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Gut im Geschäft. Daniela Spasova kam vor 13 Jahren als Studentin nach Berlin. Ihr bulgarisches Restaurant „PriMaria“ in der Gärtnerstraße 12 in Friedrichshain ist inzwischen oft gut besucht.
© Eva Riedmann

Bulgaren in Berlin: „Ich habe nie um Geld gebettelt“

Seit einem Monat wird über Armutsmigranten aus Bulgarien diskutiert. Dabei leben in Berlin gut ausgebildete Bulgaren – die fordern einen neuen Blick auf sich und auf die Nomaden von der Eisfabrik.

Sie irren weiter kreuz und quer durch Berlin, die Bulgaren aus der ehemaligen Eisfabrik. Vom Gewerkschaftshaus von „Verdi“ zu den Parteizentralen der Linken und der SPD. Am Donnerstag standen die zwei Dutzend Nomaden, die die Stadt politisch immer wieder beschäftigen, dann bei Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) vor der Tür; jetzt sind sie wieder ein paar Tage in der Heilig-Kreuz Gemeinde in Kreuzberg untergekommen. Wo sollen diese Menschen dauerhaft wohnen? Und muss die Stadt das bezahlen? Solche Fragen tauchen auf, gerade weil Bulgaren seit einem Monat visumsfrei in Deutschland arbeiten dürfen. Dabei sind die ehemaligen Eisfabrik-Bewohner nur 23 von insgesamt 9988 Bulgaren in Berlin. Seit Jahrzehnten kommen sie in die deutsche Hauptstadt: Ärzte, IT-Spezialisten, Studenten. Viele Bulgaren, die seit Jahren in Berlin leben, werden in der Debatte bisher nicht gehört. Wir haben mit vier Wahlberlinern aus Bulgarien gesprochen.

Michaela Grueva, 29, Irina Lazarova, 38, Kommunikationstrainerinnen in Mitte

Michaela Grueva und Irina Lazarova lösen interkulturelle Konflikte. Zum Beispiel, wenn es um Pünktlichkeit geht. „Wenn ein Deutscher sich für 14 Uhr verabredet, meint er Punkt 14 Uhr“, sagt Grueva. „In Bulgarien kann es auch eine Viertelstunde später werden.“

Die Agentur der zwei Frauen berät deutsche Unternehmen, die Außenstellen in Bulgarien eröffnen oder Bulgaren, die in Deutschland Fuß fassen wollen. Die Kommunikationstrainerinnen kommen aus Sofia. Beide haben in Deutschland studiert.

„Die bulgarische Gesellschaft in Berlin ist bunt“, sagt Lazarova. Es gebe zum Beispiel die bulgarischen Türken, die in Wedding und Neukölln lebten und oftmals unter sich bleiben würden. Genauso verhält es sich mit vielen Roma. „Und selbst den Rest muss man in Bulgaren aus der Hauptstadt und der Provinz aufteilen. Unsere Hauptstädter sind meist besser gebildet“, sagt Lazarova. Diese Gruppen hätten untereinander kaum Berührungspunkte. „Mich ärgert, dass man von Bulgaren spricht, aber nur einen kleinen Teil meint“, sagt Grueva. Und ihre Kollegin nickt.

Daniela Spasova, 33, Restaurantbetreiberin, Friedrichshain

„Kartofki“, das sind in Knoblauch und Butter gebratene Kartoffeln, mit Schafskäse bestreut und in einem Tontopf serviert. Eine bulgarische Spezialität. Neben den typischen Gerichten sei es die bulgarische Herzlichkeit, die ihr Restaurant präge, erzählt Daniela Spasova. Sie steht an der Bar des „PriMaria“ in Friedrichshain, in das sie vor zweieinhalb Jahren eingestiegen ist.

Spasova kam vor dreizehn Jahren als Au-pair-Mädchen nach Deutschland. „Ich wollte verreisen, ein bunteres Leben haben“, erzählt sie. Aber so einfach war das nicht. Während des Lateinamerikanistik-Studiums in Berlin hat sie sich mit Jobs durchgeschlagen: Babysitten, Kellnern. Die Familie in Bulgarien konnte sie finanziell nicht unterstützen. „Ich habe meine Rechnungen immer bezahlt und nie um Geld gebettelt“, sagt sie.

Wie sie kämen viele junge Bulgaren nach Deutschland, um zu studieren. Die meisten gingen nach dem Studium aber wieder zurück. Aus Heimweh. Spasova will bleiben. Sie hat hier einen kleinen Sohn und genießt das bunte Leben, das sie hier gesucht hat. Auch das Restaurant läuft gut und ist abends oft ausgebucht.

Georgi Wassilew, 66, Arzt in Prenzlauer Berg

„Ich habe mehr Steuern gezahlt als mancher Deutsche“, sagt Georgi Wassilew. Er sitzt in der winzigen Teeküche seiner Arztpraxis in Prenzlauer Berg. Seit 40 Jahren arbeitet er als Arzt in Berlin, er kam schon zu DDR-Zeiten hierher. Seine Tochter sei auch Ärztin, erzählt er, Herzspezialistin an der Charité.

Wassilew wirkt wie jemand, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Die ganze Aufregung um Armutsmigration kann er sowieso nicht verstehen. Er sieht vor allem Vorteile. „In Bulgarien gibt es viele junge gut ausgebildete Ärzte“, sagt er, „und in Deutschland zu wenig.“ Vom Austausch würden beide Seiten profitieren. Bulgarische Ärzte verdienen in Deutschland mehr als daheim, und deutsche Studenten gehen nach Bulgarien, wenn ihr Abitur für einen Studienplatz in Deutschland nicht gut genug ist. „In diesem Jahr sind 150 junge Berliner nach Varna gezogen“, erzählt Wassilew, in die Stadt am Schwarzen Meer mit der größten Privat-Uni Bulgariens. Wassilew organisiert den Austausch mit. Das Studium dort sei günstiger, zugangsfrei – und der Abschluss auch in Deutschland anerkannt.

Eva Riedmann

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