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Vermessen. Die Zimmerdecke ist 20 Zentimeter zu niedrig.
© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Auf die Deckenhöhe kommt's an: Hilfe für Flüchtlinge? 20 Zentimeter hätten's fast verhindert

Ein Ex-Lehrer will Geflüchteten in Berlin eine Wohnung zur Verfügung stellen. Doch ganz so einfach ist das nicht. Eine Paragraphen-Posse.

Eines der beiden Fensterbretter ist belegt. Zwei handgroße, kalkweiße Muscheln liegen neben einem Spielzeug-Oldtimer. Ein halber Meter weiter steht ein Fernseher, auf einem Podest thront ein Leuchter mit sieben Kerzen, es gibt ein weißes Sofa, einen Schreibtisch mit Glasplatte und eine Schiebetür. Die führt zum Schlafzimmer mit dem riesigen Bild blutroter Mohnblätter an der Wand. Neben dem Sofa steht Bernd Gasser, zeigt aufs Sofa, zeigt aufs Bett, und ist stolz.

„Hier“, sagt er, „könnten Flüchtlinge wohnen.“ Seine Kinder brauchen die Räume nicht mehr. Die anderen Räume im Keller seines Hauses in Tegel würde er zu Küche, Bad und Toilette ausbauen, auf eigene Kosten. Der 64-jährige Ex-Lehrer will nur helfen.

Bald werden dort auch Flüchtlinge wohnen, das steht jetzt fest. Aber fast wäre Gasser mit seinem Plan gescheitert. Unter anderem an 20 Zentimeter Raumhöhe. Das Wohnzimmer im Keller ist nur 2,30 Meter hoch – vorgeschrieben sind bei Wohnflächen aber 2,50 Meter.

Ein Mann, der helfen will, verheddert sich in den Tiefen der Bauordnung, das ist die Geschichte des Bernd Gasser.

2,30 Meter Deckenhöhe sind dem Bauamt nicht genug

Im Haus des Ehepaars Gasser herrscht immer noch reges Leben, die Nachbarn kommen, Freunde, die Kinder. Flüchtlinge können sich hier schnell integrieren, dachten die Gassers. Also schrieb Bernd Gasser am 7. November der zuständigen Bau- und Wohnungsaufsicht Reinickendorf in einer Mail, dass er eine Souterrainwohnung („3 Kellerräume, ca. 60 qm“) anbieten wolle. Küche und Bad würde er einbauen lassen. Und weil er durch die Bauordnung das Problem der 2,30 Meter Deckenhöhe kannte, fragte er: „Wie kommen wir da zu einem positiven Ende?“ Auf Wunsch des Bauamts lieferte er dann noch Bilder der Wohnung.

Das Ende seiner Bemühungen war allerdings erst mal negativ. Das Bauamt teilte telefonisch mit, dass eine Genehmigung der Räume als Wohnung nicht gestattet werden könne. Denn in den Bauplänen stehe nichts von einer Souterrainwohnung, laut Unterlagen besitze Gasser lediglich Kellerräume. Aber wo Menschen wohnen dürfen, müsse die Deckenhöhe 2,50 Meter sein. Außerdem verfügten Kellerräume nicht über genügend Tageslicht. Auf den Bildern war allerdings klar zu sehen, dass zwei Fenster eingebaut waren, dass Tageslicht einfällt, dass von Kellernutzung keine Rede sei kann.

Aber Bilder genügten dem Bauamt nicht. „Ich weiß ja nicht, wie es hinter dem Fotografen aussieht“, sagt Martin Lambert, der Baustadtrat von Reinickendorf. Und überhaupt gehe das Amt offiziell davon aus, dass es sich unverändert um Kellerräume handele. „Wenn Herr Gasser eine Wohnung daraus machen möchte, muss er das genehmigen lassen. Ich kann ja nicht die Bauordnung aushebeln, nur weil es um Flüchtlinge geht.“

Korrekte Schriftsätze haben Priorität - auch bei Flüchtlingen

Und so ein Antrag muss auch formgerecht eingereicht werden. „Eine Mail reicht in Deutschland nicht“, sagt Lambert. In seinem Amt gebe es gute Möglichkeiten, so einen Antrag zu stellen. Bernd Gasser freilich dachte vor allem an das Leid der Flüchtlinge, weniger an korrekte Schriftsätze. Doch da bleibt Lambert hart. „Wir wollen ja auch Flüchtlingen helfen, aber wir können so etwas trotzdem nicht einfach grundsätzlich genehmigen.“ Detaillierte Angaben benötige sein Amt schon. „Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber Nachbarn. Die können auch nicht machen, was sie wollen.“

Allerdings hatte inzwischen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen, oberste Bauaufsicht in Berlin, Wind von der Geschichte bekommen. Ein Mitarbeiter begutachtete die Räume und konstatierte, dass man dort wohnen könne. „Und an fehlenden 20 Zentimetern sollte es nicht scheitern“, sagt der Sprecher der Bauverwaltung, Martin Pallgen. „Es ist die politische Prämisse, dass man Flüchtlingen hilft.“

Deshalb erhielt Gasser am Mittwoch eine Nachricht aus der Stadtentwicklungsverwaltung. Er solle formgerecht beim Bauamt einen Antrag auf Wohnungsnutzung stellen. „Wir befürworten eine solche Nutzung“, sagt Pallgen. Unter einer Voraussetzung: „Es muss sich um eine befristete Nutzung speziell für Flüchtlinge handeln.“ Damit könne er leben, sagt Lambert. Und der Antrag, der „kann in Wochenfrist genehmigt werden“.

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