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Das einstige Intendantenbüro ist noch immer geschmückt mit einem Bild Erich Honeckers.
© Thilo Rückeis

Berlin-Oberschöneweide: Hollywood und Honecker zieht's in die Nalepastraße

Das Funkhaus in der Nalepastraße hat einen neuen Eigentümer. Er will es zum Zentrum für Musikproduktion entwickeln - und ist kein Unbekannter: Ihm gehört auch der Postbahnhof und der Wasserturm am Ostkreuz.

„Können wir etwas schneller gehen?“ Die Journalistin von der „Casa Vogue“ liegt 50 Meter hinten, einer der Fotografen ist komplett abgehängt. Mit Uwe Fabich sein neues Reich zu erforschen, gleicht einem Wettrennen. Er will noch das Intendantenbüro im fünften Stock zeigen, mit den Honecker-Portraits und der Original DDR-Funkhaus-Telefonanlage. Erinnert stark an Mielkes altes Chefzimmer im Stasi-Museum.

Seit dem 1. Mai ist Uwe Fabich hier der Eigentümer. Er ist Ex-Banker und weithin unbekannter Locationscout in eigener Sache. Er hat den Postbahnhof gekauft und ausgebaut, die Erdmann-Höfe in Kreuzberg, den Wasserturm am Ostkreuz und nun – mit Abstand der größte Brocken – das Funkhaus Nalepastraße in Oberschöneweide. Zwölf Millionen Euro soll er dafür bezahlt haben. Fabich bestätigt die Summe nur indirekt. „Zwölf Millionen ist nicht viel für das Gelände.“

Keine Fotos, bitte

Fabich möchte unerkannt bleiben: Keine Fotos bitte. Er sei kein Typ für die große Bühne. Kurz vor der Verabredung sitzt er im Büro, den Laptop auf dem Schoß, die Beine auf dem Schreibtisch. Fabich, 41, trägt Bart, Jeans und Turnschuhe. Kein Hipster, aber extrem neugierig und ungeduldig, fast kindlich begeistert von Architektur und Kunst.

Die Nalepastraße ist schon mehrfach verkauft worden, doch die Eigentümer konnten mit der Immobilie nie viel anfangen. Außer, sie mit Gewinn zu verkaufen. Fabich will nicht spekulieren, aber Spaß haben mit dem, was ihn fasziniert. Und Erfolg. Das Funkhaus soll sich zu einer bekannten Adresse für Musikproduktion entwickeln. Mit großen Namen, wenn es geht. Er habe Native Instruments angesprochen, die weltweit erfolgreiche Firma für digitale Instrumente. Und den Online-Musikdienst Soundcloud. Die New York University wolle hier einen Studiengang für Musikmanagement einrichten. Die Musiker und Künstler, die im Funkhaus Ateliers und „Probenräume mit Wasserblick“ gemietet haben, fürchten jetzt, dass sie verdrängt werden.

Fabich will sein Juwel zeigen, den großen Sendesaal, komplett holzverkleidet, mit den alten Klappsitzen und der großen Orgel. Hier werden regelmäßig Klassikaufnahmen gemacht. Daniel Barenboim kommt mit der Staatskapelle, zuletzt war der Rundfunkchor Berlin aktiv. Klassik ist nicht seine Musik, deshalb möchte Fabich den Saal auch für andere Konzerte nutzen. Was genau, weiß er noch nicht. Er hat keinen Masterplan, kein fertiges Konzept für das Gelände, vertraut lieber seinem Gespür. Nach sieben Wochen hat er schon dasDach der großen Fabrikhalle neben dem Hauptgebäude reparieren lassen und den Kfz-Werkstätten gekündigt. Hier sollen „Events“ stattfinden, Märkte, Konzerte, sowas, mal sehen. Auf dem Grünstreifen am Spreeufer wird gebuddelt, Breitband-Kabel für schnelles Internet sollen verlegt werden. Die Straßenlaterne, ehemals im DDR-Standardlook, hat schon den „Originalschirm aus der Stalinallee“ erhalten, wie Fabich sagt. 30 dieser Laternen hat er zufällig entdeckt und gleich gekauft. So geht es ihm ständig. Wenn er was Tolles sieht, muss er es unbedingt haben.

Im Foyer wird gedreht - sorry, alles geheim

Im Foyer des Sendesaals laufen gerade Filmarbeiten, eine Hollywood-Produktion, streng geheim natürlich. „Wo habt ihr die Möbel her?“ Fabich findet sie super. Im Folgenden entspannt sich ein Disput, was original ist und zum Funkhaus gehört und was von den Tischlern der Babelsberger Studios nachgebaut wurde. Fabich ruft einen Mitarbeiter an und gibt Order, in Babelsberg anzuklopfen. „Wenn die nachgebaut sind, kauf’ die bitte ab.“

Das Boot, mit dem die Queen auf der Spree schipperte, möchte Fabich auch kaufen. Er will einen Shuttleservice einrichten, von der Elsen- oder der Oberbaumbrücke. Damit die Leute nicht über das Industriegebiet an der Rummelsburger Bucht zum Funkhaus fahren müssen. Das könnte auf die Stimmung drücken. Das Boot ist nicht zu haben. Egal. „Am Wochenende bin ich in Amsterdam, da werd’ ich mich umschauen.“

Fabich fliegt ständig durch die Welt. Im Winter lebt er in Rio de Janeiro, im Sommer in London, New York oder Berlin. Er kann es sich leisten. Das Geld für die Immobilien hat er „mit privaten Investments“ verdient und als Mitarbeiter der Deutschen Bank. Er habe einfach Glück gehabt, sagt er. Das fing schon früh an. Als er acht Jahre war, konnten seine Eltern aus Rumänien nach West-Deutschland ausreisen. Dafür habe die Bundesregierung dem Ceausescu-Regime pro Person 8000 Mark bezahlt. Später studierte er Management, Ökonomie und Mathematik in Melbourne und New York

Aber eigentlich möchte Fabich unbekannt bleiben. Also weiter. Er zeigt den abgerundeten Laubengang im alten Sendegebäude, da möchte er Ausstellungen machen. Die alten Holzfenster reichen fast bis auf den Boden. Wie gemacht für Inszenierungen. Für den Bau hatte die junge DDR keine Kosten und Mühen gescheut. Marmor auf der Treppe, edle Hölzer für die Wandverkleidungen, überall Parkett. Es war Aufbruchstimmung im sozialistischen Lager, die Euphorie der 50er Jahre, die auch in der Stalinallee ihren Ausdruck fand.

Die oberste Etage des Hauptgebäudes will Fabich komplett entkernen, einen durchgehenden Raum schaffen, wie im Postbahnhof. Coworking-Space ist der Trendbegriff. Die Bauarbeiten laufen schon. Das bislang fernab der stadtkulturellen Trampelpfade gelegene Funkhaus soll ein kultiger Ort werden, zum Arbeiten und Ausgehen. Am ersten Juli-Wochenende finden die „Open Studios“ statt, eine Art Tag der offenen Tür auf dem Gelände. Und ein erster Testlauf für Fabich.

Gegenüber, am anderen Spreeufer, liegt der alte Spreepark im Dornröschenschlaf. Doch auch hier beginnt sich wieder Kultur zu regen. Theatermacher drängen im Sommer aufs Gelände. Fabich fände es gut, wenn die BVG ihre Fähre F 11, die weiter südlich verkehrt, künftig zwischen Funkhaus und Spreepark pendeln ließe. Könnte eine Win-win-Sache werden, wenn die Südostausdehnung der Kulturszene nach Oberschöneweide und Treptow wirklich funktioniert.

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