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Berlin-Moabit: Im Fruchthof an der Beusselstraße - zwischen Bananen und Kokain

Wie kamen die Drogen zu Aldi? Die Idee, mit einer banalen Kiste Obst reich zu werden, wenn auch als Schwerverbrecher, finden hier alle höchst amüsant. Ein Besuch bei den Obsthändlern im Fruchthof, morgens um 4 Uhr.

Die Banane an sich ist eine unschuldige Frucht. Aber weil sie massenhaft nach Europa schwimmt, auf dicken Containerpötten, zu jeder Jahreszeit, wird sie zum Komplizen des Drogenschmuggels gemacht. „Das passiert immer wieder“, sagt ein Importeur, der sich sehr gut mit der gelben Frucht auskennt. „Die 350 Millionen Drogenkonsumenten müssen ja irgendwie versorgt werden.“

Aber nicht nur die Banane, auch Ananas und Orangen würden gelegentlich zugekokst. Das Kokain ist nach Informationen des Tagesspiegels eine Woche lang zusammen mit den unschuldigen Bananen in einem großen Lager auf dem Großmarkt an der Beusselstraße „gereift“, exklusiv für Aldi. Die Früchte kommen in der Regel grün in Deutschland an und werden in vier großen Reifereien mit einem Gemisch aus Stickstoff und Ethylen behandelt. Die Drogenschmuggler markieren ihre Kisten vor dem Seetransport und entwenden sie später im Hamburger Hafen. Warum es diesmal nicht geklappt hat, kann sich der Importeur auch nicht erklären, „ein Irrläufer“.

Aldi ist billiger als die Großhändler

Die Bananen plus das Koks, 1150 Kisten, nahmen ihren regulären Weg per Lkw an die Beusselstraße und später zu den Aldimärkten. Im Fruchthof, der Großhandelshalle, wuseln um vier Uhr morgens die Gabelstapler mit Karacho kreuz und quer durch die Halle. Obsthändler decken sich für den Tag ein, parken ihre Lieferwagen vor der Halle. Äpfel, Erdbeeren, Pilze, Tomaten, Gurken, Orangen, Spargel, Salat – und Bananen. Wobei die krummen Dinger nicht so gefragt sind, weil Aldi und Lidl sie häufig billiger verkaufen als die Großhändler.

Aber ganz ohne geht es auch nicht. Die Verkäufer kennen ihre Kunden, Preise und Mengen werden auf Russisch, Viertnamesisch und Türkisch verhandelt. Die Bananenkisten wiegen rund 17 Kilo und kosten auch ungefähr soviele Euro. 17 Kilo Kokain bringen es dagegen auf circa 730.000 Euro.

Die Idee, mit einer banalen Kiste Obst reich zu werden, wenn auch als Schwerverbrecher, finden hier alle höchst amüsant. Persönlich ist Ali, Vertriebschef, in den 30 Jahren am Fruchthof noch kein Drogenfund geglückt. „Mal eine Spinne“, sagt er, sonst seien in den Bananenkisten nichts als Bananen. Aber es schaut ja selten jemand genauer hin. Es würden Stichproben genommen am Hafen, zur Qualitätskontrolle, sagt der Importeur, aber das wäre dann purer Zufall, auf eine Drogenkiste zu stoßen. 60 bis 80 Kisten habe er am Montag verkauft, erzählt ein Händler, der sich am Stehkontor mit Kaffee wach hält, das sind rund zwei Paletten Dole und Chiquita. Der Winter ist die Zeit der Zitrusfrüchte, aber Bananen haben eigentlich immer Saison. Rund 2000 Kisten jeden Monat. „Da kannste nicht in jede Kiste reingucken.“ Ein Messer habe er mal gefunden, zwischen den Bananen, sonst nichts.

Dass die Polizei die genaue Route der Kokskisten zurückverfolgen kann, glaubt er nicht. Nicht mal das Containerschiff lasse sich dingfest machen. „Das finden die niemals.“ Er lacht. Polizei hat hier jedenfalls noch keiner gesehen im Fruchthof, nicht in den vergangenen Tagen und schon gar nicht um vier Uhr an diesem frühen Morgen.

Die Beamten ließen sich ohnehin kaum noch blicken, seit der Handel mit Altautos 2008 vom Gelände verwiesen wurde, sagt Fruchthof-Chef Dieter Krauß. Früher wurde der Großmarkt als gefährlicher Ort eingestuft, jetzt gebe es nur noch „ehrbare Händler“. „Wir sind hier ja auch nur der Vermieter.“ Was die Händler für Geschäftsbeziehungen pflegen, davon wisse er nichts.

Der nächste Kunde naht, ein schmaler Hecht in dunklen Klamotten, auch er ist auf dem Laufenden: „Keine Macht den Drogen!“ Der Gag zündet nicht richtig, deshalb noch ein Versuch: „Von Bananen lass ich die Finger, die sind mir zu heiß.“ Jetzt grinst sein Gegenüber. Jewgeny aus Mariendorf hat sich eine große Kiste Kohl, Kürbisse, Orangen und palettenweise Äpfel vor seinen Transporter stellen lassen. Bananen lässt er diesmal weg, „zuviel Konkurrenz“. Wenn er mal eine Kiste mitnimmt, muss er später den halben Besatz wegwerfen. Wäre ja schade drum. Das Kokain wird sicher komplett vernichtet. Ein harter Schlag für die Schmugglermafia.

Thomas Loy

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