftliche und politische Dimension des Arztberufes ausreizen. Der 38-Jährige hat zuvor schon sieben Auslandseinsätze mitgemacht, sechs davon in afrikanischen Ländern. Der letzte sei krasser gewesen als die davor.

Diesen Sommer öffnete er wieder nichts ahnend sein Postfach: „Three medical doctors urgently wanted“, hieß es in dem Schreiben von „Ärzte ohne Grenzen“. Zwei Wochen später packte Kratz seinen Koffer: Klamotten, Musik, Tablet, ein Foto seiner Freundin und eine Flasche Whiskey. „In der Hitze braucht man nicht viel“, erklärt der Arzt. Er kam in die Stadt Kailahun. Dort gab es zwar lokale Krankenhäuser, aber die waren in einem derart desaströsen Zustand, dass die Patienten von den Stationen flohen. Kratz half mit, in Kailahun ein Isolierzelt aufzubauen. Zunächst gab es 34 Betten, inzwischen liegen 84 Patienten in dem Zelt. Kratz arbeitete als Ausbilder für die lokalen Helfer und verbreitete vor allem Hygienegrundlagen.

Bei Ebola kann Müdigkeit tödlich sein für den Arzt

Erst in der letzten Woche hatte er mehr Patientenkontakt, nahm mit gelbem Ganzkörperanzug und Schnabelmaske Patienten auf und Blut ab. Einmal arbeitete er 18 Stunden am Stück. „Sonst hab ich immer versucht, zwölf Stunden nicht zu überschreiten.“ Aber der Einsatz laugt aus. Deshalb müssen die Mitarbeiter von MSF regelmäßig ausgetauscht werden. Nach drei Wochen wird man müde, körperlich und seelisch. Und Müdigkeit kann bei Ebola tödlich sein für den Arzt. Inzwischen ist Kratz aus Westafrika zurück.

Und er ermutigt andere Ärzte zum Einsatz. „Ohne Hilfe von außen können die westafrikanischen Staaten die Situation nicht bewältigen“, sagt Kratz. Ob er selbst bald wieder hingeht? „Erst mal nicht.“ Das habe er Freundin und Familie versprochen.

Milena Menzemer

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