Flugverbot für Zoovögel: Hunderte Vögel in Berliner Zoos haben teilamputierte Flügel
Vielen Vögeln im Zoo werden die Flügel gestutzt. Tierschützer halten das für Quälerei. Doch auch Volieren bergen Risiken.
Die Blaue Schneegans ist betroffen, die Spießente, der Klunkerkranich, die Zwergkanadagans, der Rötelpelikan und die Kolbenente – die Liste flugunfähiger Vogelarten in Zoo und Tierpark ist lang. Doch die Vögel sind nicht von Geburt an fluguntauglich, ihnen wurden die Flügel kupiert, also teilamputiert, einigen die Federn gestutzt.
Damit wird verhindert, dass sie ihrem Eigentümer davonfliegen. „Zumindest das Kupieren ist rechtswidrig“, sagt der Linken-Abgeordnete Michael Efler, in seiner Fraktion unter anderem für Tierschutz zuständig. „Das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen“ ist verboten, so steht es im Tierschutzgesetz.
Die Tierschutzorganisation Peta kritisiert das Kupieren und Stutzen von Zoo-Vögeln schon länger, 2017 erstattete die Organisation Strafanzeige gegen 19 Zoos in Deutschland, auch gegen den Tierpark Berlin. Auch die Bundestagsfraktion der Linken griff das Thema auf. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken erklärte die Bundesregierung schon 2015, das „Flugunfähigmachen von Vögeln“ entspreche nicht dem Tierschutzgesetz und lasse sich auch nicht durch darin formulierte Ausnahmeregelungen rechtfertigen.
Efler wollte nun wissen, ob auch in Berlin Zoo-Vögel amputiert werden. Auf Anfrage erhielt er die Liste betroffener Vögel, ohne weitere Erläuterungen. Darin heißt es für die Vogelarten, die nicht in Volieren gehalten werden: „Alttiere kupiert“ oder „Federn gestutzt“. Ob das Stutzen von Federn auch rechtswidrig ist, ist zumindest umstritten. Der praktische Nachteil: Es muss jedes Jahr wiederholt werden und bereitet den Betreuern viel Arbeit und den Vögeln gehörigen Stress.
Langfristig keine Vögel mehr im Zoo?
„In den Zoologischen Gärten Berlin werden schon seit vielen Jahren keine Vögel kupiert“, erklärt Zoo-Sprecherin Katharina Marie Sperling. Da diese Behandlung „einst gängige Praxis war, leben in Zoo und Tierpark auch einige wenige Einzeltiere, die vor vielen Jahren mittels Kupieren flugunfähig gemacht worden waren.“ Ganz so wenige sind es offenbar nicht: Nach den Listen, die der Zoo selber führt, handelt es sich um mehrere hundert „Alttiere“.
Aktuell würden laut Sperling „beispielsweise bei Pelikanen, Flamingos und Marabus“ die Schwungfedern zwei Mal jährlich gekürzt. Das sei für die Tiere vergleichbar mit Krallen schneiden, also nicht schmerzhaft. „Nur so können die betroffenen Vogelarten ohne durch Netze oder Gitter eingeschränkt zu werden, sich mit ihren Artgenossen unter freiem Himmel bewegen.“ Langfristig sei jedoch geplant, auch diese Vogelarten in großen Volieren zu halten oder die Tiere gar nicht mehr zu zeigen.
Das würden die Tierschützer von Peta sehr begrüßen. Sie halten Zoos generell für Tierquälerei. Die Subventionen für Zoos sollten besser in den Schutz bedrohter Arten investiert werden. Efler ist von dieser Radikalposition weit entfernt. Er möchte mit dem Zoo in einen konstruktiven Dialog über artgerechte Haltungsformen kommen. „Ich weiß auch nicht, was für die Vögel besser ist: Federn stutzen oder Gefängnis.“
In Frankfurt erwischte vor einigen Jahren ein Fuchs 15 Flamingos
Die „Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz“ hat sich in einem Positionspapier bei Vogelarten wie Kranich, Flamingo, Gänse-Vögel, Großtrappen und Marabus für die Haltung in Großgehegen ausgesprochen. Sollten Bäume und Begrenzungsmauern keinen ausreichenden Schutz vor dem Auffliegen bieten, könnten auch Flügel gestutzt werden. „Die Haltung in einer Voliere birgt für viele Arten ein Verletzungsrisiko.“
Wenn Vögel einen Feind entdecken, fliegen sie schnell auf und stoßen dann gegen die Begrenzungen. Somit müssten sie dann auch in einer Voliere ihrer Flugfähigkeit beraubt werden. Die ideale Lösung gibt es nicht. Im Frankfurter Zoo kamen vor einigen Jahren 15 Flamingos ums Leben, weil ein Fuchs sie erwischt hatte. Wegfliegen konnten sie leider nicht.
Thomas Loy