Berliner Stadiondebatte: Hertha will die Fußballarena – und was wird aus dem „Oly“?
Nach einer glanzvollen Leichtathletik-EM sagt Sportsenator Geisel: Das Olympiastadion wird nicht umgebaut. Doch viele Fragen sind noch offen.
Das Berliner Olympiastadion, das eine Woche lang Schauplatz einer glanzvollen und sehr gut besuchten Leichtathletik-Europameisterschaft war, wird nicht zu einer Fußballarena umgebaut. Von dieser Idee hat sich Sportsenator Andreas Geisel (SPD) endgültig verabschiedet. Einen solchen Umbau, der vom Berliner Senat ins Spiel gebracht worden war, halte er „für ziemlich ausgeschlossen“, sagte der Senat am Dienstag im RBB-Interview.
Dafür 200 Millionen Euro Steuergelder einzusetzen, und anschließend sage der Hauptnutzer Hertha BSC, so wolle man es nicht, sei „ganz schön viel Geld“. Außerdem habe die Leichtathletik-EM gezeigt, was Berlin am Olympiastadion habe, das sich auch ohne Fußball mit 60.000 Zuschauern füllen ließe. Hertha-Geschäftsführer Ingo Schiller freute sich über den Sinneswandel des Senats. „Ich glaube, dass sich die Aussage des Senators Geisel absolut mit unserer Einschätzung deckt“, sagte Schiller dem Tagesspiegel.
Steuergelder für etwas auszugeben, das nicht den Bedürfnissen des Fußballs entspreche, mache keinen Sinn. Der Proficlub Hertha, dessen Nutzungsvertrag für das Olympiastadion im Juli 2025 ausläuft, will anschließend in eine neue Fußballarena umziehen, die am Rand des Berliner Olympiaparks gebaut werden könnte.
Ein „wichtiger Meilenstein“ für den geplanten Neubau
Der Verzicht des Senats auf die Idee, das Olympiastadion fußballgerecht umzubauen, sei „ein wichtiger Meilenstein“ für den geplanten Neubau, so Schiller. Eine kompakte, privat finanzierte Arena für maximal 55.000 Zuschauer – dafür will Hertha ein 53.400 Quadratmeter großes Grundstück westlich des U-Bahnhofes Olympia-Stadion vom Land Berlin pachten. Der Hertha-Manager hofft, dass die rot-rot-grüne Koalition noch in diesem Jahr eine Grundsatzentscheidung im Sinne des Vereins trifft. „Mit der Sportverwaltung des Senats haben wir einen regen Austausch über die damit verbundenen Fragen.“
Entscheidend ist aber, wie sich die Regierungsfraktionen von SPD, Linke und Grüne positionieren. Im Mai gab es im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses bereits eine ausführliche Anhörung zum Thema, dem soll eine weitere Sitzung bis zum Oktober folgen. „Vor uns steht noch ein schwieriger Diskussionsprozess“, sagte die Vorsitzende des Sportausschusses, Karin Halsch (SPD), dem Tagesspiegel. Über die Konditionen für den Erbbauvertrag gebe es zwischen Hertha BSC und dem Senat noch sehr unterschiedliche Auffassungen.
Außerdem müssten Fragen des Denkmal- und Lärmschutzes geklärt und dafür auch der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf einbezogen werden, sagte die SPD-Abgeordnete. Problematisch sei auch, eine wirtschaftlich akzeptable Nachnutzung für das Olympiastadion zu finden und es gebe einige Anwohner, die dem Stadionneubau weichen müssten und deshalb sehr beunruhigt seien.
„Über den geplanten Standort Olympiapark für die neue Hertha-Arena sind wir nicht so glücklich“, räumte Halsch ein. „Vielleicht sollte noch einmal über einen alternativen Standort in Berlin nachgedacht werden.“ Allerdings will niemand den Berliner Traditionsverein an Brandenburg verlieren. Trotz der vielen ungeklärten Fragen sollte das Parlament nach Meinung der Sportausschuss-Chefin möglichst noch in diesem Jahr, „spätestens Anfang 2019“, eine Grundsatzentscheidung treffen. Alles andere wäre gegenüber Hertha BSC nicht fair.
