Vor Verwaltungsgericht: Hells Angels wollen gegen Verbot klagen
Ende Mai war ein Berliner Club der Hells Angels von Innensenator Frank Henkel verboten worden. Nun wollen sich die Rocker dagegen wehren. Polizeipräsidentin Koppers gab am Freitag im Innenausschuss Details zu Panne vor dem Großeinsatz bekannt.
Dem niedergeschossenen Chef der Berliner Hells Angels geht es wohl besser. Der schwer verletzte André Sommer kann einem Sprecher des Rockerclubs zufolge wieder laufen. Bis zu 20 Schritte habe Sommer im Virchow-Klinikum der Charité gemacht, sagte der Mitbegründer der deutschen Hells Angels, Rudolf „Django“ T. am Freitag in einem Berliner Hotel. Der 47-jährige Sommer war am Sonntag mit sechs Schüssen lebensgefährlich verletzt worden. Der Gastronom war bis vor kurzem Präsident des Hells-Angels-Charters „Nomads“ im Osten der Stadt, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Bislang hat der Rocker nur mit seiner Familie gesprochen. Die Klinik wird bewacht – die Polizei hat Angst, der Schütze könnte erneut zuschlagen.
„Wir haben keine Ahnung, wer der Täter ist“, sagte Rocker-Sprecher T. Man könne ausschließen, dass der Schütze aus den eigenen Reihen stamme. Die Hells Angels müssen sich nach den Verboten der vergangenen Wochen neu organisieren, Beobachter hatten interne Fehden erwartet. Ein Anschlag durch einen Mann der konkurrierenden Bandidos wird ebenfalls für möglich gehalten, ein Sprecher dieses Clubs sagte dazu auf Anfrage nichts. Der Schütze muss kein Rocker sein, im Rotlichtmilieu sind die Hells Angels auch mit Männern anderer Gruppen aneinandergeraten.
In Bilder: Rockerkrieg in Deutschland
Zu einer Sondersitzung hatte für Freitag der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses geladen. „Wir haben es mit einem der brutalsten und gefährlichsten Phänomene in der Stadt zu tun“, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU). In Berlin waren kürzlich Verbotsverfügungen gegen drei Ableger von Hells Angels und Bandidos erlassen, die Rocker aber offenbar vorab informiert worden. Deshalb war die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers in den Ausschuss geladen worden. Einen Tag vor der geplanten Razzia hätten Journalisten von „Spiegel Online“ der Polizeipressestelle mitgeteilt, dass sie wüssten, dass am nächsten Morgen ein Verbot gegen die Hells Angels vollstreckt werden soll, erklärte Koppers. Man habe vergeblich gebeten, einen Bericht dazu zurückzustellen – vor der geplanten Razzia ging ein entsprechender Artikel online.
Koppers erklärte, dass der Personenkreis, aus dem die vertraulichen Informationen stammen könnten, groß sei. Von der Verbotsverfügung hätten unter anderem Mitarbeiter der Berliner Polizei, von mehreren Bundes- und Landesministerien und verschiedenen Einsatzgruppen gewusst. Einige der Informationen, die „Spiegel Online“ offenbar von Quellen in der Polizei hatte, seien aber falsch gewesen, sagte Koppers.
Kombiniere man diese mit den ebenfalls durchgesickerten richtigen Angaben, käme niemand aus der Einsatzleitung als Informant infrage. Es sei offen, ob die „sensiblen Informationen von einer oder mehreren Personen geflossen sind und wer davon zuerst Kenntnis erhielt“, also die Rocker durch die Journalisten oder umgekehrt, weil die betroffenen Clubs schon aus anderen Quellen oder durch das aufmerksame Beobachten der Vorgänge der vergangenen Monate die Verbote vorhergesehen hatten.
Was Koppers zufolge gegen das Durchsickern des genauen Verbotstermins zu den Rockern spricht: In Berlin haben Beamte zu dieser Zeit ranghohe Hells Angels aus den USA angetroffen. Sie gelten in der Rockerhierarchie nach wie vor als einflussreich – und dürften sich kaum wissentlich in die Gefahr begeben, von der Polizei überprüft zu werden. Koppers sagte, sie glaube, dass das Vereinsverbot auch in der Bevölkerung als Erfolg gesehen wird. Bislang hätten Rocker durch ihr martialisches Auftreten Ängste schüren können. Dies gehe nun nicht mehr, die Insignien der Clubs dürfen nicht getragen werden.
Gegen das vollstreckte Verbot ihres Reinickendorfer Ablegers wollen die Hells Angels vor dem Verwaltungsgericht klagen. Sprecher Rudolf „Django“ T. bestätigte am Freitag dem Tagesspiegel, dass eine Klage vorbereitet werde. Desweiteren erwägen die Rocker den Aufbau einer neuen Berliner Ortsgruppe. „Seit geraumer Zeit ist die Gründung eines neuen Berliner Charters in Planung“, sagte der Sprecher.
Er bestätigte Gerüchte um eine neue Hells-Angels-Dependance im Osten der Stadt. „Sollte es dazu kommen, wird das Charter 'East District' heißen.“ Es soll sich aber nicht um eine Vereinigung für die Ex-Mitglieder der verbotenen Hells-Angels-Gruppen handeln. Eine direkte Nachfolgeorganisation könnten die Behörden leicht verbieten.
Hannes Heine