Elon Musk in Berlin: Hier rollt der Tesla-Chef zum Besuch in der Gigafactory ein
Der Produktionsstart im Juli 2021 ist geplatzt. Um die Gigafactory in Grünheide häufen sich Probleme. Jetzt ist Tesla-Chef Elon Musk überraschend eingeflogen.
Es ist Montag um kurz vor halb zwölf, als ein Fotograf eher zufällig auf den Auslöser drückt. Ein weißer kleiner Tesla kommt von der Autobahnabfahrt Freienbrink in Richtung Gigafactory gerollt. Fast hätte man ihn übersehen: Auf dem Beifahrersitz sitzt einer der reichsten Männer der Erde. Das Auto fährt am Haupteingang der Gigafactory vorbei und verschwindet in einem Nebeneingang des Werkes.
Seit dem Morgen hatten neben Kamerateams und Journalisten auch zwei Schüler ausgeharrt, um ihr Idol zu sehen. Silas Heineken und Moritz Tezky aus Grünheide, beide 14 Jahre alt. Er bewundere Musk, sagt Heineken. Er sei ein Visionär, einer der wenigen Menschen, die die Menschen wirklich verändern. Aus Brettern haben sie provisorischen Transparente gemalt, „We are skipping school for you“ und „We love the mission“.
Es soll ein reiner Arbeitsbesuch sein – eher unwahrscheinlich, dass Musk sich Zeit für Journalisten nimmt. Wenn es irgendwo brennt, fliegt der Tesla-Boss eben persönlich ein: Und auf der Baustelle der neuen Europa-Gigafactory des US-Elektroautobauers in Deutschland im brandenburgischen Grünheide, wo gerade der Produktionsstart von Juli auf Herbst/Ende 2021 verschoben werden musste, häufen sich die Probleme.
Dass Elon Musk nach längerer Abwesenheit am Sonntagabend nach einem Zwischenstopp in London überraschend auf dem BER-Airport eingetroffen ist, passt dazu - und sorgt prompt für Spekulationen über seinen Berlin-Trip. Tesla-Freaks filmten den Landeanflug seines Privatjets.
Minister Steinbach: Keine politischen Termine mit Musk geplant
Via Twitter bestätigte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) in der Nacht, dass Musk in Kürze die Baustelle der Gigafactory besuchen wird, was ihm Tesla am 14. Mai bestätigt habe. „Da der Zweck des Besuchs hauptsächlich technischer Natur ist“, so Steinbach, seien „keine politischen Treffen mit Ministerpräsident Dietmar Woidke“ oder ihm geplant.
Das war der Stand Sonntagnacht. Das kann sich ändern. Gerade bei Musk, der immer für Überraschungen gut ist.
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Es ist eine Weile her, dass der Tesla-Chef im November 2020 das letzte Mal einflog. Damals war der Anlass für Musk, Bewerbungsgespräche zu führen, persönlich Chefingenieure für die vierte Gigafactory des Konzerns in der Welt anzuheuern und sich mit Brandenburgs Wirtschaftsminister im Baucontainer in Grünheide bei Döner und Six-Pack die Karten über den weiteren Fahrplan zu legen. Doch der lief seitdem eher aus dem Ruder, jedenfalls konträr zur üblichen Geschwindigkeit des Tesla-Konzerns, der in der Zwischenzeit 2021 in einem deutschlandweit verbreiteten Brandbrief die Genehmigungsbürokratie in Deutschland beklagte, nachdem Musk bei einem Besuch im September 2020 noch geschwärmt hatte: "Deutschland rocks!"
Warum Musk gerade jetzt nach Grünheide kommt? Klar ist, die Gigafactory ist in einer kritischen Phase. Die Konkurrenz der klassischen Autoindustrie auch in Deutschland holt bei der E-Mobilität auf, der Zeitplan in Grünheide ist Makulatur. Musk ist bekannt dafür, dass er mit seinem Nimbus in seinem Unternehmen, das sich auf „Mission“ Energiewende sieht, Energien freisetzen kann, scheinbar Unmögliches doch noch zu schaffen. Die Mannschaft brauche einen Motivationsschub, heißt es.
Die Großbaustelle in Grünheide ist geprägt von vielen Einzelbaustellen, allesamt mit Risiken für das Projekt, in das Tesla über vier Milliarden US-Dollar investieren will. Wo in der ersten Ausbaustufe jährlich 500.000 E-Autos einer erneuerten Y-Modellreihe - also etwa alle Minute ein Fahrzeug - vom Band rollen und rund 12.000 Jobs entstehen sollen.
Zwar ist die Autofabrik sehr weit. Aktuell ist gerade ein Hubschrauber für Montagearbeiten in der Gigafactory im Einsatz, um Schornsteine auf der Lackiererei der mittlerweile fast fertigen Autofabrik zu installieren, wie lokale Beobachter in Drohnenvideos dokumentiert haben.
Die Vorabgenehmigung dafür, die mittlerweile 14. für die Fabrik, hatte Brandenburgs Landesumweltamt am 12. Mai erteilt, schon zwei Tage später kreisten die Rotoren. Die Genehmigung, die dieser Zeitung vorliegt, enthält Auflagen, wegen des Trinkwasserschutzgebietes, aber auch zum Lärm- und Naturschutz. So ist der Helikopter verpflichtet, zu einem Mäusebussard-Horst einen "Mindestabstand von 500 m und eine Überflughöhe von mindestens 450 m einzuhalten."
