Interview mit Lars Eidinger: "Hey, der Lars ist echt ein cooler Typ, der ist auch DJ."
Lars Eidinger spricht im Interview über mütterliche Inspiration, elterliche Partykeller und ehepartnerliche Genervtheit.
Herr Eidinger, waren Sie nie in Versuchung, Leadsänger einer Band zu werden?
Doch, mein Leben lang. Allerdings hält man ja letztlich doch an dem fest, wofür man bestätigt wird. Und ich habe für einen Gesangsauftritt nie so viel positive Resonanz bekommen wie für mein Schauspiel. Die Sängerin Annette Humpe war mal in einer Vorstellung von „Hamlet“ an der Schaubühne und meinte hinterher zu mir, Mensch Lars, du groovst ja total, lass uns doch mal zusammen ins Studio gehen. Ich hatte aber Bedenken, dass das wegen meiner Popularität so wirken könnte wie: Lars Eidinger legt jetzt noch eine Schmuckkollektion auf.
Auf dem Label „!K7 Records“ erscheint jetzt Ihr Album „I'll Break Ya Legg“ mit ausschließlich instrumentalen Tracks. Von der Stimmung her klingt's nach TripHop.
Früher hätte ich mich gegen diesen Begriff total gewehrt, weil er mich an „Café del Mar“ erinnert und weil ich diese Unterscheidung in Sub-Genres nicht mochte. Inzwischen bin ich entspannter. Selbst HipHop ist ja eigentlich keine Musik, sondern die Bewegung: Graffiti, Rap, Breakdance. Für mich trifft es düsterer Instrumental-HipHop trotzdem am besten.
Sechs der Tracks sind in den 90ern schon mal als 10" Vinyl veröffentlicht worden. Wie sind sie damals entstanden?
Angefangen Musik zu machen, habe ich mit meinem Bruder und einem Freund im Jugendfreizeitheim Berlin-Tempelhof, wo wir ein Studio nutzen konnten. Aber immer nur für eine Stunde, was natürlich genervt hat. Also haben wir beschlossen, einen Computer anzuschaffen, der kostete damals 2000 D-Mark und stand glücklicherweise bei meinen Eltern im ausgebauten Partykeller. Ich war sofort angefixt davon, vor allem, weil ich so schnell zu Ergebnissen gekommen bin, die ich vorzeigbar fand. Ich hatte nur eine Vier-Megabyte-Soundkarte und zwölf Spuren. Wenn die voll waren, war Schluss. Andere Freunde hatten riesige Studios mit analogen Synthesizern und erstklassigen Mischpulten, aber wenn sie was vorspielen sollten, hieß es: Nee, ist nichts fertig.
Was waren musikalische Einflüsse zu der Zeit?
Es gab einen Sampler, der damals auf Mo Wax erschienen ist. Darauf war ein Stück von Howie B, der später Björk produziert hat, das nannte sich „Birth“. Der erste TripHop-Song, wenn man's so will. Einfach nur ein durchlaufender Drum-Loop, kein Gesang. Das war für mich die Initialzündung. Und „Introducing“ von DJ Shadow hatte einen großen Einfluss.
Entsprach der melancholische Sound Ihrer Stimmung, oder war das eher die Künstler-Attitüde?
Natürlich gefiel man sich damals auch in einer Melancholie. Aber ich würde mich bis heute eher als traurigen Menschen bezeichnen. Ich bemühe mich, dem nicht nachzugeben, auch aus Angst, mich darin zu verlieren. Aber diese Musik hat auf jeden Fall meine Stimmung abgebildet. Es war auch die Zeit, in der ich am meisten ausgegangen bin in Berlin. Mitte der 90er waren wir jedes Wochenende im WMF, wo in der Lounge genau die Musik lief, die wir gehört haben. Ich habe mir immer gewünscht, mal dort aufzulegen. Hat aber leider nie geklappt.
Die Titel der Songs sind schön. Woher kommt „Looking Birds Holes In The Ass“?
