Grüne in Berlin: Hans-Christian Ströbeles Nachfolger wird wohl eine Frau
Wer zieht statt Hans-Christian Ströbele in den Bundestagswahlkampf? Am 11. März fällen die Mitglieder eine Entscheidung. Wahrscheinlich wird es eine Frau.
Bei den Grünen hört man zurzeit häufig das Wort „Frauenliste“, wenn es um die Plätze auf der Landesliste zur Bundestagswahl geht. Den Kampf um die wohl sicheren ersten drei Plätze könnten drei Frauen unter sich ausmachen: Bettina Jarasch, Lisa Paus und Renate Künast. Und als Nachfolgerin von Hans-Christian Ströbele, der 2017 als Direktkandidat im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg– Prenzlauer Berg Ost nicht mehr antritt, wird wohl die Abgeordnete Canan Bayram die besten Chancen haben.
Die Abgeordnete und frühere Parteichefin Bettina Jarasch will wie berichtet Spitzenkandidatin werden. Aber auch Lisa Paus, seit 2009 Bundestagsabgeordnete, wird sich für Platz 1 bewerben. Wer unterliegt, kann jedoch auch für Platz zwei kandidieren. Dieser ist bei den Grünen ein „offener“ Platz, auf dem bisher der Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu und der Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar antreten wollen. Und es ist davon auszugehen, dass sowohl Jarasch als auch Paus nach einer Niederlage ebenfalls ins Rennen um den zweiten Platz gehen würden. Beide äußern sich dazu offiziell nicht.
Auf Platz drei, der wie alle ungeraden Plätze den Frauen vorbehalten ist, tritt die langjährige Bundestagsabgeordnete Renate Künast an. Ihr wird parteiintern hoch angerechnet, dass sie den ersten Platz frei macht für eine neue Spitze. Jarasch, die als Direktkandidatin in Spandau antritt, würde im Fall einer Niederlage um die Plätze eins und zwei nicht gegen Künast antreten: Sie arbeitete unter anderem als Vorstandsreferentin für Künast. Außerdem gehören die beiden dem Realo-Flügel an. Lisa Paus zählt zum linken Parteiflügel und müsste keine Verwerfungen befürchten, sollte sie gegen Künast antreten.
In Friedrichshain-Kreuzberg wird ein prestigeträchtiger Job frei
Prognosen sind vor der Listenaufstellung am 25. März schwierig: Denn traditionell werden die Kandidaten von den Mitgliedern gewählt, nicht von Delegierten. Und eine mitreißende Rede kann die Seele der Basis mehr streicheln als Gedanken an Flügelarithmetik.
Fast 6000 Mitglieder haben die Berliner Grünen. Eine Mitgliedervollversammlung ist dann beschlussfähig, wenn 15 Prozent der Mitglieder anwesend ist. Sollte das Quorum nicht erreicht sein, kann die Versammlung auch in eine Delegiertenkonferenz umgewandelt werden.
Ein prestigeträchtiger Job wird bei den Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg frei. Wer tritt die Nachfolge von Ströbele an, der viermal hintereinander das Direktmandat der Grünen für den Bundestag geholt hat? Die Partei sucht per Ausschreibung einen Kandidaten: Er muss mindestens 18 Jahre alt sein, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und den Grünen inhaltlich nahestehen.
Ein grünes Parteibuch ist nicht zwingend erforderlich. Am 11. März soll die Basis darüber abstimmen. Bis Dienstag sei keine offizielle Bewerbung eingegangen, sagt Caroline Ausserer, Sprecherin der Grünen im Bezirk.
Klare Profilvorstellungen für den Nachfolger von Ströbele
Werner Graf, Landeschef der Partei, weiß dagegen von mehreren potenziellen Bewerbern. „Darunter sind großartige Kandidaten“, sagte er, ohne Namen zu nennen. Graf, der einst den Einzug in den Bundestag nur knapp verpasst hat und im Kreuzberger Bezirksverband verwurzelt ist, hat selbst keine Ambitionen: „Ich wollte immer Landeschef werden und möchte diesen Job jetzt erst einmal gut machen.“ Vom Kandidaten in spe hat er bereits klare Profilvorstellungen. Streitfähig müsse er sein, eine klare linke Linie vertreten, sich für Flüchtlinge einsetzen und gegen Kriegseinsätze positionieren. Außerdem brauche er eine Verwurzelung im Kiez. „Anders wird es einfach nicht gehen“, sagt Graf.
Das von ihm zitierte Profil würde zu einer Abgeordneten durchaus passen: Canan Bayram. Die integrations- und rechtspolitische Sprecherin der Grünen lebt im Bezirk, ist seit 2006 im Abgeordnetenhaus. Bayram trat 2009 von der SPD zu den Grünen über. Die Migrationsexpertin hat für die Grünen ein Direktmandat für das Abgeordnetenhaus erobert und ist wie Ströbele Juristin. Bayram wollte sich nicht zu einer Kandidatur äußern.
In Parteikreisen ist die Rede von einem weiteren Kandidaten: Andreas Otto. Der Abgeordnete wollte sich auf Anfrage auch nicht dazu äußern. Denn es ist Usus bei den basisdemokratischen Grünen, zunächst parteiintern seine Bewerbung zu verkünden. Das werden die potenziellen Kandidaten auch bald tun: Die Bewerbungsfrist endet am 3. März.