Bemerkenswert ist auch, dass nach der Genehmigung André Thierig - er hat Unterlagen unterzeichnet - als Chef der Gigafactory in Grünheide fungiert. Sein Vorgänger war von Musk gefeuert worden. Es hatte Spekulationen gegeben, wer eigentlich Bauleiter ist. Beteiligte Firmen halten das Management auf der Baustelle für "verbesserungswürdig".
Hauptgenehmigung? Kein Termin in Sicht
Gravierender ist, dass das entscheidende umweltrechtliche Genehmigungsverfahren immer noch läuft. Die Hauptgenehmigung für Giga Berlin steht immer noch aus. Da die Fabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet und nahe von Naturschutzgebieten errichtet wird, laufen Umweltverbände und Bürgerinitiativen Sturm, bereiten Klagen vor.
Und die Antragsunterlagen werden demnächst zum dritten Mal neu ausgelegt, da Tesla das Projekt erneut gravierend verändert hat: Der Antrag soll um die von Elon Musk am Standort in Grünheide angekündigte Batteriezellenfertigung erweitert werden, damit in Grünheide nach den Tesla-Plänen die E-Autos aus einem Guss samt vor Ort gefertigter Batterien gebaut werden können. Damit verzögert sich die Hauptgenehmigung, mindestens um drei Monate. Und bislang ist von Tesla der Antrag für die Batteriefertigung noch nicht einmal eingereicht.
Steinbach schloss deshalb im Wirtschaftsausschuss des Landtages letzte Woche nicht aus, dass Tesla weitere Anträge stellen wird, um mit weiteren Voraberlaubnissen auf eigenes Risiko weiter arbeiten zu können. Sollte wider Erwarten die Hauptgenehmigung nicht erteilt werden, müsste der US-Konzern das 300-Hektar Areal nahe dem Berliner Ring auf eigene Kosten wieder in den Ursprungszustand versetzen, was kaum noch möglich ist.
Zuletzt hatte es nach einem Bericht von „Business Insider“ und des ZDF-Magazins „Frontal 21“ Schlagzeilen um angebliche Arbeitsschutz-Missstände auf der Baustelle gegeben. Doch nach intensiven Ermittlungen der Arbeitsschutzbehörden des Landes und des für die Bekämpfung von Schwarzarbeit im Osten Brandenburgs zuständigen Hauptzollamtes Frankfurt/Oder haben sich die Vorwürfe von Dumpinglöhnen unterhalb des deutschen Mindestlohns, überlangen, rechtswidrigen Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden täglich und unwürdigen, nicht Corona-gemäßen Unterbringungen in einem Mostel in Mittenwalde, nicht bestätigt.
Zuletzt habe es eine gemeinsame Kontrolle von Arbeitssicherheit und Zoll am 6. Mai auf der Baustelle gegeben, sagte der Referatsleiter Arbeitssicherheit, Ernst-Friedrich Pernack, letzte Woche im Wirtschaftsausschuss des Brandenburger Landtages. „Wir haben keine systemischen Verstöße festgestellt.“ Es gebe nicht mehr Vorfälle als auf vergleichbaren Großbaustellen. Pernack sagte, sollte es Missstände bei Arbeitszeiten oder Mindestlohn geben, sollten sich betroffene Arbeiter, auch anonym, an die Behörde wenden. „Ich rufe dazu auf“, sagt er.
Trotz Kritik – Brandenburg hat an Musks Vorgehen nichts auszusetzen
Konkret war in dem Medien-Bericht unter Berufung auf osteuropäische Arbeitnehmer die Unterbringung von osteuropäischen Arbeitern in einem Mostel in Mittenwalde gerügt worden. Die Rede war davon, dass drei Arbeiter beengt in einem Zimmer hausen müssten. Nach den Überprüfungen der Behörden trifft das nicht zu. Die Bedingungen in dem Mostel seien nicht zu beanstanden, sagte Pernack.
Das deckt sich mit der Auskunft des Landkreises Dahme-Spreewald, wo der Amtsarzt kurzfristig und unangemeldet das Hostel inspiziert hatte und keine Missstände feststellte. „Bei dem unangemeldeten Besuch konnten sich die Mitarbeiter der Behörde im Gebäude und auf dem Gelände frei bewegen“, erklärte der Kreis auf Anfrage dieser Zeitung. „Die Bewohner sind in maximal 2 Bettzimmer untergebracht. Vor Ort waren die Räume insgesamt, sowie Küchen und Sanitärräume insbesondere, adäquat sauber.“
Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach hat jedenfalls am grundsätzlichen Vorgehen von Tesla nichts auszusetzen, die Planungen für die Gigafactory parallel zum Genehmigungsverfahren zu verfeinern, zu verbessern, im Gegenteil. „Es wäre schön, wenn deutsche Unternehmen die gleiche Risikobereitschaft wie Tesla hätten“, sagte Steinbach jüngst Wirtschaftsausschuss des Landtages. „Ich ermuntere Unternehmen, dem Beispiel von Tesla zu folgen und Projekte in dieser Art durchzuführen.“ Das dürfte Elon Musk gefallen.
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