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Bauarbeiter bringen auf der Baustelle der Erweiterung der A100 im Bezirk Neukölln den Untergrund für die Fahrbahnen auf. Die A100 wird in Richtung Friedrichshain ausgebaut, um den Berliner Osten besser an die Stadtautobahn anzubinden.
© Wolfgang Kumm/dpa

Streit um Weiterbau der A100: Ein Stück Berliner Stadtautobahn als Symbol gescheiterter Planung

Berliner:innen demonstrieren an diesem Wochenende gegen den Ausbau der A100. Es geht um ein teures Projekt, das die Stadt nicht voranbringt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Latz

Am Samstag waren sie wieder unterwegs: Mit einer Fahrraddemonstration protestierte ein Bündnis von Umwelt- und Klimaschützern gegen den Weiterbau der Berliner Stadtautobahn A100, andere blockieren die Baustelle der Strecke.

Auch am Sonntag werden bei der Sternfahrt des Fahrradklubs ADFC Tausende Radfahrer:innen über den Asphalt der Fernstraße rollen, auf dem sich sonst täglich Kolonnen von Autos drängen. Sie setzen sich für eine schnellere Verkehrswende ein, ein neues Stück Autobahn zählen sie dazu nicht. Zu Recht.

Die Debatte um das Megaprojekt im Osten des Zentrums ist längst im Wahlkampf angekommen. Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach zwischenzeitlich vom „Rückbau“ des 16. Bauabschnittes, der derzeit von Neukölln zum Treptower Park gebaut wird. Die Landesvorsitzende der Linken, Katina Schubert, forderte den sofortigen Baustopp und eine Vollendung als Stadtstraße mit Radschnellweg.

Den 17. Bauabschnitt zur Storkower Straße wollen Linke und Grüne zu den Akten legen. An dem hängt auch die SPD nicht mehr so fest wie einst. Die in der Frage gespaltenen Sozialdemokrat:innen wollen die Berliner:innen befragen, ob ein weiteres Stück Autobahn kommen soll. CDU, FDP und AfD hingegen stehen weiter klar zum Ausbau. Wie also geht es mit der Stadtautobahn weiter – und was wäre sinnvoll?

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Die Entscheidung über den 17. Bauabschnitt fällt höchstwahrscheinlich im Herbst mit den Wahlen in Berlin und im Bund. Danach wird der Abschnitt wohl endgültig beerdigt. Dafür spricht vor allem, dass die Grünen in der einen oder anderen Konstellation im Bund mitregieren dürften. Eine neue Autobahn in der Hauptstadt wird die Partei mit allen Mitteln verhindern wollen.

Stärker aus der Zeit gefallen kann ein Projekt kaum sein

Tatsächlich ist alles andere schwer vorstellbar. Während allerorten über Klimawandel und Verkehrswende gesprochen wird, soll direkt am Berliner Stadtzentrum ein solcher Betonkoloss entstehen? Stärker aus der Zeit gefallen kann ein Projekt kaum sein. Wenn der Bau Ende der 2030er Jahre fertig würde, könnte sich wohl niemand mehr erklären, wie die Idee je entstehen konnte.

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Schon heute drängt sich diese Frage auf. Künftig sollen deutlich weniger Autos durch Berlin fahren. Ein Ausbau der A100 jedoch würde genau das Gegenteil bewirken. Denn wie immer in der Verkehrsplanung gilt: Angebot schafft Nachfrage.

Ein Radweg auf der Autobahn? So einfach ist es nicht

Bleibt die Frage wie mit dem aktuellen, 16. Bauabschnitt verfahren werden soll. Der Umbau zu einer Stadtstraße samt Radweg, den Grüne und Linke fordern, mag bei deren Wähler:innen gut ankommen. Realistisch ist die Forderung nicht.

Der bis zu 700 Millionen Euro teure Bau ist als Autobahn planfestgestellt. Der Bund wird diesen Beschluss nicht wieder aufheben, denn das zöge ein immenses Verwaltungsverfahren und große rechtliche Probleme nach sich. Und ein Radweg auf der Autobahn wäre auch rein praktisch und planerisch alles andere als einfach zu bewerkstelligen.

Gleichwohl kann der Abschnitt zwischen Neukölln und Treptow nicht wie einst geplant genutzt werden, wenn er Ende 2024 fertiggestellt wird. Die Kapazität der Strecke wird verringert werden müssen. Sonst träfen zu viele Fahrzeuge an der Abfahrt rund um den Treptower Park auf Stadtstraßen, die dafür nicht ausgelegt sind.

[Mehr über den Streit um die A100 lesen Abonnenten von T+ hier: Schneise der Verwünschung – darum geht es beim Kampf um die Berliner Stadtautobahn]

Der Verkehr würde kollabieren, zumal die nahe Elsenbrücke noch lange eine Großbaustelle sein wird. Die Straßen für mehr Autoverkehr tauglich zu machen kann nicht mehr das Ziel sein.

Also dürfen nicht so viele Fahrzeuge die Autobahn in Richtung Treptow verlassen. Möglich wäre das durch eine Reduzierung der Fahrstreifen. Daneben wird es andere Lösungen wie Pförtnerampeln an der Abfahrt geben müssen. Sie entlassen nur so viele Autos ins Stadtstraßennetz, wie dieses verträgt. So haben es auch zwei ehemalige Abteilungsleiter der Verkehrsverwaltung vorgeschlagen.

Die Folge ist abzusehen: Der Autobahnabschnitt würde zur Dauerstaustelle. Er stände symbolisch für ein teures Projekt, das die Stadt nicht voranbringt.

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