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"... bis zum 24. Dezember geteilt". Ein Schild erinnert an das besondere Datum. Sigur Hauff, 78, war damals stellvertretender Bürgermeister.
© David Heerde
Update

24. Dezember 1989 zwischen Berlin und Potsdam: Heiligabend wurde die Grenze geöffnet

Vor 25 Jahren erhielten die Bewohner von Kladow und Groß Glienicke ein ganz besonderes Geschenk: Am 24. Dezember wurde dort der Zaun aufgemacht. Der damalige Bürgermeister Sigurd Hauff war einer der ersten, die hindurchgingen.

Es war ein ganz besonderes Weihnachtsfest am 24. Dezember 1989, damals vor 25 Jahren. An jenem Tag wurde die Mauer zwischen Groß Glienicke und dem Berliner Ortsteil Kladow geöffnet. Nach all den Jahren konnten die Menschen wieder gemeinsam in die Kirche gehen, sie konnten auf die andere Seite spazieren, die sie immer nur aus der Ferne sahen.

25 Jahre danach, am 24. Dezember 2014, wird daran erinnert. Am Mauerdenkmal gleich neben dem Glienicker See, das im Herbst saniert worden ist, wird es ein kleines Fest mit Glühwein geben. Um 11 Uhr wird auch der Spandauer Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) erwartet. Das Mauerdenkmal befindet sich auf dem Fußweg zwischen Kladow (Bushaltestelle Gutsstraße, Linie 135) und Große Glienicke (Bushaltestelle Am Park, Linie 638). Lesen Sie hier unsere Weihnachtsgeschichte.

"Hier waren Deutschland und Europa geteilt"

Gleich morgens kurz nach acht, unmittelbar nach Öffnung des neuen Grenzübergangs am 24. Dezember 1989, hatte er sich aus Spandau aufgemacht, um dem Bürgermeister von Groß Glienicke einen Weihnachtsbesuch abzustatten. Warum so früh? „Die Leute sollten doch in Ruhe Heiligabend feiern können.“ Ob er bei den DDR-Grenzern noch irgendwelche Formulare ausfüllen musste, weiß der 79-jährige Sigurd Hauff, damals SPD-Volksbildungsstadtrat und stellvertretender Bürgermeister im Rathaus an der Carl-Schurz-Straße, nicht mehr genau zu sagen. Aber an die Stimmung im Rathaus von Groß Glienicke – oder war es eher das Wohnhaus des Bürgermeisters? – erinnert er sich gut.

Seine Frau war mitgekommen, und er hatte als Geschenk ein Gemälde mit einer Ansicht Spandaus dabei. „Die wussten genau Bescheid, dass ich komme“, schildert Hauff diese frühe Begegnung zwischen West und Ost. „Ich spürte eine gewisse Befangenheit in dem kleinen Rathaus – die wussten nicht recht, wie sie damit umgehen sollten.“

An vielen Stellen wurden damals rund um West-Berlin neue Grenzübergänge geöffnet, zwei Tage vorher beispielsweise der am Brandenburger Tor: Vom Westen aus ging es rechts davon nach Ost-Berlin hinein, links wieder raus.

Heute fahren hier die Autos von Berlin-Spandau nach Potsdam

Zwischen Kladow und Groß Glienicke war der Übergang im Verlauf der alten Reichsstraße 2 geschaffen worden, nördlich des vom Grenzverlauf durchschnittenen ehemaligen Ritterguts der Familie von Wollank. Nur Fußgänger konnten dort passieren. Alte Fotos zeigen den üblichen sandigen Todesstreifen mit Wachturm, der Weg hindurch offenbar provisorisch mit Steinplatten befestigt.

Heute rauscht dort der Verkehr zwischen Kladow und dem seit 2003 zu Potsdam gehörigen Groß Glienicke hin und her, ist die Bundesstraße 2 für viele die kürzeste Verbindung zwischen Bundes- und brandenburgischer Landeshauptstadt. Ein Schild, wie es sie ähnlich an zahlreichen West-Berliner Ausfallstraßen gibt, erinnert an die Grenzöffnung zu Weihnachten 1989: „Hier waren Deutschland und Europa bis zum 24. Dezember 1989 um 8 Uhr geteilt.“ Das ist nur begrenzt korrekt, denn nach dem zweiten Weihnachtstag wurde die Mauer – hier war sie ein Zaun, von dem sich Reste am Nordufer des Groß Glienicker Sees bis heute erhalten haben – wieder geschlossen. Der Grenzübergang war nur ein Provisorium über die Festtage, auf Dauer wurde er erst am 30. Januar 1990 geöffnet.