Ich halte ein neues Fußballstadion nicht für zwingend, kann den Wunsch von Hertha aber nachvollziehen. Ich habe jedoch große Bedenken, das Gebiet um das Olympiastadion weiter baulich zu verdichten. [...] Auch das Olympiastadion lag mal am Stadtrand, daraus haben sich Entfaltungsmöglichkeiten für ein neues Stadtviertel ergeben.
schreibt NutzerIn Ebr
Ein vergleichbarer Fall: der 1. FC Union
Die sportpolitischen Sprecher von Linken und Grünen sind, soweit es die zeitlichen Fristen betrifft, skeptisch. „Mit Sicherheit wird es 2019“, sagte der Linken-Abgeordnete Philipp Bertram am Dienstag. Auch die Grünen-Politikerin Nicole Ludwig hält in diesem Jahr „höchstens noch eine Trendentscheidung für möglich“. Es seien noch zu viele Fragen offen. Ihr Parlamentskollege Bertram hält besonders den Abschluss des Erbpachtvertrages für ein kniffliges Thema. „Das wird eine interessante Diskussion.“ Noch im Herbst solle sich die Koalition auf einen verbindlichen Zeitplan für den Umgang mit den Hertha-Neubauplänen einigen. Eine endgültige Entscheidung noch in diesem Jahr werde aber schwierig.
Einig sind sich die Sportexperten von SPD, Linken und Grünen, dass der Verzicht auf einen Umbau des Olympiastadions eine vernünftige Sache ist. Wichtig sei aber, so Bertram, dass die alte, denkmalgeschützte Arena funktionsfähig bleibe für Großveranstaltungen jeder Art. Die Frage ist nur, wie der Einnahmeausfall von 5,1 Millionen Euro jährlich aufgefangen wird. So hoch ist die Jahresmiete, die Hertha BSC an die landeseigene Olympiastadion GmbH zahlt.
Der Fußballverein hat eine Zusammenarbeit zwischen beiden benachbarten Stadien angeboten, ist aber nicht bereit, den Mietausfall zulasten des „Oly“ ab 2025 durch eine exorbitant hohe Erbpacht für das Grundstück auszugleichen, auf dem der Neubau entstehen soll. Es handele sich um eine unbebaute Sportfläche, lautet Herthas Verhandlungsposition. Als vergleichbarer Fall wird die Vergabe des Stadiongrundstücks an den 1. FC Union in Treptow-Köpenick herangezogen. Das war vor zehn Jahren. Damals wurde der Verkehrswert der Immobilie auf 1,8 Millionen Euro taxiert, der Pachtzins wurde mit 6,5 Prozent vereinbart. „Das waren andere Zeiten“, meint die SPD-Sportpolitikerin Halsch. Das sei aus heutiger Sicht wohl kein vergleichbarer Fall.
Der CDU-Sportexperte Stephan Standfuß hält einen Stadionneubau für Hertha BSC am Rand des Olympiaparks auch für die beste Lösung. Leider habe der Senat durch seine unsinnigen Pläne für den Umbau des Olympiastadions viel Zeit verloren. „Das ist doch unfassbar!“ Um die Zukunft des alten Stadions macht sich der Christdemokrat keine so großen Sorgen. Für internationale Sport-Großveranstaltungen gebe es offenbar einen wachsenden Markt, von dem Berlin profitieren könne. Und vielleicht habe sogar eine erneute Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele eine Chance.
Gegen den Umbau des Olympiastadions für Hertha ist auch der FDP-Sportpolitiker Stefan Förster. Eine neue Arena für den Verein lehnt er aber strikt ab. Hertha müsse durch besseren Fußball und attraktivere Konditionen für die Zuschauer dafür sorgen, dass mehr Menschen zu den Bundesligaspielen in die bisherige Spielstätte kämen.
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Das Olympiastadion war nie ein Fußballstadion und wird es auch nie sein [...]. Ein Mehrzweckstadion für Olympische Spiele, errichtet von Nazideutschland, ist ein Erbe, dass Hertha mehr oder weniger durch widere Umstände mit am Leben erhalten hat und dafür könnte diese Stadt eigentlich ein wenig mehr Dankbarkeit zeigen.
schreibt NutzerIn InspectorBarneby