Ebola: WHO hält Einsatz experimenteller Ebola-Medikamente für vertretbar
WHO-Ethiker wollen Mittel in Westafrika einsetzen. Ein spanischer Priester, der an Ebola erkrankt war, ist gestorben. Der Missionar, der vor fünf Tagen aus Liberia nach Madrid ausgeflogen worden war, ist der erste Europäer, welcher der jüngsten Ebola-Welle zum Opfer fällt.
Die Ethiker der Weltgesundheitsorganisation (WHO) halten es für vertretbar, experimentelle Ebola-Arzneien einzusetzen, um die außer Kontrolle geratene Ebola-Epidemie wieder unter Kontrolle zu bringen. "Angesichts der besonderen Umstände dieses Ausbruchs, und vorausgesetzt, dass bestimmte Bedingungen erfüllt werden", seien derartige Behandlungen ethisch vertretbar, auch wenn ihre Wirksamkeit noch nicht bewiesen und mögliche Nebenwirkungen noch nicht bekannt seien, erklärte die WHO am Dienstag in Genf. Um 14 Uhr will die WHO diese Entscheidung bei einer Pressekonferenz begründen.
Schon vorher hatten afrikanische Medien berichtet, dass die amerikanische Gesundheitsbehörde den Regierungen in Liberia und Nigeria Proben des Mittels ZMapp zur Verfügung stellen würde, das von zwei amerikanischen Ärzten und einem spanischen Missionar eingenommen worden war. Den beiden Amerikanern geht es besser. Doch der Spanier ist am Dienstag gestorben.
Damit ist der erste Europäer der Krankheit erlegen. Der spanische Priester Miguel Pajares, der vor fünf Tagen aus Liberia nach Madrid ausgeflogen worden war, starb im Krankenhaus, wie eine Sprecherin der Gesundheitsbehörden am Dienstag mitteilte. Der 75-Jährige hatte in Liberia für eine Nicht-Regierungsorganisation gearbeitet.
Dagegen ist das durch die Ebola-Epidemie stark betroffene Guinea ist bei der Anwendung von bisher nicht zugelassenen Medikamenten wie ZMapp gegen die Seuche äußerst zurückhaltend. Gesundheitsminister Remy Lamah sagte der französischen Zeitung "La Croix" vom Dienstag, dies sei keine "Priorität" für sein Land. Er fügte hinzu: "Wenn die WHO (Weltgesundheitsorganisation) es als notwendig erachtet, dass die Guineer als Testpersonen für dieses Medikament dienen, werden wir mit ihnen diskutieren."
Deutscher Student in Ruanda hat kein Ebola
Ein in Ruanda unter Ebola -Verdacht unter Quarantäne gestellter deutscher Patient ist nicht mit dem Virus infiziert. „Der Test des Ebola-Verdachtsfalles ist negativ. Es gibt kein Ebola in Ruanda“, teilte das Gesundheitsministerium des ostafrikanischen Landes am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Es handelte sich offenbar um Malaria. Der kürzlich aus Liberia zurückgekehrte Mann war am Sonntag mit Symptomen, die auch bei Ebola auftreten, in einer Klinik der Hauptstadt Kigali isoliert worden hatte Gesundheitsministerin Agnes Binagwaho am Montag im Kurznachrichtendienst „Twitter“ mitgeteilt.
Allerdings gab das Gesundheitsministerium schon am Montagnachmittag erste Entwarnung, obwohl das Testergebnis noch nicht vorlag. Das Fieber des Mannes sei deutlich gesunken und keine der Kontaktpersonen, die ebenfalls isoliert worden waren, habe irgendwelche Symptome gezeigt. Der Student litt demnach unter Malaria. Der Medizinstudent ist nach Angaben aus der Klinik als freiwilliger Helfer in Ruanda. Woher aus Deutschland er stammt, blieb zunächst unklar.
Bis zum Dienstag waren 1848 Fälle von Ebola im Dreiländereck von Guinea, Sierra Leone und Liberia sowie Nigeria bestätigt. 1013 Menschen starben an der gefährlichen Infektionskrankheit. Das entspricht etwa 60 Prozent der Kranken. Mehrere Verdachtsfälle in anderen Ländern haben sich als unbegründet herausgestellt, so in Kanada, Saudi-Arabien und Hong Kong. Auch ein Ebola-Alarm in Hamburg hat sich als falsch erwiesen.
Patrick Sawyer entkam der Quarantäne in Liberia
In der nigerianischen Handelsmetropole Lagos ist derweil der zehnte nachgewiesene Ebola-Fall bestätigt worden. Der Amerikaner Patrick Sawyer mit Wurzeln in Liberia hatte die Krankheit am 20. Juli nach Nigeria gebracht. Fünf Tage später starb Sawyer. Am Wochenende starb auch die Krankenschwester, die ihn in Empfang genommen hatte. Nach Angaben von Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu werden weitere 77 Personen, die mit Sawyer oder einem anderen Ebola-Patienten in Kontakt waren, überwacht.
Nigerianische Zeitungen berichten, dass Sawyer schon vor seiner Abreise in Liberia gewusst habe, dass er krank war. Nach Informationen der Tageszeitung „This Day“ stand Sawyer unter Aufsicht der Behörden in Liberia. Es sei ihm aber trotzdem gelungen, ein Flugzeug zu besteigen. Er soll seine Schwester, die am 7. Juli an Ebola starb, bereits blutend ins Krankenhaus gebracht haben und ihr durch Bestechung des Krankenhauspersonals einen Aufenthalt auf der Isolierstation erspart haben. Auf Überwachungsvideos am Flughafen in Monrovia ist er zu sehen, wie er sich bemühte, Körperkontakt zu anderen Reisenden zu vermeiden. Er soll „sehr krank“ ausgesehen haben.
