Raed Saleh lächelt die Krise weg: „Ich bin lieber hier als bei Krömer“
Berlins SPD-Fraktionschef Saleh ist in der Partei nicht mehr unumstritten. Beim Unternehmerfrühstück gibt er sich demonstrativ entspannt.
Ein gutgelaunter Raed Saleh im blaugrauen Anzug begrüßt am frühen Morgen im Alice Rooftop im Stilwerk SPD-Parteifreunde. Nach außen hin lässt sich der SPD-Fraktionschef, der mit Franziska Giffey für die Doppelspitze der Partei kandidiert, keine Nervosität anmerken.
Doch es rumort gewaltig in der Berliner SPD. Tempelhof-Schönebergs Kreischef Lars Rauchfuß forderte gegenüber dem RBB, noch einmal zu überlegen, was die beste Doppelspitze für die SPD und für die designierte Landesvorsitzende Franziska Giffey sei. Saleh wollte dies am Mittwochmorgen gegenüber dem Tagesspiegel nicht kommentieren.
Doch das Problem bleibt für ihn. Denn die SPD-Linke fühlt sich nicht mehr repräsentiert. Giffey und Saleh hätten noch nicht einmal mit den Kreisvorsitzenden gesprochen, ist zu hören. Die Kritik an Saleh wächst: Erst der Zeitungsbeitrag, in dem er infrage stellt, dass CDU und FDP nach Thüringen sich noch auf dem Boden der Demokratie bewegen. Dann sein misslungener, in Teilen geradezu peinlicher TV-Auftritt bei „Chez Krömer“.
Das nimmt Saleh in seiner Begrüßung der rund 200 Gäste auf, die um 8 Uhr zum wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK erschienen sind. „Ich bin lieber hier als bei Krömer. Berlin groß denken ist ein Appell, der sich an die Politik und Entscheidungsträger richtet“, sagt Saleh.
Berlin nicht ohne Brandenburg denken
In seinem Einführungsstatement referiert der SPD-Politiker über Berlin als Wissenschaftsstandort, über faire Arbeitsplätze. Die SPD bekenne sich zur IAA in Berlin als Automesse, die die Zukunft der Mobilität „neu formt“. Bei der Frage der Mobilität wolle man „weit vorn mitspielen“. Berlin könne man nicht von Brandenburg „losgelöst“ denken. Rund um Tesla gebe es eine Sogwirkung für innovative Menschen, die in Berlin bereit seien zu investieren. „Wir in der Politik haben die Aufgabe, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen.“ Gewerbemieten müssten zum Beispiel bezahlbar bleiben. Und die Stadt müsse auch für alle bezahlbar bleiben.
Er sei jemand, der gerne diskutiert – über Entlastungen für Familien zum Beispiel. Und kommt auf das Vergabegesetz zu sprechen. „Der Grundsatz gilt: Von dem, was man erwirtschaftet, muss man leben können.“ Um die Stadt bezahlbar zu lassen, gehöre der Mietendeckel dazu. Auch das richtige gesellschaftliche Klima sei notwendig, damit Berlin attraktiv bleibe. Nach den Anschlägen von Hanau und Halle habe er mit vielen Menschen gesprochen. „Die Stimmung ist nicht schön. Und wo das Klima nicht stimmt, entsteht Disharmonie.“ Alle demokratischen Parteien – und Saleh nennt auch explizit die CDU und die FDP – aufgefordert, „an einem Strang zu ziehen“. Der Grundkonsens müsse bewahrt werden: „Nie wieder“, sagt Saleh. Dafür erhält er Applaus.
Keine Garantie für Müller
Als SPD stehe man auch in einer rot-rot-grünen Koalition für Themen wie Mobilität. Saleh fordert den weiteren Ausbau des U-Bahnnetzes, das die Grünen als nicht prioritär ansehen. Wirtschaft, Arbeitnehmerrechte, faire Löhne seien ihm und Franziska Giffey wichtig. Er habe mit ihr am Freitag seinen ersten gemeinsamen Auftritt bei einer Werksbesichtigung des BMW-Motorradwerks in Spandau, betonte Saleh und bedankte sich bei den Zuhörern für ihr Engagement und das Schaffen von Arbeitsplätzen.
