Zurückgetretener Piratenchef Semken: "Ich habe gelogen"
Beim hastig anberaumten Krisentreffen gab Hartmut Semken Fehlverhalten zu. Er stand schon seit Wochen parteiintern wegen umstrittener Äußerungen in der Kritik und hatte deshalb überraschend seinen Rücktritt erklärt.
Nach zahlreichen Querelen in den vergangenen Monaten ist Hartmut Semken als Berliner Piratenchef zurückgetreten. Das bestätigte Semken Tagesspiegel Online. Kommentieren will er seinen Rücktritt derzeit aber nicht. Hintergrund seines Rücktritts sind aber dem Vernehmen aus der Partei zufolge nicht nur seine Äußerungen zu rechten und linken Tendenzen in der Piratenpartei.
Am Mittwochabend hat es eine öffentliche außerordentliche Landesvorstandssitzung in Berlin gegeben. Außerdem haben die Piraten am Dienstagabend beschlossen, dass es einen vorgezogenen Landesparteitag im Spätsommer geben soll. Der zurückgetretene Berliner Piratenchef hat zugegeben, den Landesvorstand belogen zu haben. „Das ist unverzeihlich und der Rücktritt die einzig mögliche Konsequenz“, sagte Semken . Er stehe seit mehreren Wochen unter entsetzlichem Druck.
Hartmut Semken stand seit Wochen bei den Piraten in Berlin in der Kritik. Zunächst ging es um einen Eintrag auf seinem Blog, in dem er beschrieben hat, dass nicht die rechtsextremen Äußerungen das Hauptproblem seien, sondern diejenige, die ständig von Parteiausschluss sprechen würden. Später folgten dann Einlassungen zum Linksextremismus, die in der Partei für Verwirrung sorgten. Schon seine Wahl zum Landesvorsitzenden war eine Überraschung. Im Februar 2012 setzte er sich gegen die eigentlich favorisierte Katja Dathe durch.
Die Partei wurde von dem Rücktritt Semkens überrascht. Denn noch auf der Vorstandssitzung, die fast bis Mitternacht andauerte, wusste niemand von Semkens Absichten. Die Entscheidung muss bei ihm in der Nacht gereift sein. Entsprechend überrumpelt kamen sich viel vor und lassen ihren Unmut über Twitter freien Lauf. Der Fraktionschef der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, Andreas Baum, schreibt auf Twitter, dass er in Pöbellaune sei. Martin Delius wiederum, Parlamentarischer Geschäftsführer der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, ist wie viele andere auch erbost, dass aus der Presse erfahren zu müssen. Semken selbst greift in das Twitter-Gewitter auch nochmal ein: "Also weils so schön war und alle bashen wollen: tut es. Haut es raus, Fühlt Euch dann besser. So muss das sein, bei Piraten, richtig?"
Der Auslöser für Semkens Rücktritt ist wohl eine Mail, die er aus einer Krisensitzung des Vorstands an einen Journalisten von Spiegel vor einigen Tagen verschickt hat. Gegenüber seinen Vorstandskollegen hat er das zunächst bestritten. Nun ist der Druck aber wohl zu groß geworden. Hintergrund der Krisensitzung waren die Querelen der vergangenen Wochen. In dieser Krisensitzung wurde Semken verwarnt, aber er bekam das Vertrauen ausgesprochen. Doch in der Mail mit dem Zitat sahen viele einen weiteren Vertrauensbruch. Deshalb kam es auf der dann öffentlichen Vorstandssitzung am Dienstagabend dann erneut zu einer Aussprache und zur Verabschiedung einer Erklärung, in der der Landesvorstand Fehler zugibt. "Der Landesverband wie auch die Piraten insgesamt haben unter den Folgen gelitten. Das tut uns leid, dafür bitten wir um Entschuldigung", heißt es in der Stellungnahme auf der Homepage der Berliner Piraten, die mit "We failed" überschrieben ist. Darin wird auch auf eine zweite nichtöffentliche Krisensitzung hingewiesen, die nötig geworden war, weil zwei der vier Vorstandsmitglieder eine Sitzung eigenständig verschoben hatten - und damit die anderen Vorstandsmitglieder vor den Kopf gestoßen hatten. Nun wolle man wieder zusammenarbeiten und die Differenzen beilegen, heißt es weiter. Auch auf die vorgezogene Landesmitgliederversammlung im September mit der Möglichkeit zur Neuwahl des Vorstandes wird hingewiesen. Vom Rücktritt Semkens ist da aber noch keine Rede. In der Partei heißt es nun, dass die Mail aus dem vertraulichen Gespräch "nur der Auslöser und die Spitze des Eisbergs" für Semkens Rücktritt sei.
Semken hat die Vorstandsmitglieder in der Nacht nach eigenem Bekunden informiert. Auch der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer, wurde nach eigener Aussage per Mail um kurz vor vier Uhr von Semken über dessen Rücktritt informiert. "Er hat die richtigen Schlüsse gezogen nach den wochenlangen Debatten. Ich hoffe, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt", sagte er dem Tagesspiegel.
Für die Berliner Piratenpartei ist der Rücktritt nun der Höhepunkt nach den wochenlangen Debatten. Jetzt müssen sie rasch klären, wie es weitergeht. Entweder sie berufen nun noch einmal neu einen außerordentlichen Parteitag innerhalb der nächsten vier Wochen ein, um einen neuen Vorstand zu wählen. Oder sie belassen es bei dem erst am Dienstagabend beschlossenen Termin im September. Zurzeit läuft auf der parteiinternen Plattform Liquid Feeback eine Initiative, die fordert, dass es bei dem anvisierten Termin im September bleiben soll - und die hat im Moment auch große Zustimmung. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung kann laut Satzung einberufen werden, wenn der Vorstand das beschließt aber auch wenn der Landesvorstand seine Handlungsunfähigkeit erklärt - oder wenn zehn Prozent der Piraten des Landesverbandes Berlin das beantragen würden. (mit dpa)
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