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An die Hotline sollen sich Angehörige, Freunde, Bekannte oder Lehrer wenden können, wenn sich in ihrem Umfeld jemand womöglich radikalisiert.
© picture alliance/dpa

Berlins Polizeipräsidentin Slowik: Hotline zu Rechtsextremen vorgeschlagen

Als Präventivmaßnahme: Berlins Polizeipräsidentin hat ein Beratungstelefon zu Rechtsextremen vorgeschlagen. Für Islamismus gibt es ein solches schon seit 2012.

Im rechten Spektrum wächst aus Sicht von Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik die Gefahr einer Radikalisierung im Verborgenen, etwa über das Internet. „Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass wir auch potenzielle Täter haben können, die nicht auf dem Radar der Sicherheitsbehörden sind, die unter Umständen auch nicht erkennbar sind - weder für Verfassungsschutz noch für Polizei“, sagte Slowik der Deutschen Presse-Agentur. „Ich meine, dass auch gerade im Bereich Rechts die Gefahr der Radikalisierung im Stillen wächst.“

Ihre Einschätzung gelte unabhängig vom Täter in Halle, bei dem noch unklar ist, ob er nicht möglicherweise Verbindungen zu Netzwerken unterhielt, so Slowik. Sie plädiert für die Einrichtung eines Beratungstelefons für den rechtsextremistischen Bereich. Dorthin sollen sich Angehörige, Freunde, Bekannte oder Lehrer wenden können, wenn sich in ihrem Umfeld jemand womöglich radikalisiert. Slowik erläuterte, dort solle man Fragen stellen können, kompetente Ansprechpersonen finden - gleichzeitig könne die Polizei gegebenenfalls Erkenntnisse erlangen.

Es gehe um „Täterpersönlichkeiten, die sozial nicht integriert sind, die eventuell auch gescheitert sind nach üblichen Maßstäben der Gesellschaft“. Kontakte pflegten sie eigentlich nur über das Internet, wenn überhaupt. „Das ist ein Phänomen, was im Islamismus auch nicht ganz unbekannt war und ist“, so die Behördenchefin.

Für Fragen zur islamistischen Radikalisierung gibt es ein Beratungstelefon wie das nun von Slowik vorgeschlagene seit 2012. Angesiedelt ist es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Bei der sogenannten Beratungsstelle Radikalisierung gingen nach Bamf-Angaben bisher knapp 4420 Anrufe ein, rund 2700 Fälle seien insgesamt in deren Netzwerk bearbeitet worden.

Barbara Slowik, Berlins Polizeipräsidentin, spricht bei der Senatspressekonferenz.
Barbara Slowik, Berlins Polizeipräsidentin, spricht bei der Senatspressekonferenz.
© Christophe Gateau/dpa

Ein solches Angebot für den rechtsextremistischen Bereich solle ausdrücklich kein „Denunziantentelefon“ sein, betonte Slowik. „Aber diese Beratungsstelle muss auch die Kompetenz haben, sofort zu entscheiden, ob ein Fall sicherheitsbehördliche Relevanz hat.“ Anrufer würden natürlich darüber informiert, dass Gesprächsinhalte gegebenenfalls weitergegeben werden.

Hinter einer solchen Hotline sei ein Netzwerk nötig, etwa mit Ansprechpartnern aus Nichtregierungsorganisationen im Bereich Rechtsextremismus, die beratend tätig werden. Es dürfe aber keine polizeiliche Stelle sein - die Hemmung, mit Sicherheitsbehörden in Kontakt zu treten, sei einfach zu hoch. Eine Vorstellung zur Anbindung einer solchen Stelle habe sie, so Slowik, öffentlich äußern wolle sie dies aber nicht ohne Rücksprache mit denkbaren Beteiligten.

Polizei habe Rechtsextremismus nicht vernachlässigt

Generell glaube sie nicht, dass die Polizei den Rechtsextremismus vernachlässigt habe, betonte Slowik. Aber gerade nach dem Anschlag am Breitscheidplatz sei natürlich auch Berlin gefordert gewesen, Kapazitäten in Islamismus-Bekämpfung zu stecken. „Der Gefahr, dass sich jemand im Verborgenen radikalisiert und womöglich mit einer schweren Gewalttat nach draußen geht, werden wir auch mit personeller Verstärkung nicht beikommen.“

Die Berliner Polizei habe schon vor dem Anschlag in Halle „einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung rechtsmotivierter Straftaten gelegt und auf unterschiedlichen Ebenen gehandelt“, so Slowik. Sie verwies unter anderem auf eine behördenweite Gesamtstrategie zu dem Thema, die kürzlich eingerichtete Stelle eines Antisemitismusbeauftragten und den verstärkten Austausch mit dem Verfassungsschutz im Rahmen eines gemeinsamen Informations- und Bewertungszentrums.

Auch personell habe sich die Polizei zum 1. Oktober bei der Bekämpfung rechtsmotivierter Straftaten gestärkt, hieß es. Der entsprechende Bereich im Landeskriminalamt sei um mehr als zehn Kollegen auf nun gut hundert Kräfte aufgestockt worden.

Eine langjährige Serie von Brandanschlägen und Bedrohungen in Neukölln, hinter denen Rechtsextremisten vermutet werden, ist jedoch weiter unaufgeklärt. Slowik hatte schon früher Vorwürfe zurückgewiesen, die Polizei unternehme zu wenig gegen die Täter.

Ein schwer bewaffneter Mann hatte am vergangenen Mittwoch versucht, in die Synagoge von Halle einzudringen. Dort begingen mehr als 50 Gläubige den Feiertag Jom Kippur. Als das misslang, erschoss er eine Passantin sowie einen Mann in einem Dönerladen. Ein 27-jähriger Deutscher hat die Tat gestanden und sitzt in Untersuchungshaft. Er gab antisemitische und rechtsextreme Motive an. Zuvor war er nicht mit anderen kriminellen Handlungen aufgefallen. (dpa)

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