Wenn ich mich früher gelangweilt habe, hat meine Mutter mich oft gefragt: Guckst du Vögeln Löcher in den Hintern? Das war ein Ausdruck für Nichtstun. „There Sense Thus Weak“ ist ein Shakespeare-Zitat, aus „Was ihr wollt“, das habe ich auf der Schauspielschule damals als Szenenstudium geprobt. Ich muss allerdings zugeben, dass in den Titeln eine Menge Schreibfehler sind, und zwar nicht mit Absicht. Ich hatte zwar ein Langenscheidt-Lexikon Deutsch-Englisch neben dem Computer liegen, habe aber oft nicht richtig reingeschaut. „Ludicous Figure“ heißt ein Song. Das Wort „Ludicous“ gibt es gar nicht.
Bezieht sich der Albumtitel „I'll Break Ya Legg“ auf „break a leg“, die englische Entsprechung des Theaterwunsches „Toi, toi, toi“?
Nein, das kannte ich damals noch gar nicht. Man könnte den Titel als Slang verkaufen, schon wegen des „ya“. Es gibt ein Stück von Busta Rhymes, das heißt „Break Ya Neck“. Aber im Grunde habe ich mich vertan, weil ich dachte, das englische „leg“ würde mit zwei „g“ geschrieben. Da steckt jetzt „egg“ drin, Ei für Eidinger. Die Idee hinter dem Titel war, dass es keine tanzbare Musik ist und man sich die Beine bricht, wenn man es trotzdem versucht.
Was war der Anlass, die Tracks wieder hervorzuholen?
Horst Weidenmüller, der damals der Chef von !K7 war, hat mich mit dem Wunsch kontaktiert, die Platte neu aufzulegen, einfach, weil er sie gern im Katalog haben will. Das hat keine kommerziellen Gesichtspunkte, dazu ist die Musik viel zu widerspenstig.
Haben Sie die Songs stark nachbearbeitet?
Nein, schon weil ich die ursprünglichen Aufnahmen nicht mehr besitze. Dieser klobige PC, auf dem sie entstanden sind, stand ewig bei uns zu Hause herum und hat meine Frau genervt. Irgendwann habe ich mir etwas zu Essen beim Chinesen bestellt und höre nur, wie sie den Lieferanten fragt, ob er nicht einen Computer gebrauchen könne. Schon war der Rechner weg. Mir ist erst später bewusst geworden, dass die ganzen Tracks da drauf waren. Als die Anfrage von !K7 kam, habe ich nur noch eine Mini-Disc gefunden, auf die ich sie kopiert hatte.
An der Schaubühne sind Sie schnell aufgefallen mit Ihrem musikalischen Talent.
Neulich hat mir Thomas Ostermeier erzählt, dass das ein Grund dafür war, mich zu engagieren. Er war ja ursprünglich kein großer Fan von mir, aber meine Kommilitonen André Szymanski und Ronald Kukulies haben sich für mich eingesetzt: Hey, der Lars ist echt ein cooler Typ, der ist auch DJ. Woraufhin Thomas meinte, okay, was soll's. Ich habe dann ja schon früh auch Musikveranstaltungen gemacht an der Schaubühne. In den ersten zwei Jahren hieß die Reihe „photon flux“, bei der habe ich ziemlich ambitionierte Musik gespielt und auch gemixt, DJs eingeladen wie Safety Scissors, Jake Mandell oder DJ Kaos.
Und dann haben Sie auch Musik für Produktionen komponiert.
Zum ersten Mal bei „Nora“, das waren allerdings weitestgehend bearbeitete Songs anderer Interpreten. Für „Der Würgeengel“ habe ich dann eigene Sachen gemacht, unter anderem eine Coverversion von „Black Hole Sun“, bei der Demba Nabé von Seeed gesungen hat.
Taugt „Break Ya Legg“ für Ihre DJ-Reihe „Autistic Disco“?
Mal sehen. Für die nächste „Autistic Disco“ plane ich eine Art Rückschau, ein 90er Jahre Special, auch mit der Musik, die mich inspiriert hat. Die erste Platte von Tricky zum Beispiel zählt immer noch zu meinen All Time Favorites. Falls ich merken sollte, das funktioniert alles nicht, niemand tanzt, oder die brechen sich wirklich die Beine, dann kann ich ja immer noch umschwenken.
Das Gespräch führte Patrick Wildermann. „I’ll Break Ya Legg“ ab 10. November auf !K7 Records. Autistic Disco: Diesen Mittwoch ab 22.30 Uhr in der Schaubühne