Funklöcher in der Mark: Hausbrand in Brandenburg – aber kein Handyempfang
Ein dramatischer Fall: Ein Forsthaus brennt, doch der Förster kann keinen Notruf absetzen. Er muss erst zwei Kilometer fahren, um die Feuerwehr rufen zu können.
Er wollte nach langer Zeit Feuer im Kamin machen, doch dann stand das alte preußische Forsthaus Schönhorn voll Rauch. Der Schornstein brannte, der 53-jährige Förster in Steinförde, einem Ortsteil von Fürstenberg/Havel (Oberhavel) in Nordbrandenburg, versuchte selbst zu löschen. Der Griff zum Handy, um die Feuerwehr zu rufen, brachte nichts: An der Landeswaldrevierförsterei gibt es keinen Empfang. Der Förster musste sich ins Auto schleppen und zwei Kilometer bis zur nächsten befestigten Straße fahren, um den Notruf 112 zu wählen. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn später mit einer Rauchgasvergiftung in einer Berliner Klinik.
So berichtete es Fürstenbergs Bürgermeister Robert Philipp (parteilos) dem Lokalblatt „Gransee-Zeitung“. Auch Stadtbrandmeister Dirk Stolpe erzählt: „Alle, die vor Ort waren, hatten keinen Handyempfang.“ Mehr als 60 Feuerwehrleute waren es, und nicht alle haben denselben Handyanbieter. Gerd Rademacher, Funkexperte und Feuerwehrmann in Eisenhüttenstadt, ist verwundert. Bei den Notrufen 110 oder 112 würden Handys automatisch auf andere Netze umspringen. „Absolute Nullflächen ohne Empfang sind sehr selten“, sagt er. Und doch gibt es sie in den Weiten der Mark. Brandenburg ist für seine Funklöcher berüchtigt. Was Berliner Ausflüglern als Gelegenheit zur „digitalen Entgiftung“ willkommen ist, kann fatale Folgen haben.
Funklöcher sind weit mehr als ein Luxusproblem
Im November beschloss der Landtag einmütig, bei der ab Frühjahr vom Bund geplanten Versteigerung der Lizenzen für den Highspeed-Standard 5G müsse die flächendeckende Versorgung mit 4G-Mobilfunk Pflicht sein. „Das traurige Beispiel von Fürstenberg zeigt, dass Funklöcher kein Luxusproblem sind, sondern zur ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben werden können“, sagt CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Flächendeckender Handyempfang sei ein Muss. „Wir brauchen deshalb ein Umdenken: Die Landesregierung muss endlich Geld in die Hand nehmen und Funkmasten bauen und die Betreiber müssen den Weg für nationales Roaming freimachen.“
Letzteres fordert die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg. Die Digital-Expertin der Linksfraktion im Bundestag wohnt in Fürstenberg und sagt: „Es ist unfassbar, dass Funklöcher zu solchen Tragödien führen.“ Auf ihrer Sommertour hätten ihr Menschen in der Lausitz von der Angst erzählt, gegen ein Wildschwein zu fahren und auf der Straße mit dem Auto liegen zu bleiben – aber niemanden übers Handy zu erreichen. Bislang sei bei den 5G-Lizenzen vorgesehen, dass die Anbieter jedes Bundesland zu 98 Prozent mit 4G abdecken und in 500 Funklöchern Masten aufstellen. Doch das reiche nicht. Wenn ein Anbieter einen Mast aufstelle, hätten Nutzer anderer Anbieter das Nachsehen. Die könnten durch nationales Roaming ein anderes Netz nutzen – bislang sei das aber nicht geplant.
Oberhavel-Landrat Ludger Weskamp (SPD) sagt: Für den Landkreis seien die vielen Funklöcher in einem so wirtschaftsstarken Land inakzeptabel. „Wenn dadurch – wie im Fall des Forsthauses Steinförde – sogar Menschenleben bedroht sind, ist es untragbar.“ Der Bund müsse die Netzanbieter viel stärker zu einer besseren Netzabdeckung bewegen.
"Ein Versagen, das im Jahr 2018 niemand mehr erklären kann“
Wie häufig es zu solchen Notfällen kommt, weiß Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums in Potsdam, nicht. Er erinnert an den großen Waldbrand im August bei Treuenbrietzen: Unzählige Einsatzkräfte standen im Funkloch, die Telekom musste einen mobilen Mast aufstellen. „Dass es dort keinen Mobilfunk gibt, ist ein Versagen, das im Jahr 2018 niemand mehr erklären kann.“ In den meisten Ländern Europas seien solche Zustände undenkbar.
Die Polizei stellte übrigens als Brandursache im Forsthaus „Baumängel am Schornstein und an der Feuerungsstätte“ fest. Die Landesforstbehörde prüft jetzt, ob das Haus noch zu retten ist.
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