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Polizisten tragen Demonstranten von der A100-Baustelle in Treptow.
© Jörn Hasselmann
Update

Bundesweiter Protesttag gegen Autobahnbau: Hunderte Klimaaktivisten besetzen Berliner A100-Baustelle – zahlreiche Festnahmen

Umweltorganisationen protestieren gegen den Ausbau der Stadtautobahn. Die Berliner Polizei geht gegen Demonstranten und Medienvertreter vor.

Klima- und Umweltaktivisten haben zwei Abschnitte der Autobahn 100 in Berlin besetzt – in Treptow und Neukölln. .Die Berliner Polizei war mit mehreren hundert Beamten im Einsatz und nahm die Personalien vieler Aktivisten auf. 80 Menschen hatten am frühen Sonnabendmorgen in Neukölln ein bereits fast fertiges Stück der A100 besetzt. Gegen neun Uhr gelang es 250 Menschen in Treptow in eine Art Sandgrube an den Ringbahngleisen zu gelangen. Hier haben bislang technische Schwierigkeiten den Bau der Autobahn unter den Gleisen hindurch verhindert.

Letztlich durften am Nachmittag fast alle Besetzer das Gelände verlassen, ohne ihre Personalien zu hinterlassen. Zuvor hatte es ein stundenlanges Hin und Her gegeben. Gegen 11 Uhr hatte der Chef der Autobahndirektion Nordost, Ronald Normann, als Hausherr den etwa 250 Aktivsten das Angebot gemacht, auf eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs zu verzichten, wenn sie friedlich die Baustelle verlassen.

Die Aktivisten forderten, dass die Polizei auf eine Personalienfeststellung verzichtet, was jedoch rechtlich unmöglich sei, wie ein Polizeisprecher sagte. Bestehe der Verdacht eines Rechtsbruchs müssten Personalien aufgenommen werden. Gegen 13 Uhr war die Situation festgefahren, die Besetzer formierten sich zu einem Block und stürmten auf die Polizeiabsperrung zu. Den Beamten gelang es mit Androhung des Schlagstocks, die Menge zu stoppen. Am Nachmittag forderte die Polizei Verstärkung an, um die Menschen einzeln vom Gelände zu holen.

Gegen 15 Uhr entschied sich die Polizei jedoch um, und ließ den größten Teil der 250 Menschen ohne Personalienfeststellung vom Gelände, allerdings wurden sie dabei „videografiert“, wie ein Sprecher sagte. Man habe sich zu diesem Kompromiss wegen der Hitze entschieden. Sanitäter hatten befürchtet, dass Menschen kollabieren, wenn sie noch Stundenlang in der Sonne stehen müssten.

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Die Sprecherin von „Sand im Getriebe“, Lou Winters, sprach von „polizeilicher Willkür“. Das Präsidium betonte, nicht vor der reinen Masse kapituliert zu haben. Da die meisten Besetzer keine Ausweise dabei hatten, und einige sich sogar die Fingerkuppen verklebt hatten, um Fingerabdrücke zu verhindern, wäre die Personalienfeststellung vor Ort nicht möglich gewesen, alle hätten in eine Sammelstelle gebracht werden müssen. Was mit den Videoaufnahmen jetzt angestellt wird, blieb offen.

Auf dem anderen Bauabschnitt in Neukölln hatten bereits früh um fünf Uhr etwa 80 Menschen die A100 in der Nähe der Grenzallee besetzt, wie ein Polizeisprecher mitteilte. „Sie haben versucht, in einen Fahrbahntunnel einzudringen. Das konnte verhindert werden“. Die Protestler seien vorläufig festgenommen worden. Gegen alle werde nun wegen Hausfriedensbruchs ermittelt. Ihre Personalien wurden aufgenommen, darunter waren auch 13 Journalisten. Diese warfen später der Polizei vor, die Pressefreiheit zu missachten. Auf Twitter berichtete der Pressefotograf Christian Mang, es sei bei der Aktion an der Sonnenallee zu Festnahmen von Journalisten und weiträumigen Platzverweisen gekommen.

Die Polizei konterte, die Fotografen seien nicht als Medienvertreter zu erkennen gewesen, sondern nur als „Teil der Gruppe“, wie ein Sprecher sagte. Fotos, die die Organisatoren der Proteste auf Twitter teilten, zeigen jedoch, wie Polizisten zwei Männer abführen, die gut sichtbar Kameras bei sich tragen. Beide arbeiten als Fotografen für Presseagenturen. Auch später kamen viele Journalisten nicht auf das Gelände in Treptow.

Fast alle anderen Journalisten durften erst Stunden später in Begleitung von Polizisten kurz auf die Baustelle. Dabei hatten sie keine Möglichkeit, mit den Besetzern zu sprechen, weil sie 50 Meter Abstand halten mussten. Lou Winters, die Sprecherin von Sand im Getriebe, warf der Polizei deshalb Missachtung der Pressefreiheit vor. „Die Polizei lässt uns nicht mit der Presse sprechen“, kritisierte sie. Gewerkschaftsvertreter Jörg Reichel von der Deutschen Journalisten-Union kritisierte eine „massive Behinderung von Pressearbeit“.

Die Aktionen von „Sand im Getriebe“ waren Teil eines bundesweiten Protests gegen den Ausbau von Autobahnen. Die A100 schlage eine „Schneise der Verwüstung“ durch die Stadt, sagte Sprecherin Winters. Das Projekt sei „aus dem letzten Jahrtausend, dieser Irrsinn muss gestoppt“ werden. Sie hoffe auf die Wahl im September, wie berichtet, haben sich Grüne und Linkspartei für ein Ende des Projekts ausgesprochen. Katalin Gennburg, Stadtentwicklungspolitikerin der Linken, sagte auf der Baustelle, dass der Rückbau der A100 nach der Abgeordnetenhauswahl im September politisch durchgesetzt werden müsse. „Hier könnten 8000 Wohnungen gebaut werden“, sagte die Treptower Abgeordnete. (mit dpa)

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