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Nach diesem Statement startete IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder die Diskussionsrunde mit Saleh. „Was wäre, wenn Frau Giffey wegfallen würde. Dann wäre der Weg frei für eine Kandidatur, oder?“ Saleh antwortete: „Wir wollen die Menschen unterstützen, die jeden Tag hart arbeiten.“ Er geht nicht auf die Frage ein, sondern referiert über Giffeys Charme, über sie als „eine, die anpackt“. „Franziska ist die Nummer eins. Sie freut sich auf die Herausforderungen in Berlin.“ Ob Michael Müller als Regierender Bürgermeister bis zur Wahl weiter mache, müsse man sehen. „Ich unterstütze Franziska in meiner Rolle als Fraktionschef und Landeschef.“
Behutsame Randbebauung am Tempelhofer Feld
Bei den Fragen zum Thema Wohnen geht es um Traufhöhen, um Mieten, um Rückkäufe von Wohnungen. Er plädiert für eine behutsame Randbebauung am Tempelhofer Feld. Auch die Entwicklung der Flächen der Elisabeth-Aue sei notwendig. Das sind keine neuen Positionen. Es gebe noch Reserven in der Stadt. Beim Thema Wohnungsbau müsse Berlin und Brandenburg gemeinsam denken. Die Mieten für fünf Jahre beim Mietendeckel einzufrieren, sei der SPD in der Koalition „ganz wichtig“ gewesen. Eder bedankte sich bei Saleh. Er als Mieter einer Charlottenburger Wohnung habe durch den Mietendeckel rund 700 Euro mehr im Monat.
Auf diesen süffisanten Wink antwortete Saleh, in der Politik müsse man Grenzen setzen wie die Miethöhe. „Der Mietendeckel war eine Notreaktion, weil viele das Gefühl haben, sich die Innenstadt nicht mehr leisten zu können.“ Auf die Frage von Eder, was denn beim juristischen Scheitern des Mietendeckels passieren solle, sagte Saleh: „Ich würde mich sehr freuen, wenn die Juristen zu einem schnellen Urteil kommen.“ Er sieht große Chancen, dass das Einfrieren der Mieten juristischen Bestand hat, beim Absenken der Mieten „müssen wir abwarten“. In der Diskussionsrunde wird die große Skepsis bei vielen Zuhörern über die Sinnhaftigkeit des Mietendeckels deutlich.
Man könne in der SPD nicht alles neu machen
Beim Thema Verwaltung kommt man schnell auf die viel zu langsam voranschreitende Digitalisierung zu sprechen. Was könne man vom Team Giffey-Saleh erwarten? Tim Renner, Mitglied des SPD-Landesvorstands, kommt direkt auf die wirtschaftsfreundliche Position der Hamburger SPD zu sprechen. Was werde das Duo Giffey-Saleh machen? „Wir haben uns vorgenommen, einzelne Themen wie das Thema Wirtschaft anzusprechen. Dazu gehört der Besuch am Freitag bei BMW.“
Saleh spricht von Interessenausgleich in der Stadt, von Arbeitnehmerrechten, aber er bleibt inhaltlich schwammig, wenn er von einer „starken Wirtschaft“ spricht. Man könne in der SPD nicht alles neu machen. „Aber wir haben unsere Vorstellungen, die wir in der SPD besprechen wollen.“ Hamburg mache „Mut, ist unser Vorbild“. Nur könne man beide Städte nicht vergleichen.
Jan Eder will in der Schlussrunde wissen, was die Lehren aus Thüringen sind: Nie wieder dürfe man sich „von den Rechtspopulisten so aufs Glatteis führen lassen“. Er habe als Sozialdemokrat das „Gefühl von Leere“ nach der Wahl empfunden. „Mit den Rechtspopulisten der AfD geht man keine Geschäfte ein. Wir brauchen einen Grundkonsens der demokratischen Parteien.“ Thüringen sei eine Zäsur. Die CDU und FDP seien demokratische Parteien. Aber so etwas wie in Thüringen dürfe sich nie wieder wiederholen.