Ein Schild erinnert an die Grenzöffnung 1989

Dennoch: Für die Groß Glienicker bedeutete Heiligabend 1989 das Ende einer Teilung, die neun Jahre älter war als die Berliner Mauer. Bis 1945 gehörte auch der heutige Spandauer Teil von Groß Glienicke zu der brandenburgischen Gemeinde, war im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flugplatzes Gatow per Gebietsaustausch gegen West-Staaken dem britischen Sektor von Berlin zugeschlagen worden. Bereits 1952 wurde die Grenze zwischen Groß Glienicke (Ost) und Groß Glienicke (West) dicht gemacht – anfangs war das ein halbwegs durchlässiger Zaun, bis am 13. August 1961 die Schlupflöcher verschlossen wurden.

Erinnert sich noch jemand? So sah's hier aus im Dezember 1989.
Erinnert sich noch jemand? So sah's hier aus im Dezember 1989.
© Archiv Heinrich von Becke im Sportmuseum Berlin

Erstmals seit 47 Jahren konnten nun also die Groß Glienicker den Gottesdienst in ihrer alten Dorfkirche wieder gemeinsam feiern. Dass dies möglich wurde, verdankten sie Verhandlungen auf der „kleinen Ebene“, wie Michael Uhde, damals Mitglied im Spandauer Schulausschuss, es nannte. Die Kladower SPD habe schon vor einiger Zeit Gespräche mit dem Rat der Gemeinde in Groß Glienicke im Bezirk Potsdam aufgenommen, und gemeinsam mit dem zuständigen Kommandeur der DDR-Grenztruppen habe man sich in einer konzertierten Aktion auf die Grenzöffnung verständigt, berichtete er kurz vor dem Weihnachtsfest.

Die Potsdamer Bezirksbehörden informierte man erst nachträglich, sandte dagegen Telegramme an DDR-Ministerpräsident Hans Modrow (SED) und Berlins Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) mit dem Wunsch nach Öffnung der Grenze zu Weihnachten. Einwände gab es von dort keine, allerdings stellten sich praktische Probleme. Die Grenzer wiesen darauf hin, dass sie einen Toilettencontainer benötigten, aber keinen auftreiben könnten. Das Problem wurde unbürokratisch gelöst: Die Berliner Stadtreinigung stellte das Grenzklo leihweise zur Verfügung und platzierte es auf DDR-Gebiet – mit Einverständnis von Stadtrat Hauff, wie der Tagesspiegel schrieb. Und auch für die zwei beim Transport zerbrochenen Fenster des Grenzhäuschen fand sich rasch eine Lösung: Ein Kladower Glaser wurde zum Grenzübergang bestellt, wechselte ohne Pass und Visum die Seiten und setzte auf eigene Rechnung neue Scheiben ein. Auf Fotos, die am Grenzübergang während des Weihnachtsfests 1989 entstanden waren, sieht man lange Schlangen von Besuchern, die zwischen West und Ost hin- und herwechselten – „auf eigene Gefahr“, wie ein Schild vorsorglich warnte. Und der Tagesspiegel konnte auch von einer frühen Form des neuen Ost-West-Handels berichten, der am Potsdamer Tor des einstigen Gutsparks – damals im schlechten Zustand, heute ein tiptop restauriertes Bauwerk – zu beobachten war. Ein Groß Glienicker Gastwirt hatte die Gunst der Stunde erkannt und dort einen provisorischen Getränketisch aufgebaut, zur Versorgung durstiger Westler. Zur Steigerung des Lokalkolorits hatte er sich eine russische Offiziersmütze aufgesetzt, auch sein Trabbi stand bereit: für Rundfahrten mit authentischem Zweitaktgefühl.

Der Text, nun aktualisiert, wurde bei Tagesspiegel-online erstmals am 24. Dezember 2013 veröffentlicht.

Andreas Conrad

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