zum Hauptinhalt
Grünheide: Hier entsteht die Tesla-Gigafactory
© Patrick Pleul/dpa

Tesla im Visier: Behörden prüfen Ausbeutungs-Vorwürfe von Arbeitern in Grünheide

Brandenburgs Behörden prüfen Vorwürfe von Dumpinglöhnen und überlangen Dienstzeiten gegen Tesla. Erhoben wurden sie von Arbeitern aus Osteuropa. Auch von unwürdigen Unterkünften ist die Rede.

Brandenburgs größte Baustelle in Grünheide, wo der Tesla-Konzern seine Gigafactory für den europäischen Markt errichtet, ist ins Visier der Arbeitsschutz- und Zollbehörden geraten: Das dem Gesundheitsministerium unterstehende Landesamt für Arbeitsschutz und das für den gesamten Westteil des Landes zuständige Hauptzollamt Frankfurt (Oder) gehen dem Verdacht nach, dass osteuropäischen Arbeitern auf der Baustelle Dumpinglöhne – ein Gehalt unterhalb des deutschen Mindestlohns – gezahlt wurden.

Außerdem wird untersucht, ob die Menschen überlange Arbeitszeiten leisten mussten – jenseits des gesetzlich Zulässigen. Auch die Unterbringung soll schlecht gewesen sein. Die Vorwürfe hat das Portal Business Insider unter Berufung auf Arbeiter aus Osteuropa erhoben, die auf dem Areal tätig sind. Danach werden dort Stundenlöhne von 8,70 bis zehn Euro gezahlt – statt des Mindestlohns von 12,80 Euro.

Den Behörden liegen allerdings nach bisherigen Überprüfungen keine Hinweise zu überlangen Arbeitszeiten und unwürdigen Unterkünften vor, erklärten das für Arbeitsschutz zuständige Gesundheitsministerium (MSGIV) und das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Minister Jörg Steinbach (SPD) stellte klar, dass die Lohn- und Arbeitsschutzregeln in Deutschland für alle Unternehmen gelten, also auch für Tesla: „Wir haben daher das zuständige Ministerium umgehend nach Bekanntwerden der Vorwürfe um Prüfung gebeten. Dem zuständigen Landesamt liegen bis dato keine Hinweise vor“, erklärte Steinbach.

„Ich bin mir mit dem MSGIV einig, dass weder Verstöße gegen gesetzliche Arbeitszeitbestimmungen noch Lohndumping akzeptabel sind und wir selbstverständlich alles tun, das zu verhindern“, sagte der Minister. „Ich setze darauf, dass die zuständigen Vollzugsbehörden den Vorwürfen weiter nachgehen.“ Die Landesregierung wolle in der Brandenburger Wirtschaft „so umfassend wie möglich das Prinzip der Guten Arbeit umsetzen“ und unterstütze in verschiedenen Branchen entsprechende Maßnahmen.

Das Landesamt für Arbeitsschutz, das dem von Ursula Nonnemacher (Grüne) geführten Gesundheitsministerium untersteht, überprüft die Baustelle regelmäßig. Auch hier habe es keine Hinweise zu überlangen Arbeitszeiten und unwürdigen Unterkunftsbedingungen gegeben, sagte Ministeriumssprecher Gabriel Hesse. Nach dem Medienbericht seien umgehend „Ermittlungen“ aufgenommen worden. Die Großbaustelle wird laut Hesse regelmäßig von Aufsichtsbeamtinnen und Aufsichtsbeamten der Abteilung Arbeitsschutz inspiziert.

[Was ist los in Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

Derzeit finden laut Wirtschaftsministerium „mindestens ein Mal pro Woche“ Besichtigungen statt. Die werden mit dem Bauherren Tesla, eingesetzten Koordinatoren für Sicherheit und Gesundheitsschutz und Vertretern der bauausführenden Betriebe ausgewertet, sagte Hesse. 2021 seien bisher 17 Besichtigungen durchgeführt (Stand: 29. April) worden, 48 Verstöße wurden festgestellt. Es seien überwiegend „Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften“ gewesen „für die die Verantwortung bei den bauausführenden Betrieben lag.“ Also nicht bei Tesla. Es ging vor allem um „Probleme mit der Absturzsicherung, beim Anschlagen von Lasten und beim Verbau von Gräben oder Gruben“, sagte Hesse.

Durch Anordnungen und Nachkontrollen seien „die Anlage sicherer Verkehrswege, die Abstellung von Mängeln bei der Sicherung absturzgefährdeter Bereiche, die Sicherstellung angemessener Sanitäreinrichtungen, die sachgerechte Sicherung von Baugruben, die Vermeidung der Ausbreitung von gesundheitsgefährlichen Stäuben oder die sachgerechte Ausrüstung mit persönlicher Schutzausrüstung“ erreicht worden. Man habe außerdem bisher zwei Arbeitsunfälle untersucht. Das Unfallaufkommen sei damit „erheblich geringer“, als es für eine Baustelle dieser Größe zu erwarten sei, sagte Hesse.

Alle Mängel seien beseitigt worden

Alle Mängel seien umgehend beseitigt worden, heißt es vom Wirtschaftsministerium. Auch nach Einschätzung des Landesamtes sei „die Arbeitsschutzsituation auf der Großbaustelle bisher insgesamt zufriedenstellend“, sagte Hesse. „Im Verhältnis zum Umfang der Baumaßnahmen würde nur eine geringe Anzahl von sicherheitsrelevanten Mängeln festgestellt.“ Stichprobenhaft seien auch die Aufzeichnungen zur täglichen Arbeitszeit von Arbeitern durch durch auftragnehmende Betriebe sowie deren zahlreiche Subunternehmen geprüft worden. „Dabei wurde festgestellt, dass sowohl die tägliche Arbeitszeit wie auch die erforderlichen Ausgleichszeiten im gesetzlich zulässigen Rahmen lagen“, sagte Hesse.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Lohndumping zuständige Hauptzollamt Frankfurt/Oder äußerte sich nicht. „Wir prüfen jeden Hinweis, ob der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird“, sagte Sprecherin Astrid Pinz. Auch der Bauherr habe Pflichten, das zu gewährleisten.

Angesichts der Vorwürfe fordert Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter im Landtag konsequentere Kontrollen auf der Baustelle. „Der Bauherr ist nach deutschem Recht dafür verantwortlich, dass auf der Baustelle Mindestlohn gezahlt wird und die Arbeitszeiten eingehalten werden“, sagte Walter. „Das Unterlaufen von Mindestlohn- und Arbeitszeitvorschriften sind Straftaten. Das ist kein Kavaliersdelikt.“ Bei Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften und gegen Anordnungen des Landesamtes können Bußgelder bis zu 30.000 Euro drohen.

Zur Startseite