Asylbewerber in Berlin: Heftiger Streit um Verteilung von Flüchtlingen
Senat und und Bezirke streiten seit Monaten um die Unterbringung von Flüchtlingen. Sozialsenator Czaja drohte gar, Gebäude zu beschlagnahmen. Voran geht es in dieser Frage aber nicht - und dahinter könnte auch Parteitaktik stehen.
In der Opposition ist man empört, in den Bezirken fühlt man sich zu Unrecht bezichtigt, und der Sozialsenator sitzt zwischen den Stühlen. Seit Monaten wird in Berlin über eine bessere Verteilung von Flüchtlingen debattiert. Unstrittig ist, dass drei, vier Bezirke die meisten Asylbewerber aufnehmen. Mario Czaja (CDU) hatte die Bürgermeister der anderen Bezirke deshalb darauf festgelegt, sich besser zu beteiligen. Notfalls, erklärte er, müsse man Gebäude beschlagnahmen. Das war vergangenen November – geschehen ist seitdem wenig.
Linke und Grüne vermuten, dass Czaja auch deshalb nicht durchgreife, weil dort, wo bislang wenige Flüchtlinge leben, die CDU ihre Hochburgen hat. Das weist man etwa in Zehlendorf zurück – im Gegenteil, dem Senator traue man zu, auch in CDU-geführten Kiezen demonstrativ Stärke zu zeigen. „Wir haben schlicht keine geeigneten Gebäude“, sagte Bezirksbürgermeister Norbert Kopp. Bei infrage kommenden Privathäusern müssten die Eigentümer zustimmen, und „ungenutzte Areale des Bezirkes haben wir dem Liegenschaftsfonds übergeben und damit dem Land“.
Das ist immer wieder zu hören: Leere Gebäude seien wie vorgeschrieben an den Liegenschaftsfonds gegangen. Der vermarktet die Immobilien für das Land und untersteht Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Flüchtlingsunterbringung gehörte bislang nicht zu seinen Schwerpunkten.
Massive Versäumnisse wirft deshalb Elke Breitenbach, Sozialexpertin der Linken, dem Senat vor. Eigentlich seien auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet, Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Trotz der steigenden Zahl von Asylsuchenden gebe es kein langfristiges Unterbringungskonzept.
Mehr als 5000 Flüchtlinge leben in Berlin. Davon haben erst im vergangenen Jahr rund 3000 einen Asylantrag gestellt. Viele sind vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen, außerdem kamen Roma, die in ihren Heimatländern auf dem Balkan diskriminiert werden. Wie berichtet, wehrt sich Reinickendorf dagegen, in ein teilweise leeres Pflegeheim in Wittenau rund 220 Asylbewerber einzuquartieren. Das Haus liege in einem Wohngebiet, den Nachbarn sei die geplante Umnutzung nicht zuzumuten. Ähnlich wurde in Lichtenrade argumentiert. Senator Czaja erklärte nun, von der dort geplanten Unterkunft für bis zu 300 Flüchtlinge abzusehen.
Bei näherem Hinsehen werden aber Unterschiede deutlich: Während in Reinickendorf ohnehin wenige Flüchtlinge leben, ist Tempelhof-Schöneberg einer der Bezirke, die am meisten Plätze bereitstellen. Canan Bayram von den Grünen wies darauf hin, dass Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf eine „lange Tradition“ darin hätten, Gebäude mithilfe des Baurechts als ungeeignet zu erklären. Dennoch seien die Argumentationen juristisch oft nachvollziehbar. Deshalb müsse Czaja bei Nußbaum nachhaken.
Innerhalb des Senats herrscht also Gesprächsbedarf, was schon folgendes Beispiel zeigt: Eine ehemalige Schule in Prenzlauer Berg wird derzeit als Notunterkunft genutzt. Nach einem Umbau könnte das Gebäude als Wohnheim fungieren. Das hätte den Vorteil, dass sich die Bewohner in einem durchmischten Kiez im Zentrum befänden und ihre Kinder auf umliegende Schulen verteilt werden könnten – anders als in den ruhigeren Randlagen in Wittenau und Lichtenrade. Nußbaum selbst sagte dazu am Donnerstag im Abgeordnetenhaus: Die zuständige Gesundheitsverwaltung müsse das Gebäude in Prenzlauer Berg prüfen, erst dann könne es dauerhaft als Einrichtung für Asylbewerber genutzt werden.
Czaja teilte ebenfalls im Abgeordnetenhaus mit, er sei trotz allem optimistisch, was die Verteilung betrifft. In Reinickendorf setzt der Senator auf einen Kompromiss. Im Heim in Wittenau könnten wohl auch weniger Betroffene unterkommen. Die seit Monaten protestierenden Flüchtlinge auf dem Oranienplatz rufen für kommende Woche zu Aktionen auf. Die Frauen und Männer harren dort in einem Camp aus.
Hannes Heine