Nigerias Ärzte streiken weiter
Die Lage in Nigeria ist trotz der begrenzten Anzahl von bestätigten Ebola-Fällen schwierig. Denn ein Ärzte-Streik setzt das Gesundheitswesen ohnehin schon unter massiven Stress. Doch selbst die Ärzte, die bereit wären, wieder zu arbeiten, haben Angst, sich mit dem gefährlichen Virus zu infizieren. Deshalb hat die nigerianische Regierung am Montag angekündigt, sie wolle Freiwilligen, die bei der Betreuung und Pflege von Ebola-Patienten und Ebola-Verdachtsfällen helfen, eine Lebensversicherung bezahlen. Das nigerianische Rote Kreuz hat 18 Freiwillige in die Krankenhäuser geschickt, berichtet die Online-Zeitung "The Premium Times". Das dürfte allerdings nicht reichen, um die Krise zu bewältigen.
WHO diskutiert über ethische Fragen in Sachen Ebola
Am Montag sind 12 Ethiker der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer Telefonkonferenz zusammengekommen, um zu beraten, wie mit der nigerianischen Forderung verfahren werden soll, experimentelle Medikamente für Ebola-Patienten in Westafrika zu liefern. Der Gruppe gehören neben zwei Amerikanern und Briten auch zwei afrikanische Experten an, einer aus dem Senegal und eine aus Uganda. Am Dienstag wollen sie auf einer Pressekonferenz über die Diskussion der WHO-Expertengruppe berichten. Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt: Sollen Ärzte angesichts der grassierenden Ebola-Epidemie Medikamente oder Impfstoffe einsetzen, die noch nie am Menschen erprobt wurden? Und falls ja: Nach welchen Kriterien sollten die wenigen vorhandenen Wirkstoffe verteilt werden? Im Kurznachrichtendienst Twitter hat die Kampagne „Gebt uns das Serum“ (#GiveUsTheSerum) schnell Zulauf bekommen. Darin fordern Wissenschaftler aber auch viele afrikanische Twitterer, dass die nicht zugelassenen Medikamente in der aktuellen Krise zur Verfügung gestellt werden sollten.
Um welche Therapien geht es?
Die Firma Mapp Biopharmaceutical hat es inzwischen schon zu einiger Berühmtheit gebracht. Denn ein amerikanischer Arzt und eine Krankenschwester, die sich in einem Missionskrankenhaus in Liberia mit Ebola angesteckt hatten, wurden vor ihrem Rücktransport in die USA mit dem Serum der Firma behandelt. Ebenso ein spanischer Missionar, der in der vergangenen Woche aus Liberia zurückgeholt worden war. Allen drei Patienten geht es offenbar besser. Aber ob das auf das Medikament zurückzuführen ist, lässt sich schwer sagen. Sie könnten auch einfach zu den 40 Prozent der Kranken gehören, die auch ohne die Arznei überlebt haben.
Die kanadische Biotechfirma Tekmira arbeitet im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministeriums an einem Medikament. Profectus Biosciences, arbeitet wie der britische Pharmakonzern Gloxo-Smith-Kline an einem Impfstoff. Allen Wirkstoffen ist gemeinsam, dass sie an Affen erprobt worden sind, und viel versprechende Ergebnisse gebracht haben. Doch an Menschen sind sie alle bisher nicht getestet worden.
Ein zweijähriger Junge soll der Ausgangspunkt der Seuche sein
Der aktuelle Ebola-Ausbruch soll von einem zweijährigen Jungen in dem Dorf Guéckédou in Guinea ausgegangen sein, berichtet ein Forscherteam im „New England Journal of Medicine“. Der Junge starb am 6. Dezember 2013. Eine Woche später starb seine Mutter, dann seine drei Jahre alte Schwester und schließlich auch seine Großmutter. Niemand wusste, woran die Familie gestorben war. Aber bei der Beerdigung der Großmutter dürften zwei Trauergäste das Virus mitgenommen haben. Ein Pfleger trugt es weiter. Er starb und sein behandelnder Arzt starb ebenfalls. Erst im März haben Ärzte der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ Ebola erstmals nachweisen können. Sie hatten zunächst auf Lassa-Fieber getippt.
Das Virus war also schon drei Monate, bevor es auch nur erkannt worden ist, auf Wanderschaft. Die Grenzen zwischen den drei westafrikanischen Ländern sind fließend. Großfamilien wohnen oft in allen drei Ländern. Bessere Straßen, die den Wiederaufbau der von langjährigen Bürgerkriegen zerstörten Nationen beschleunigen sollten, haben nun auch die Ausbreitung des Ebolavirus beschleunigt.
Vor allem Krankenschwestern und Ärzte sind von der Infektion betroffen. Allein 61 Ärzte sind dem Ebola-Virus in Westafrika bereits zum Opfer gefallen. Am Sonntag hat sich die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf vor Mitarbeitern im Gesundheitsdienst für die hohe Zahl der Opfer unter ihnen entschuldigt. Sie kündigte an, mehr Geld für das Gesundheitssystem anzuweisen. Ein Teil dieser Mittel solle für Lebensversicherungen und in die Hinterbliebenenhilfe für die verstorbenen Krankenschwestern und Ärzte fließen. Viele von ihnen hatten aus Angst vor Ansteckung längst den Dienst quittiert. Viele sind aber vor Ausbruch der Krise auch nicht regelmäßig bezahlt worden (mit dpa/rtr)
Dagmar Dehmer