Katharina Thalbach im Schillertheater: Ihr Name ist Hase
Thalbach und Familie beleben in Charlottenburg einen Klassiker neu: "Hase, Hase". Das weckt viele Erinnerungen und bietet eine moderne Botschaft.
Gewöhnlichen Familien reicht ja Weihnachten als Anlass der Zusammenkunft, aber bei den Thalbachs und Bessons braucht es schon ein bisschen mehr. Ein gemeinsames Theaterprojekt zum Beispiel. Im Rang-Foyer des Schillertheaters sind Katharina Thalbach nebst Tochter Anna und Enkelin Nellie versammelt, außerdem ihre Halbbrüder Pierre und Philippe Besson, und zur Brecht-Enkelin Johanna Schall zur Rechten führt über irgendwelche Großcousins auch noch ein verwandtschaftliches Band.
Aber das wäre vermutlich eine eigene dynastische Erzählung wert. Harmonisch jedenfalls wirken sie alle miteinander, und auf die Frage nach dem Geheimnis ihres familiären Friedens entgegnet Katharina Thalbach mit gewohnter Berliner Offenherzigkeit: „Wahrscheinlich, dass wir uns so selten sehen.“
Allerdings ist die Konstellation hier erstens gar nicht das Außergewöhnliche. „Und in dem Augenblick, wo man auf der Bühne steht, ist es eh wurscht, ob man verwandt ist“, betont Katharina Thalbach zum zweiten. In ähnlichen Ensemble-Zusammenhängen hat sie mit Anna, Nellie und den Bessons jedenfalls schon häufiger gearbeitet, zuletzt etwa in der Komödie am Kurfürstendamm, bei der Gerhart-Hauptmann-Produktion „Roter Hahn im Biberpelz“. Aber das Stück und der Schauplatz, um die es jetzt geht, lassen die Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart doch bemerkenswert querschießen.
Martin Woelffers Komödie am Kurfürstendamm bringt im Januar 2019 in ihrer Ausweichspielstätte an der Bismarckstraße Coline Serreaus fantastische Familienfarce „Hase Hase“ zur Premiere. Ebendort also, wo 1992 Benno Besson, Katharina Thalbachs verstorbener Vater, dem Stück zur deutschen Erstaufführung verhalf. Damals wie heute in der Rolle des Nesthäkchens Hase zu sehen: Katharina Thalbach. Die Erfolgs-Produktion (im Original „Lapin Lapin“) stand noch auf dem Spielplan, als das Haus 1993 dicht gemacht wurde. Der letzte Vorhang fiel, nebenbei, mit einer anderen Komödie von Coline Serreau, „Weißalles und Dickedumm“.
„Geschlecht, Alter, das alles spielt im Theater keine Rolle“
Die französische Bühnen- und Drehbuchautorin („Drei Männer und ein Baby“), Trapezkünstlerin und Organistin wird selbst Regie führen. Sie war es auch, die eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Besetzung durchgesetzt hat. „Geschlecht, Alter, das alles spielt im Theater keine Rolle“, versichert die 71-Jährige.
Also gibt Thalbach Senior nicht die Mama im Stück – sondern ihr Halbbruder Pierre Besson. Als Papa Hase wiederum ist Markus Völlenklee zu sehen, auch er war schon 1992 Teil des „Hase“-Ensembles. Wegen einer Schulterverletzung konnte er allerdings nicht durchspielen. Pierre Besson sprang damals für ihn ein. Noch Fragen?
Katharina Thalbach jedenfalls denkt noch heute mit äußerst gemischten Gefühlen an den „Paukenschlag“ zurück, den die Schließung des Schillertheaters bedeutete. „Jetzt machen wir dort weiter, wo damals aufgehört wurde“, scherzt sie. Und fügt noch an: „Wir sind wie die Kelly Family. Nach 30 Jahren kommen wir wieder zusammen.“
In der Zwischenzeit hat sich nicht nur Berlin ziemlich verändert, auch weltpolitisch sind wir einige Umdrehungen weiter. Weswegen die jugendlich-frisch wirkende Serreau ihr Stück auch ein bisschen aktualisiert hat. An der Geschichte selbst ändert sich zwar nichts. Erzählt wird nach wie vor vom Ehepaar Hase, das sich darauf freut, die arg beengte Wohnung bald für sich allein zu haben. Immerhin drei von fünf Kindern sind schon aus dem Haus.
„Es geht um das Aufnehmen von Menschen“
Aber zu früh gefreut. Vater wird arbeitslos, der jüngste Hasen-Spross fliegt von der Schule, der Älteste schließt sich einer Terrorgruppe an und die ausgezogenen Geschwister stehen plötzlich auch wieder vor der Tür. „Es geht um das Aufnehmen von Menschen“, sagt Regisseurin Coline Serreau, eine Herausforderung, vor der ja sowohl Deutschland als auch Frankreich stünden. Und insofern ein zeitloses Motiv ihres Stücks.
Passagen hingegen, die sich um Terror drehen – am Tag der Pressekonferenz ja einmal mehr ein tragisch aktuelles Thema – hat die Autorin umgeschrieben. 1980, zur Entstehungszeit von „Hase Hase“, habe es im Nachklang der 68er-Bewegung bei Teilen der Linken noch eine Sympathie für Gewalt gegeben, sagt Serreau. Das wollte sie so unkritisch nicht stehen lassen. Eine andere neue Szene wird sich um das Streitthema Verschleierung drehen. Doch bevor das jetzt alles zu düster klingt, versichert die Regisseurin schnell hinterher: „Mit viel Humor natürlich!“
Für die Komödie ist „Hase Hase“ auf alle Fälle ein vielversprechendes Prestigeprojekt. Schon jetzt sind 7000 Karten verkauft, überhaupt habe man in den bisherigen Monaten im Schillertheater eine Auslastung von fast 80 Prozent erzielen können, freut sich Martin Woelffer. Es brummt wieder an der Bismarckstraße. Auch vor diesem Hintergrund ist der kommende Brückenschlag zwischen Theatergeschichte und -gegenwart erfreulich. Und nicht nur Anlass zur Nostalgie.
Premiere von „Hase Hase“ am 20. Januar 2019 im Schillertheater, Karten-Tel.: 030 88 59 11 88 oder unter www.komoedie-berlin.de